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- Summer Breeze 2016
- Donnerstag, 18.08.2016
- Freitag, 19.08.2016
- Samstag, 20.08.2016
„Polkas, Walzer, Märsche, sowie Stimmungsmusik“ hat die BLASKAPELLE ILLENSCHWANG laut ihrer Website im Programm. Als einzige Vertreter dieser Stilrichtung, zieht das Ensemble um 14 Uhr am Eröffnungstag sämtliche Anhänger gediegener deutschsprachiger Klänge vor die Camel Stage und marschiert im roten Ornat zu frenetischen „Illenschwang!“-Rufen auf die Bühne. Die Menge stapelt sich regelrecht, mehrere Pokemons ringen um die vordersten Plätze – steht hier etwa schon der heimliche Headliner auf den Brettern? Nach einem zünftigen „Grüß Gott, Freunde!“, gibt die Kapelle jedenfalls vom ersten bis zum letzten Takt alles und streichelt die Seelen des Publikums mit einem reinen Klassiker-Set: Schon zu „Auf der Vogelwiese“ bildet sich die erste Wall of Death, während im Hintergrund Seifenblasen in den Himmel wabern. Das Publikum zeigt sich textsicher bei „Von den blauen Bergen kommen wir“, in dem auch das letzte „Yippie Yippie Yeah Karamba Karacho“ aus vollen Kehlen mitgesungen wird, aber so richtig blühen die Herzen der Fans zum „Böhmischen Traum“ auf: Hunderte Zuschauer sinken gleichzeitig zu Boden, um der Gruppe mit rhythmischem Synchronrudern zu huldigen. Prominent wird es zu „Weil du so schön bist, mein Tiroler Land“, als Superman persönlich über die Menge gleitet (oder war es nur ein sehr überzeugendes Double?), bevor der „Zillertaler Hochzeitsmarsch“ mit einer weiteren Wall Of Death gefeiert wird. Dirigent und Sänger „Harich Günther“ weiß, wie er sein Publikum bei Laune hält und allen von Trübsal geplagten empfiehlt er „Trinken, trinken, weil man die Sorgen dann vergisst“. Nachdem sich zum „Kufsteinlied“ die Versammelten noch einmal die Seelen aus dem Leib jodeln konnten, gibt es als Zugabe ein packendes Medley aus verschiedenen Märschen. Klar, dass das SUMMER BREEZE „seine“ Blaskapelle so schnell nicht von der Bühne ziehen lässt. Deswegen erfeut die BLASMUSIK ILLENSCHWANG einfach noch ein zweites Mal mit der „Vogelwiese“, ehe die roten Uniformen das BREEZE endgültig dem Metal und dem Metal allein überlassen. Zünftig war‘s!
ALMANAC, das Allstar-Projekt um den ehemaligen RAGE-Gitarristen Victor Smolski, eröffnen den metallischen Teil des Festivals um 16 Uhr auf der T-Stage. Es herrscht ein angenehm erfrischendes Lüftchen und das Zelt ist bereits zur Hälfte gefüllt, als die Band mit dem Titeltrack ihres Debüts „Tsar“ ihr Set eröffnet. Sicher haben sich auch einige Zuschauer vor der knallenden Sonne in die T-Stage hinein geflüchtet, doch auch die konnten nicht lange die Beine still halten. Sofort herrscht Dynamik auf der Bühne, denn das dreiköpfige Sängergespann bestehend aus David Readman (PINK CREAM 69), Jeanette Marchewka und Andy B. Frank (BRAINSTORM) harmonieren nicht nur gesanglich wunderbar miteinander, sondern sorgen auch für reichlich Bewegung auf der Bühne. Sie animieren das Publikum zwar selten zum Mitmachen, dieses zeigt sich jedoch stets kooperativ und liefert gerne die nötige Stimmung, im Falle von „Nevermore“ und „No More Shadows“ sogar unaufgefordert. Und immer, wenn Smolski seine Gitarrenkünste zur Schau stellt, beispielsweise beim Gänsehaut-Solo von „No More Shadows“ oder dem furiosen Einstieg von „Hands Are Tied“, räumen die drei das Feld, um den Maestro im Fokus zaubern zu lassen. So spielen sich ALMANAC fast durch ihr gesamtes Debütalbum, überraschen zum Schluss aber dann sogar mit dem RAGE-Song „Empty Hollow“, der als Rausschmeißer fungiert. Insgesamt sorgte die Band für einen mehr als gelungenen Festivalauftakt.
