Um die Lethargie des gestrigen Dauerregens in den Schwung des heutigen letzten Tages umzuwandeln, ist die Mucke von CRISIX ideal. Entsprechend viele Bewegungslustige versammeln sich vor der T-Stage und reiten die Thrash Metal-Welle aus flotten Riffs und Licks. Die Stimmung steigt so sehr, dass wir eine frühe Wall of Schlamm, pardon Death, erleben.
Das Infield ist ebenso lebhaft, denn INFECTED RAIN reißen eine fantastische Show ab. Nur gut, dass die Leute die Aufforderung zum Stagediven von Fronterin Elena „Lena Scissorhands“ Cataraga richtig verstehen und AUF der Crowd zur Bühne surfen, statt auf ebendiese zu klettern und einen Sprung IN die Crowd zu wagen – kann man schnell verwechseln.
Die Mädels und Jungs von metal.de gründen zwischendurch wieder neue Bands und beweisen sich bei „Halsanus“ besonders kreativ. Nach dem Hören muss man aber zum Hals-Nasen-Anus-Arzt, heißt es. Wir fragen jetzt mal nicht nach Details. Mit „Cannibaltina Band“ kommt auch aus dem Besucherkreis ein super Vorschlag – growlt denselben Song nochmal!
Rockmusik für Kinder: Das SUMMER BREEZE beweist sich immer wieder als gelungene Gitarrenmusikbrücke zwischen Groß und Klein. Dass entsprechende Bands gerade auf der am wenigsten kindgerecht benannten Bühne spielen, wirkt allerdings irritierend. Trotzdem stehen am frühen Nachmittag RANDALE auf der Ficken Stage und präsentieren ihre rockige Musikerziehung. Frühkindliche Prägung – so wichtig!
Ich schlendere jetzt gemütlich zu ANALEPSY, weil sich das einfach so gehört. Und frage mich, wann endlich AYRAN MAIDEN spielen. (André Gabriel)
Dinkelsbühl, 14:10 Uhr, die Frisur sitzt nicht mehr so ganz. Der Blick zum Himmel verspricht aber eine Regenpause. Also wechsele ich vor dem nächsten Auftritt das klatschnasse T-Shirt gegen mein letztes trockenes. Das sollte sich als Fehler herausstellen. Als nämlich ANALEPSY die T-Stage entern, verfinstert sich der Himmel erneut und öffnet sämtliche Schleusen. Aus dem zunächst harmlos wirkenden Feinniesel entwickelt sich schnell der finale Regenschauer des Todes.
Die Portugiesen tun ihrerseits alles in ihrer Macht stehende, um dagegen anzuspielen: Brutal Death Metal soll ja sogar gegen Wespenstiche, Magenverstimmungen und Plattfüße helfen, warum nicht auch gegen ein Schäuerchen? Alles vergebens. Fast schon entschuldigend animiert Frontmann Calin Paraschiv die Fans zu einem Circle Pit, den diese mit vorsichtigen Trippelschritten ausführen. Die Wiese vor der T-Stage hat sich halt im Dauerregen zu einer rutschigen Schlammfläche verwandelt, die selbst dem nüchternsten Fan Bewegungen entlockt, als hätte er seit einer Woche die Bierflatrate gebucht.
Wer festen Boden unter seinen Füßen sucht, ist vor der Main Stage besser aufgehoben: Auf den gepflasterten Bereichen versinkt man jedenfalls nicht direkt bis zu den Knöcheln im Lehm. Außerdem verbreiten dort die Speedfolker FIDDLER’S GREEN jede Menge gute Laune. Nicht zuletzt die Aussicht auf ein Trinklied hellt die eine oder andere Miene in den Gesichtern der Fans auf. Und vielleicht auch den Himmel, wer kann das schon mit Gewissheit sagen?