Wenn bei der Blasmusik Illenschwang vielleicht noch „erstmal langsam anfangen“ galt, so wurde beim nächsten Programmpunkt auf der Camel Stage klar, dass es damit jetzt direkt vorbei war. Mit Höchstgeschwindigkeit ging es zurück in die 80er, wo die hautengen Hosen genauso gut saßen wie die Mähne inklusive Ponyfrisur. Bei Letzterem half dann auch noch der bereitgestellte Ventilator nach. Nicht nur musikalisch gaben die Thrasher aus Belgien Gas, auch rein physisch gab es für sie auf der Bühne kein Halten mehr. Das Publikum tat es ihnen gleich und setzte die Security auch sofort dem ersten Stresstest des Tages aus. Auf dem gut gefüllten Platz tummelten sich schnell gleich mehrere Crowdsurfer gleichzeitig. Für die gute Laune sorgte vor allem die fast übermäßige Energie auf der Bühne, aber auch die teilweise hymnenhaften Soli, die sich zwischen die Hochgeschwindigkeits-Riffs schlichen, leisteten da ihren Beitrag. Nach ihrem Set kehrte die Band dann noch mit einigen Promo-Geschenken auf die Bühne zurück, worauf sie dann erst recht gefeiert wurde.
Vor zwei Jahren gaben sich MANTAR zu später Stunde noch als Geheimtipp die Ehre auf der Camel Stage. Inzwischen zählt das sympathische Duo aus Norddeutschland zu einem der neueren Pferde im Nuclear Blast Rennstall und konnte mit dem aktuellen Album „Ode To The Flame“ seinen Fankreis deutlich vergrößern. Noch während an den letzten Finessen des Soundchecks geschliffen wird und trotz des schönsten Wetters, füllt es sich heute vor der Zeltbühne bereits bis zum ersten Wellenbrecher. Sänger Hanno öffnet sich noch schnell ein Bier, befreit sich von seinem Shirt und los geht’s. Sicher nicht ganz unbeabsichtigt bedienen MANTAR erstmal die Fans des Debütalbums mit Songs wie „Spit“, „Cult Witness“ und „Astral Kannibal“. Noch wird nur in den ersten drei Reihen das Haupt geschüttelt, als es jedoch an „Cross The Cross“ geht, gibt es kaum noch ein Halten in der Menge und der Aushänge-Ohrwurm „Era Borealis“ lässt das inzwischen bis zum Cocktailstand gefüllte Zelt völlig ausrasten. Nicht nur die Menge gibt Vollgas, sondern auch Hanno wirft sich, vergleichbar mit einem Gummiball, auf der Bühne umher. MANTAR sind zwar nur zu zweit, betreiben aber genug Körpereinsatz für eine Kreisliga-Turnmannschaft. Ganz alleine ziehen die Bremer ihren Gig am Ende dann aber doch nicht durch: Für einen Urschrei bei „Into The Golden Abyss“ tritt Gabriel „Gabbo“ Dubko von IMPLORE ans Mikro, brüllt runde fünf Sekunden lang alles nieder und verschwindet dann fröhlich winkend wieder im Seitenaus der Bühne. MANTAR sprühen bei vollem Einsatz noch für den Rest des Titels Schweiß (und mutmaßlich Blut) in alle Richtungen und gehen unter gellendem Jubel ab. Der Adler ist gelandet, das Zelt zerstört, denn so geht „Death über alles!“.