Andererseits: Wer sich anschließend für den Auftritt von DARK FUNERAL Sonnenschein und Partystimmung wünscht, hat doch eindeutig den Beruf des Metalfans verfehlt. Die fünf Finsterschweden errichten mit ihren Teufelshymnen das Reich „Dunkelsbühl“ und lehren die „Secrets Of The Black Arts“. Da kann man noch so sehr durch das Wetter gepeinigt worden sein, aber das sollte wirklich jedem einleuchten… äh, sorry, falsches Wort: dämmern. (Eckart Maronde)
Was bitte war das denn? Hat sich Poseidon oder irgendein anderer Wassergott beim Niesen nicht die Hand vor den Mund gehalten? Das war keine Dusche, sondern ein Sturzbach, der das Gelände und viele Campground-Wege zur sportlichen Angelegenheit mit hohem Rutschrisiko verwandelt hat. Wer morgen keinen Muskelkater in den Beinen hat, war zu wenig unterwegs.
Immerhin brachten die vielen dunklen Regencapes mit Kapuzen etwas Black-Metal-Feeling aufs SUMMER BREEZE. Inzwischen wurden sie aber abgelegt, denn das Wetter hat sich erholt. Kurioserweise beim Gig von DARK FUNERAL – „Open the Gaaaaaates, Sataaaaan“, und schon kam die Sonne raus. „Open the Gaaaaaates, Sonneeeee!“
Wenn man die Menschen fragt, auf wen sie sich in diesem Jahr am meisten freuen, fällt auch der Name BLIND GUARDIAN sehr häufig. Logisch, denn Hansi Kürsch und Co feiern ihre BREEZE-Premiere – eigentlich unfassbar. Noch logischer, dass das Infield fast aus allen Nähten platzt – die Band konkurriert mit ELECTRIC CALLBOY um den bisherigen Zuschauerrekord und gewinnt das Rennen aus meiner Sicht um eine Gitarrenlänge. Einer „schaut“ sich den Auftritt sogar von einem Feld außerhalb des Festivalgeländes an.
Ich kann nicht oft genug betonen, wie großartig es für die Bands ist, dass nahezu immer viele Leute vor den Bühnen stehen. So trübt auch das bestens besuchte Konzert von BLIND GUARDIAN die Nachbar-Shows nicht – nebenan genießen richtige viele Death Metal-Maniacs den großartigen Gig von LIK.
Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Das nächste Main-Stage-Highlight ist beim BREEZE schon bekannter: HEAVEN SHALL BURN. Statt einem Intro wollen die Thüringer als Hommage an ihre Bühnenvorgänger noch mal „Valhalla“ vom Publikum hören. Den späteren kurzen Soundaussetzer verbuchen wir als ganz besonderes Break, denn ansonsten liefern HSB ein echtes Schmankerl-Set zu richtig fettem Sound ab. Die positiven Stimmen der Anwesenden überschlagen sich!
AGRYPNIE haben parallel zu HSB einen denkbar ungünstigen Slot, würde man meinen. Aber ich sage es gern erneut: Beim SUMMER BREEZE hat jede Band ihre Base. (André Gabriel)
Mit unbeholfenen Schritten, die an eine Kuh auf einer Eisfläche erinnern, geht es zurück zur T-Stage. Einer Eingebung folgend versuchen wir auf der linken Seite der Bühne unser Glück, und siehe da: Hier ist die Grasnarbe noch intakt. Das trifft sich gut, denn zu den mechanischen Stakkatorhythmen von COMBICHRIST kann man gar nicht anders als gediegen eskalieren und abzappeln. Frontmann Andy LaPlegua gibt sich darüber hinaus sehr sportlich und legt Hüpfeinlagen ein, die selbst einen Armand Duplantis vor Neid erblassen lassen.
Dagegen wirken HYPOCRISY auf der Main Stage in ihren Bewegungen fast schon bedächtig. Aber ein Vergleich ist auch unfair: Schließlich stehen die vier Schweden seit jeher nicht für Leibesertüchtigung, sondern für eine gediegene Show mit einem ganzen Reigen an Hits. Der Old School Death Metaller in mir freut sich indes am meisten über „Impotent God“ vom Debüt „Penetralia“ – damit lässt sich das Bier mit einem noch fetteren Grinsen auf den Lippen schlürfen.