Als OBSCURE INFINITY die Bühne betreten, verzieht sich genau rechtzeitig die Sonne hinter die Bühne. Nur eine halbe Stunde hat die Death Metal-Combo aus dem Westerwald Zeit, um ihre Oldschool-Qualitäten unter Beweis zu stellen. Deshalb geben sie direkt und kompromisslos Vollgas. Die routinierte Show wird nur für kurze Publikumsansprachen und Bierpausen unterbrochen. Lässt der Auftritt zunächst Höhepunkte vermissen, setzt mit „A Forlorn Wanderer“ ein so dynamischer und abwechslungsreicher Song ein, dass kein Zweifel mehr daran besteht, dass sich OBSCURE INFINITY zu Recht das Label „Old School Death Metal“ an den Patronengurt geheftet haben. Der brutale Sound kann sich zum Ende der Show immer besser entfalten und vor allem die zweistimmigen Gesangsparts wissen zu gefallen. Der Platz vor der Bühne ist durchgehend gut gefüllt. „Maniac Destroyer“ bildet einen gelungenen Abschluss eines rundum hörens- und sehenswerten Auftritts.
Die Metalcore-Institution BURY TOMORROW aus Southampton lässt eine amtliche Metalcore-Walze über das Publikum der T-Stage hereinbrechen. Dabei ist die Stimmung in der Crowd schon vor dem eigentlichen Gig bombastisch. Unter anderem äußert sich das in Huh-Rufen, wie man sie von den Fans derr isländischen Nationalmannschaft kennt. Die Briten entfesseln ein eingängiges und mitreißendes Metalcore-Feuerwerk mit stampfenden, pumpenden Rhythmen und poppigen Melodien. Zwischen flotteren Songs wie „Memories“, mit denen BURY TOMORROW ihr Set eröffnen, fährt die Band auch donnernde Mitdtempo-Songs wie „Lion Heart“ auf. Dabei müssen sie dem Publikum gar nichts beweisen, denn dieses frisst ihnen quasi von Anfang an aus der Hand. Und es dauert auch nicht lange, bis sich die obligatorischen Crowdsurfer über die Masse emporheben und in Richtung Bühne getragen werden – darunter auch einige Rollstuhlfahrer! Ein echter Circle Pit bildet sich jedoch erst nach Aufforderung durch Sänger Jason Cameron. Kurz vor Ende des Auftrittes konstatiert dieser: „This is the opening day of the festival. WHAT THE FUCK?“ und spielt dabei auf die überwältigend positive Resonanz der Crowd an, für die er sich im Anschluss an den Auftritt sogar noch die Zeit für Selfies mit den Fans nimmt – und dabei so manche Albernheit über sich ergehen lässt. Alles in allem ein gelungener Auftritt mit reichlich Action auf und vor der Bühne.
Was bei Konzertbeginn sofort auffiel: für eine noch recht junge Band hatten AEVERIUM überraschend viele Leute mobilisiert. Sobald die Band dann loslegte, wurde auch klar, wieso. Mit einer eingängigen Mischung aus verschiedenen Rock und Metal Genres, abgerundet durch einige Elektro-Elemente als Streusel obendrauf, hat die Truppe aus NRW ein smartes Konzept parat. Auch gesanglich gestalten sie ihr Programm abwechslungsreich und bedienen damit die Fans ganz unterschiedlicher Richtungen. Neben dem im Gothic Metal gängigen Soprangesang von Sängerin Aeva erinnern Sänger Marcels Vocals, abwechselnd clean und Shouts, eher an Metalcore. Auch einige Breakdowns finden sich in den Songs, was den Eindruck noch verstärkt. Wie sehr sie das Publikum mitzureißen vermögen, stellten die fünf dann unter Beweis, als für einen mit Amanda Somerville aufgenommenen Song schlicht die betreffende Dame fehlte. Die Menge war jedenfalls sofort bereit, den entsprechenden Gesangspart zu übernehmen. Zum Abschluss folgten dann noch zwei Tour-Ankündigungen, einmal mit Kamelot und einmal mit Lord Of The Lost. Die Fans werden also auch weiterhin bedient.