Zurück zur T-Stage: Dort warten die Sinsheimer CYPECORE mit futuristisch beleuchteten Outfits auf. Die Bandmitglieder sind zu Borg mutiert, Star Trek ist Wirklichkeit geworden. Mein Blick schweift über die beeindruckende Zuschauermenge, und mein Körper beginnt im Takt mitzuwippen. „Resistance is futile“, denke ich noch, als mich die Nacht verschluckt …
… und bei J.B.O. wieder ausspuckt. Die Band um Hannes G. Laber und Vito C. versucht sich in ausgelassener Fröhlichkeit und ruft den „Planet Pink“ aus. Sehnsüchtig denke ich an meine vorherige Begegnung mit den Borg zurück. Einerseits. Andererseits trinkt sich das aktuelle Bier immer am besten.
Also setze ich die rosarote Brille auf, und hey: Die fröhlichen Franken haben ja für jede Lebenslage den richtigen Song in petto. Wer würde bei „Ich will Spaß“ nicht zustimmen, und „Mach noch eins auf!“ versteht ja wohl jeder. Einzig „Ein guter Tag zum Sterben“ muss auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Schließlich spielen auf der T-Stage noch IGORRR, die mit ihrem in Musik gepressten Irrsinn einen würdigen Schlusspunkt unter das diesjährige SUMMER BREEZE Open Air setzen.
Und außerdem wollen wir nächstes Jahr wiederkommen. Bis dahin gilt: Respect the Neck, macht Metal-Yoga und lasst das Bier nicht schal werden. Und Aufessen nicht vergessen, dann kann auch mit dem Wetter nichts mehr schiefgehen.
Macht es gut, wir sehen uns 2023 wieder! (Eckart Maronde)
Das Modern Metal-Kommando aus Moldau geht mit zehnminütiger Verspätung an den Start auf der Main Stage. Die Menge ist also latent ungeduldig, verzeiht INFECTED RAIN aber bereits mit den ersten Töne alles. Die Sonne scheint, die Laune ist bestens und Lena Scissorhands lässt ihre orange-farbigen Dreads kreisen. “Black Gold”, “Fighter”… INFECTED RAIN geizen nicht mit Knallern und im matschigen Pit knallen die Menschen zur wohl ersten Wall of Death des Tages zusammen. Kurze Frage von Lena danach in die Runde, ob es auch allen gut geht? Ja, alles fein? Alle Knochen noch heile. Luft holen. Weiter geht es! Schließlich sind wir nicht zum Spaß hier. Der finale Tag des SUMMER BREEZE will entsprechend zelebriert werden. Es werden also kollektiv die letzten Kraftreserven aktiviert und nochmal ordentlich Gas gegeben – die extrovertierte Fronterin verließ sogar die Bühne und suchte den direkten Vollkontakt mit den ersten Reihen am Absperrgitter. Das Set der Moldauer hat auf jeden Fall massig Fleisch auf den Rippen, dass wir uns für den Tag schonmal gut angefüttert fühlen. (Jeanette Grönecke-Preuss)
Dass das langanhaltend schlechte Wetter gestern doch einige Opfer gefordert hat – unter anderem die Motivation so früh am Tag schon vor einer der Bühnen zu stehen – sieht man dann leider doch. Schade eigentlich, denn die Opener der einzelnen Bühnen verdienen viel mehr Publikum und Action, auch zu dieser frühen Stunde. Aber Moritz und Nina, beide schon Nahkampferfahrung im DEFOCUS-Pit, kämpfen sich durch 20 Zentimeter hohe Matschlöcher bis ganz nach vorn in die erste Reihe. Was sie da erleben? Vier unglaublich ambitionierte Musiker, die mit ihrer Mischung aus einprägsamen Riffs und Shouts gepaart mit sanften Clean Vocals alle Anwesenden zum Mitmachen bewegen. Die Grabenschlampen sind bereits nach der Hälfte des Sets ganz schön außer Puste, während DEFOCUS bis auf einen Song ihr komplettes Album „In The Eye Of Death We Are All The Same“ durchspielen. Beim letzten Stück bekommen sie sogar Unterstützung beim Cleangesang des Refrains. Weder Moritz noch ich wissen jedoch, wer da auf die Bühne kam, aber was Moritz danach mit einer Setlist in der Hand grinsend zum Auftritt von heute meint: Er ist begeistert – mindestens so wie die Band selbst, die ihre Anerkennung für’s Zuschauen und Unterstützen mehrfach bekundet und als Dank für die Mini-Wall of Death eine schiere Unmenge von Bandshirts in die anwesende Menge katapultiert. Oh und er sagt, es wäre ganz normal, dass bei jeder Show mindestens eine Saite reißt. Spricht doch irgendwie für sich, oder? (Tammy Deibler)
„Scheißwetter – fucking good music!“ Kurz und bündig schickt BRAINSTORM-Frontmann Andy B. Franck das Fazit zum Auftritt seiner Band direkt vorneweg. Schwer gebeutelt von heftigen Platzregenschauern ist das Publikum, welches tapfer die gesamte NEKROGOBLIN-Show hindurch in Erwartung der schwäbischen Power-Metaller ausgeharrt hat, merklich zusammengeschrumpft. Doch natürlich haben BRAINSTORM in Dinkelsbühl fast schon ein Heimspiel und daher eine beeindruckend große Fangemeinde vor Ort versammelt. Diese zelebrieren zu Klassikern wie „Worlds Are Comin‘ Through“ oder „Shiva’s Tears“ einen begeisterten Regentanz, müssen aber ausgerechnet auf den Mitsing-Dauerbrenner „All Those Words“ verzichten. Doch auch das oberkörperfreie Jungvolk, das ausgelassen durch den Schlamm tobt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele einen trockenen Unterstand den schwäbischen Power-Metallern vorgezogen haben. Umso größeren Respekt zollt Frontsympath Andy B. Frank der engagierten Menge, als er zum Abschied verkündet: „Wir sind BRAINSTORM und ihr seid wahnsinnig scheißegeil!“ Seid ihr wirklich, denn ohne euch wäre das SCHLAMMER BREEZE auch nur ein weiterer abgesoffener Festivalacker unter vielen. (Florian Schörg)
AVATARIUM sind das gelebte Understatement: Eine durch und durch fantastische Band, die um ihre Fähigkeiten aber kein Gewese macht, keine Maskerade benötigt, sondern einfach die Musik sprechen lässt. Und die hat es in sich: Wenn „Into The Fire/Into The Storm“ über das Infield schallt, weiß auch der letzte Zuschauer, dass bluesverstärkter Doom-Rock durchaus Hits hervorbringen kann. Hier und da gibt es ein SABBATH-Gedächtnisriff, dort ein atemberaubendes Gitarrensolo. Und im Mittelpunkt des Geschehens steht die bezaubernde Jenny-Ann Smith, heute in einen langen Umhang gehüllt, deren Gesang wieder einmal über alle Zweifel erhaben ist: Mit Akustikgitarre im Anschlag intoniert sie „Moonhorse“ so überirdisch schön, dass selbst gestandene Metaller zum Pferdenarren werden. Außerdem wirken ihre Ansagen so verspielt und unmetallisch, dass man sie einfach gernhaben muss: Würde sich das von ihr gesungene „Summer Breeze – such a great festival, such a great audience“ nicht als offizielle Festivalhymne anbieten? Keine Frage: AVATARIUM mögen beim diesjährigen SUMMER BREEZE nicht den Publikumsrekord gebrochen haben. Wer sich aber vor der T-Stage einfindet, ist restlos begeistert und verabschiedet die Schweden mit lautem Jubel in den Feierabend. (Eckart Maronde)
Obwohl sie eine lange Anreise hinter sich haben, strotzen LÜT vor Energie. Im Gegensatz dazu schaut die Menge vor der Wera Tool Stage am letzten Festivaltag eher müde aus der Wäsche. Dennoch scheint sich der triumphale Erstkontakt mit den Jungs aus Tromsø beim SUMMER BREEZE 2018 herumgesprochen zu haben, so dass sich eine ziemlich ansehnliche Menschentraube durch den Schlamm hierher gekämpft hat. Diese bekommen eine fette Salve an eingängigen Heavy-Rock-Brettern geboten, deren Energie und Spielfreude unmittelbar ansteckend wirkt und die müden Krieger noch einmal richtig munter macht. Wichtigster Aktivposten LÜTs ist ihr Sänger Markus Danielsen