Für die nächsten 45 Minuten steht das T in T-Stage für Thrash. Kaum entern die finnischen Youngster LOST SOCIETY die Bühne, bildet sich davor direkt ein amtlicher Moshpit. Auch die Crowd-Surfer lassen nicht lange auf sich warten und stürzen sich immer wieder aufs neue in Richtung Bühnengraben. Offensichtlich sind den Fans die überwiegend dem aktuellen Album „Braindead“ entstammenden Songs wohlbekannt, doch auch wer mit dem Material noch nicht vertraut ist, beginnt binnen kürzester Zeit seine Rübe zu schütteln und eifrig im Takt zu wippen. LOST SOCIETY gehen mit einer dermaßen großen Portion Herzblut zur Sache, dass selbst ein wenig innovationsverdächtiges Genre wie der traditionelle Old-School-Thrash plötzlich wieder frisch und unverbraucht wirkt. Kein Wunder also, dass sich gerade viele junge Menschen vor der Bühne wiederfinden. Da wird dann ausgerechnet das Drum-Solo zur kurzen Verschnaufpause, bei der das Publikum vorübergehend an Ort und Stelle stehenbleibt und „nur“ frenetisch mitklatscht.
Ein Blick auf die zahlreichen Festivalbesucher, die sich nach Sonnenuntergang vor der Camelstage versammeln, lässt vermuten, dass die Pariser NOVELISTS vor keiner leichten Aufgabe stehen würden: Das bunt gemischte Publikum steht dicht gedrängt und ist höchst ungeduldig. Florestan Durand gehört allerdings zu der Sorte von Sänger, die die Menge schon beim Betreten der Bühne für sich gewinnen. Immer wieder angespornt von seinen „Bounce! Bounce!“-Zwischenrufen tobt durchgängig ein wilder Moshpit vor der Stage. Besonders die harten Djent-Riffs gepaart mit aggressiven Screams heizen sowohl den Violent Dancern als auch den Headbangern ordentlich ein. Höhepunkt für die tanzwütige Meute ist sicherlich die Wall of Death am Ende des Auftritts. Treffen die harten Parts voll ins Schwarze, gehen die ruhigeren, clean gesungenen Songabschnitte oft leider etwas unter. Vielleicht fehlt es da noch etwas am Feinschliff. NOVELISTS‘ eingängige Mischung aus progressivem Metalcore und Djent stellt aber auch an diesem Abend unter Beweis, dass sie die Zuschauer nicht nur begeistern, sondern auch konstant zum Ausrasten bringen kann.
Bereits vor dem eigentlichen Intro stimmt das vom Band eingespielte „Longboats Are Coming“ auf eine Show voller Wikingerromantik ein. Wenn es das Wort „episch“ im deutschen Sprachschatz nicht gäbe, für GRAND MAGUS müsste es eigens erfunden werden. Die Band reiht eine mitsingtaugliche Mid-Tempo-Hymne an die nächste und sorgt im gesamten Zelt für ein Meer aus emporgereckten Fäusten und/oder Pommesgabeln. Beste Voraussetzungen also für maritime Hits wie „Sword Of The Ocean“ oder „Like The Oar Strikes The Water“. Doch neben Segeln und Reiten („On Hooves Of Gold“) gehört natürlich auch Kämpfen zum wikingischen Triathlon, heute unter anderem vertreten durch „Steel Versus Steel“ oder „Triumph And Power“. Die Schlachtgesänge leben von der charismatischen Stimme des Oberwikingers JB, der sich in den Refrains ebenso gut entspannt zurücklehnen und der Menge vor der Bühne das Feld überlassen könnte. So schallen die „Hammer Of The North“-Chöre noch lange durchs Zelt auch nachdem GRAND MAGUS dieses längst wieder verlassen haben.
Atmosphärisch dicht ziehen zu später Stunde DOWNFALL OF GAIA die Menge in ihren Bann. Die Post-Metal Crustcore-Kombo tritt ab 22 Uhr auf die Camel Stage und zerreißt mit zermürbender Geduld die Nacht. Weitschweifig-krachende Riffs treffen auf eine beachtliche Schar Neugieriger, die für die volle Spielzeit der deutsch-amerikanischen Formation vor der Bühne ausharrt und den mal brachialen, mal mystischen Klängen lauscht. Hinter der Bühne riecht es indes würzig nach Räucherstäbchen und vorne crowdsurft allen Ernstes eine Mülltonne über die Köpfe des Publikums. Wir sind eben immer noch auf einem Festival. DOWNFALL OF GAIA zeigen eindrucksvoll, dass auch nach Einbruch der Dunkelheit und vor einer partyhungrigen Horde anspruchsvolle Musik funktionieren kann und lassen mit ihrer basslastigen Mischung aus Doom-, Death- und Black-Elementen das Knochemark vibrieren. Ein lang gezogener Ton läutet den letzten Song ein, ehe noch einmal in die akustische Finsternis abgetaucht werden darf. DOWNFALL OF GAIA ziehen zu enthusiastischem Applaus von der Bühne und hinterlassen ein zufriedenes Publikum.
Nachdem die fränkische Frohnatur vor ein paar Jahren schon einmal auf dem Festival zu Gast war (damals auf der Camel Stage) und er es mittlerweile ja auch im Fernsehen zu einer gewissen Prominenz gebracht hat, ist es nicht verwunderlich dass das Zirkuszelt schon lange vor Showtime „dicht“ ist und niemand mehr eingelassen wird. Und anhand der vielen verschiedenen Bembers-Fangesänge wird auch deutlich, dass sich das Volk hier nicht zufällig eingefunden hat. Ob nun „Geh mer halt zum Bembers“ („Vamos a la Playa“) oder „Dieser Bembers ist klasse“ („Seven Nation Army“) – der Mob tobt bevor der Meister auch nur einen Fuß auf die Bühne setzt. Als BEMBERS in seinem „Sommerkleidchen“ (einer Tunika im Jesus-Stil) dann pünktlich auf die Bühne schreitet, gibt es vollends kein Halten mehr, was folgt ist ein 45minütiger Triumphzug bei dem man ob der frenetischen Reaktionen ab und an den Protagonist kaum hört. Der hangelt sich von einem Knüller zum nächsten, räsoniert über staatlich beauftragte Temperaturfühler, missglückte Architektur in Osnabrück, das Zuckerfest und den Europakongress der Zeugen Jehovas in Dortmund, Multikulti in der Nürnberger Südstadt („Salafisten vs. Salat fisten“) und, und, und… Grandiose Show und BEMBERS geht nach der Show dann sogar noch mit seinem Handy auf die Bühne um die eskalierenden Massen zu dokumentieren.
Die Publikumsmenge im Zelt erreichte ihren bisherigen Höhepunkt, als die Hardcore-Legende AGNOSTIC FRONT zum Dienst antrat. Das Licht ging aus und Jubelstürme brachen los. Zur Titelmusik von „Zwei Glorreiche Halunken“ betrat Gitarrist Vinnie Stigma die Bühne. Auf seine Frage „Are you ready?“ reagierten die Fans mit frenetischem Gebrüll. Zum Einstieg gab es dann auch direkt den Klassiker „Eliminator“. Frontmann Roger Mirets Aufforderung zum Circle Pit folgte die Meute innerhalb weniger Sekunden. Beim anschließenden „Dead To Me“ sprang das gesamte Publikum bis der Boden bebte. Vinnie Stigma fegte derweil wie ein Derwisch über die Bühne und stand nicht eine Sekunde still. In Sachen Bühnenpräsenz macht ihm so schnell niemand was vor. „Peace“ wurde mit Gastsänger Freddy Cricien von Madball dargeboten. Gänsehaut gab es bei „For My Family“. Hier zeigten sich die Fans absolut textsicher. Getoppt wurde das nur noch beim Überhit „Gotta Go“, der das letzte Viertel des Auftritts einläutete. Überpünktlich beendeten AGNOSTIC FRONT ihre energiegeladene Show mit dem RAMONES-Cover „Blitzkrieg Bop“.