Danjord, dessen heiserer Kreischgesang der Band ein unverwechselbares akustisches Antlitz verleiht. Beim dritten Song hält ihn dann auch nichts mehr auf der Bühne und er klettert über die Absperrung hinab zu den Fans. Dort startet er von der ihn umgebenden Schlammsuhle unbeeindruckt einen Moshpit, ohne hierfür seinen Hauptjob zu vernachlässigen. Die kurzweilige Show ist gefühlt etwas weniger intensiv als der Auftritt im Jahr 2018 an gleicher Stelle. Womöglich hat heute der verspätungsbedingte Zeitdruck gefehlt, der für die Extraladung Adrenalin hätte sorgen können. Seinen Zweck als spätnachmittäglicher Weckruf für die schlammgeplagten Festivalbesucher erfüllt der Auftritt aber zweifellos. (Florian Schörg)
Heute feiern mit BLIND GUARDIAN echte Genre-Giganten ihr Debut auf dem SUMMER BREEZE. Unglaublich aber wahr, in 35 Jahren Bandgeschichte und 25 Jahren SUMMER BREEZE haben sie es nie zum BREEZE geschafft. Laut Sänger Hansi Kürsch wohl, weil ihnen immer glaubhaft versichert wurde, dass das Publikum auf dem SUMMER BREEZE keines für BLIND GUARDIAN ist. „Schade, da habt ihr was verpasst in den 25 Jahren, früher waren wir richtig gut!“ witzelt Hansi und ergänzt, dass sie es seit heute besser wissen und sie hoch und heilig versprechen, keine 25 Jahre mehr verstreichen zu lassen, bis sie wiederkommen. Die Menge feiert diese Ansage. Überhaupt ist die Stimmung schon vor Beginn der Show grandios. Den ersten Crowdsurfer sichte ich schon, bevor die Crew auf der Bühne mit dem Aufbau fertig ist, und es bleibt nicht bei dem einen bevor es erst mal richtig los geht. Schon beim Intro wird im Publikum applaudiert, und ab dem ersten Song „Into The Storm“ gibt es kein Halten mehr. Teilweise kann ich Hansi nicht mehr hören, weil um mich herum alle so laut und textsicher mitsingen. Den nächsten Knaller servieren uns die fünf Krefelder nach „Welcome To Dying“ mit der Ankündigung, dass sie das komplette Album „Somewhere Far Beyond“ wie auf der geplanten Jubiläumstour zum 30. Geburtstag des Albums am Stück spielen. Diese Ankündigung wird von den Zuschauern bejubelt, und schon geht es los. Wie Hansi Kürsch so schön sagt, heute muss er sich mit seinen Ansagen kurz fassen, damit sie ihr Pensum unterbringen, was er dann auch tut. BLIND GUARDIAN reizen ihre Spielzeit bis zur letzten Minute und darüber hinaus aus, um ihr Versprechen wahr zu machen und zusätzlich noch drei Zugaben zu spielen. Ein furioser Triumphzug endet mit „Valhalla“ und endlosen Chören in der Menge. (Sonja Schreyer)
Wir müssen erstmal über den Namen sprechen: Die Band heißt LIK, mit einem langgezogenen ‚i‘, und das ist das schwedische Wort für ‚Leiche‘. Außerdem kommt die Band aus Stockholm, spielt Death Metal und ist sehr, sehr gut. Das sehen auch die Anwesenden vor der Wera Tool Rebel Stage so, denn obwohl auf der Main Stage gerade BLIND GUARDIAN spielen – leer ist es hier keinesfalls, im Gegenteil. Also: LIK haben die Verzerrer bis zum Anschlag aufgedreht und variieren das Tempo immer so, dass man als Fan gepflegt mitnicken oder gleich ganz eskalieren kann. Die Ansagen von Frontmann Tomas Åkvik im schönsten IKEA-Werbungs-Deutsch („Ich hatte Deutsch in der Schule“) und immer mit diesem sympathischen schwedischen Singsang stehen im leichten Kontrast zum schrotigen Death Metal alter schwedischer Schule, mit dem sie die vom Regen geschundene Metallerseele massieren: Songs wie „Ghoul“, „Funeral Anthem“ oder „Corrosive Survival“ machen einfach Spaß und kommen beim Publikum an. Das dankt der Band mit ordentlich Bewegung vor der Bühne und lautem Jubel nicht nur zum Abschluss des Gigs.