And now, for something completely different… Nach fränkischer Comedy gings nach kurzem Wechsel mit den New Yorkern TRAGEDY weiter. Jede Menge Pailletten und Fransen, Plateauschuhe, bunte Tücher, ordentlich mit Schminke betonte Augenpartien und sogar eine durchsichtige Flying-V-Gitarre wurden aufgefahren um den Sound der Band ins rechte Licht zu rücken. Die Amerikaner widmen sich dem Covern von Hits von u.a. den BeeGees und das machen sie wirklich außerordentlich gut. Je weiter sie in ihrem Set fortschreiten umso voller wird auch das Zelt – und umso freudiger interagiert das Publikum mit der Band. Und die hängt sich auf der Bühne mächtig rein, teilweise geht das schon in Richtung Schauspiel, wenn die Herren mit ihrem Tänzer/Sklaven Lance im Matrosenkostüm herumalbern. Die Toto-Bearbeitung von „Africa“ ist nicht ganz so gelungen, dafür schieben sie später eine grandiose Neil vs. Kig Diamond-Version von „Sweet Caroline“ nach. Direkt danach spielen sie dann Slayers „Reign in Blood“ an, das gekonnt in „Reigning Men“ der Weather Girls übergeht. Am Ende ihrer Show dürfen dann Leute aus dem Publikum mit der Band Karaoke singen, was richtig gut ankommt und später ohne die Band weitergeführt wird. Ha, ha, ha, ha… Stayin’ Alive!
Dass KETZER sich kein bisschen um Genre-Konventionen scheren, haben sie bereits mit dem aktuellen Album „Starless“ bewiesen. Auf der Bühne präsentiert sich die Band auch optisch jenseits von Metal-Klischees der Marke „Nieten und Leder“ – außer dem Drummer trugen z.B. alle Mucker Cowboystiefel. Aber das hielt die angehenden H&M-Posterboys nicht davon ab, ein brachiales Black-Thrash-Inferno zu entfachen. Band-Klassiker wie „Satan’s Boundaries Unchained“ oder „Endzeit Metropolis“ gaben den zahlreiche erschienenen KETZER-Fans die volle Metalbreitseite. Doch auch Stücke neueren Datums wie das schleppende „When Milk Runs Dry“ und das eingängige „Godface“ wurden euphorisch mitgegrölt. Ansagen gab es nahezu keine. Stattdessen dienten atmosphärische Samples als Überleitung zwischen den Songs. Die Show war bis ins letzte Detail perfekt inszeniert, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. Bei einem Top Sound konnten KETZER mit einer Killer-Setlist von Anfang bis Ende tosenden Applaus für sich verbuchen.
Drei Jahre ist es bereits her, dass VADER die feiernden Massen vor der T-Stage zuletzt überrollt haben. Seitdem sind die Polen, trotz inzwischen 33-jähriger Bandgeschichte, keinesfalls alt oder gar müde geworden, sondern haben auch am heutigen Tag geplant, die Fläche vor der T-Stage ordentlich platt zu walzen. Das Zelt ist zu gut 2/3 gefüllt, vereinzelte „VADER!!!“-Sprechchöre werden angestimmt und von draußen drängen sich zahlreiche Festivalbesucher in den sprichwörtlichen Vorhof der Hölle. Das Licht geht aus, das Intro erklingt, die Menge brüllt…und VADER brüllen zurück! Die Polen haben eine Setlist zusammengestellt, die es ganz klar auf Zerstörung anlegt. Titel wie „Go To Hell“ und „Come And See My Sacrifice“, heizen die Menge an und die ersten Crowdsurfer werden den „Grabenschlampen“ geliefert. VADER verschwenden wenig Zeit mit Ansagen, sondern halten den hart arbeitenden Moshpit mit einem absoluten Drumgewitter und Riffhagel bei Laune. Der Schwerpunkt des Sets liegt mit Titeln wie „Triumph Of Death“ und „Carnal“ zwar klar bei aktuelleren Alben der Polen, doch auch Klassiker wie „Sothis“ oder „The Witcher“ haben VADER im Gepäck. Die späte Uhrzeit scheint vergessen und nach kurzem Verschwinden der Musiker hinter die Bühne setzen VADER zum brachialen Finale mit „Helleluyah“ an und ziehen anschließend episch zum gewohnten „Imperial March“ von der Bühne. Das helle Licht der Bühne kann sich kaum noch einen Weg durch das staubige Zelt bahnen, Mission also erneut erfüllt: verbrannte Erde vor der T-Stage!