„Viel Spaß bei IGNITE! Oh, und sag mir, wie sie waren! Ich hab‘ die noch nicht mit dem neuen Sänger gesehen.“ Nach einer nasskalten Steppvisite im Fotograben leider keine gute Aussichten: Als die Jungs aus Orange County auf die Bühne kommen, stehen keine drei Reihen Zuschauer im knöchelhohen Schlamm der vorderen Reihe und selbst nach dem Wellenbrecher sind die Westcoast-Hardcore geneigten Menschen wirklich sehr überschaubar. Aber das soll zum Glück nicht lange so bleiben und ist einzig und allein der Performance der Musiker zuzuschreiben. „It’s always summer where we are, bitch!“ Schon zwei Mal zierten IGNITEs Banner die Dinkelsbühlschen Bühnen, aber seit dem letzten Auftritt in 2014 gibt es nicht nur endlich ein neues Album, sondern auch eine neue Stimme am Mikro. Was können nun also die neuen Songs, die heute immerhin gut ein Drittel der Setlist ausmachen und was kann Neuzugang Eli Santana? Immerhin war Téglás‘ Stimme ein gutes Vierteljahrhundert Sound und Aushängeschild der doch politisch sehr bewussten Gruppe, die Erwartungen sind also hoch. Nun, wie soll man es anders beschreiben, als dass nach dem dritten Song „Poverty“ schon gute neun Reihen Menschen vor dem Wellenbrecher stehen und spätestens ab der Mitte des Sets so viel Publikum anwesend ist, dass man das Ende schon gar nicht mehr erkennen kann und die Circle Pits endlich richtig Fahrt aufnehmen? Man kann übrigens auch nicht genau sagen wer jetzt eigentlich mehr Spaß hat – die Zuschauer oder die fünf Flummis auf der Bühne. Während Kevin Kilkenny sich nämlich zwischen den Songs oft zu Wort meldet und alle zu Solidarität und Rebellion anstiftet, will Nik Hill wohl viel lieber mit dem Frontmann im hiesigen Pit mitmischen. Die vom Wetter beeinträchtigte lasche Stimmung zu Beginn wird dann schnell zur Party, überall wuselt es, man möchte Wände einreißen und Welten verändern und hat das Gefühl, dass man das gemeinsam mit IGNITE auch schaffen kann. Und IGNITE agieren mit- und untereinander, als wäre es noch nie anders gewesen. So viel Action, so viel Spaß und Kraft in den insgesamt 17 Songs (ja wirklich!)! Wir können nur hoffen, dass wir diese Band nun wieder öfter sehen dürfen. Mit Eli Stantana! Das passt! Chapeau! (Tammy Deibler)
Wenn es heute Abend eine „Übermacht“ gibt, dann die von HEAVEN SHALL BURN. Die Band aus Thüringen beendet beim SUMMER BREEZE ihren Festivalsommer, muss also nicht mit ihren Kräften haushalten. Der „Valhalla“ – Gesang schallt aus der Menge als Aufforderung, als Kampfansage. Diese wurde natürlich von niemand anderem als BLIND GUARDIAN – welche vorher die Mainstage bespielten – in die Münder des Publikums gelegt und so kommt Fronter Marcus „Molle“ Bischoff auch ohne Intro auf die Bühne und dirigiert die Meute zu ein paar weiteren „Valhalla“-Chören, bis die Jungs dann ihren ersten Song „My Heart and the Ocean“ in die Meute feuern. Ob „Protector“ oder „Black Tears“, Marcus Bischoff, der sich etwa nach der Hälfte des Konzerts von seinem roten Hemd trennt und mit nacktem Oberkörper dasteht, hat wie ein Marionettenspieler das Publikum in der Hand. Ein Dank geht natürlich von der Bühne aus in die vorderen Ränge, da sich dort entsprechend dem Anlass, ebenfalls rote Hemdenträger befinden. Auch ein Kommentar in Bezug auf den mittelfränkischen Dialekt darf nicht fehlen. „Ihr habt alle eine komische Aussprache“ wird da mit einem Lacher ins Mikro gesächselt. Wir geben HEAVEN SHALL BURN kollektiv ein bisschen recht und headbangen fröhlich weiter. Mit welcher Macht, die HEAVEN SHALL BURNer hier alles niedermähen ist erstaunlich. Wie ein fettes Ausrufezeichen, dass das Ende der Festivals markiert. Nur das die Ausrufezeichen hier aus brachialen Riffgewitter und meterhohen Feuerfontönen bestehen. Die „HSB“- Rufe fliegen als Bestätigung zur Band zurück, kommen an und hinterlassen auch dort ein Grinsen im Gesicht.