Hamburger Bands erwischen am Mittwoch einen mehr als guten Tag. Erst der völlige Abriss von MANTAR auf der T-Stage, jetzt der amtliche Rausschmiss von FÄULNIS auf der Camel Stage. Zwar entfalten die Black Doom Punker aus der Hansestadt als letzte Band des Abends auf der kleinsten Bühne nicht die gleiche Wucht wie ihr Kollegen-Duo einige Stunden zuvor im Zelt, in Punkto Intensität und Selbstaufgabe steht das Quintett ihnen aber in nichts nach. Vor allem Fronter Seuche macht seinem Namen alle Ehre und kotz-schrei-würgt sich seine Hasstiraden mit Inbrunst raus. Dem Schreihals ist es zu verdanken, dass FÄULNIS‘ Deutschpunk-Wurzeln live viel stärker als auf Konserve zum Tragen kommen. Die Assel-Attitüde beherrscht den Großteil des Gigs und entfacht mehrfach einen Irokesen-Punk-Hüpfmob am Rande des Geschehens. Die restlichen Anwesenden, und davon gibt es zu solch später Stund noch mehrere Hundert, laben sich derweil größtenteils kopfnickend an den melodischen Black- und Blast-Parts, die FÄULNIS ebenfalls aus dem Effeff beherrschen. Auch wenn nicht mehr die ganz große Welle geht, ernten FÄULNIS beachtlichen und auch verdienten Zuspruch.
Lemmy, Lemmy, immer wieder Lemmy! Schon Minuten vor dem Auftritt der BÖMBERS machen Sprechchöre klar, welche Band dieses Jahr schmerzlich auf dem SUMMER BREEZE vermisst wird. Der plötzliche Tod von Ian Fraser „Lemmy“ Kilmister im Dezember 2015 beraubte die Rock- und Metal-Welt nicht nur einer ihrer größten Ikonen, sondern riss damit verbunden auch ein riesiges Loch in das diesjährige Headliner-Programm. Dem Ausfall von MOTÖRHEAD begegneten die Veranstalter jedoch mit einem smarten Move, indem kurzerhand die BÖMBERS als Tribute-Band verpflichtet wurden. Ein Lockruf, dem Mittwochnacht leider nicht viele folgen – bei der letzten Band auf der T-Stage war viel Luft im Rund. Vielleicht ist vielen auch nicht bewusst, wer genau da Lemmy um zwei Uhr nachts die Ehre erweist: hinter BÖMBERS verbirgt sich niemand geringerer als Olve Eikemo alias Abbath, der seinerseits selbst mit IMMORTAL Musikgeschichte geschrieben hat. Flankiert von Tore „Fast Tore“ Bratseth (ex-OLD FUNERAL) und Jan Terje „Party Animal“ Pedersen (ex-PUNISHMENT PARK) lässt Olve „Killminister“ Eikemo in dieser Nacht die Sau raus und wirbelt als möglichst originalgetreue Kopie Lemmys mit Cowboy-Hut und Rickenbacker Bass sichtlich vergnügt über die Bühne. Seine Reibeisenstimme kommt zwar nicht ganz an das Original heran, aber wer könnte das schon jemals von sich behaupten. Es gab und wird immer nur einen Lemmy geben und diese Tatsache bekräftigen die Fans lautstark, als BÖMBERS sich durch ein Best-Of-Set MOTÖRHEADs mit den unvermeidlichen Hits zocken. Die wenigen, die vor Ort sind, bleiben bis zum Schluss und feiern das Vermächtnis einer der größten Rock-Ikonen ab, bis dann erst mal der Vorhang auf der T-Stage fällt.