Grinsen auch in der Menge bei den letzten Tönen, den letzten metallischen Donnerschlägen, die in die Magengrube zimmern. Ob der Typ, auf dessen Gemächt die Freundin beim Double-Crowdsurfen stand, noch grinsen kann? Man weiß es nicht. Mit Hinweis auf die, Anfang 2023 startende, gemeinsame Tour mit TRIVIUM, beenden HEAVEN SHALL BURN das Spektakel. Anders kann mans nicht sagen, nachdem bis auf die letzte Wunderkerze alles niedergekokelt wurde. (Jeanette Grönecke-Preuss)
Von Regen ist keine Spur mehr, der Himmel hat mittlerweile aufgeklärt, und somit herrschen beste Bedingungen für Aliens, um in Dinkelsbühl zu landen. Die kommen zu später Stunde in Form der (Melodic) Death Metal-Veteranen HYPOCRISY. Vielleicht. Die Schweden haben jedenfalls ein 70-minütiges Set vorbereitet, das vor Außerirdischen nur so wimmelt. Und Peter Tägtgren trägt heute einen knielangen Trenchcoat, mit dem er vor dem Backdrop im Design des aktuellen Albums „Worship“ aussieht wie der böse Imperator aus einem X-beliebigen Science-Fiction-Film aus den Achtzigern. Aber eigentlich geht es während des Sets sehr irdisch zu: Egal ob „Fire In The Sky“, „Adjusting The Sun“ oder „The Final Chapter“ – das sind einfach nur gute Melodic Death Metal-Songs, die erstaunlich viele Gitarrenharmonien auffahren und bei deren Rhythmen man als Zuschauer automatisch mitgeht. Das Quartett lässt es bisweilen aber auch krachen und zerlegt im Uptempo das Infield. Alle Freunde der ersten Stunde dürfen sich über den Opener des allerersten Albums freuen: Alleine der stumpfe Text von „Impotent God“ dürfte bei so manchem Zuschauer die Mundwinkel nach oben gezogen haben, und auch sonst löst der Song kollektives Mattenschwingen aus. Als nach 65 Minuten ein Funkspruch eingespielt wird, der mit den Worten „This is weird…“ endet, brandet noch einmal Jubel auf: Jawoll, HYPO haben auch ihren wohl größten Hit nicht vergessen, die Alien-Hymne „Roswell 47“. Und wer weiß, vielleicht sind sie ja doch gelandet und unter uns, hier mitten in Dinkelsbühl.
Wir schreiben 2022 und wieder einmal erscheinen uns die vier Reiter der Apokalypse aus der Zukunft, um uns auf ihre einstündige dystopische Reise mit in eine dunkle und grausame, kalte Welt mitzunehmen. Das Licht geht aus, das Intro beginnt und ich schaue nach links und rechts, während die ersten „CYPECORE“-Rufe ertönen. Die Matsch-Kuhle vor der T-Stage ist voll bis obenhin und es hat zum Glück zwar nicht erneut geregnet, aber alle sind noch nass und erschlagen vom Wetter und den Strapazen des Tages. Bis die vier leuchtenden Gestalten auf die Bühne kommen. Die Menge regt sich und drückt nach vorn. Erinnern wir uns an den Auftritt 2017 ist die heutige Version (leider?) etwas abgespeckt, fehlen doch die Pyros und vermummten Schreckensgestalten, die das Bild von damals abrundeten. Aufgerüstet haben die vier aber an anderer Stelle: Neues Bandmitglied an der Gitarre, neuer Song („Chosen Chaos“) und neue Stimme. Was? Neue Stimme?! Keine Panik, gleicher Mann am Mikro, aber das Stimmvolumen hat hörbar zugenommen: Da hat jemand die Zwangspause genutzt und beim ein oder anderen geschickt platzierten Pig Squeal zieht man unweigerlich, natürlich mitten im Circle Pit, eine anerkennend zuckende Augenbraue hoch. Was das Set betrifft, sind die letzten beiden Alben an diesem Abend gleichermaßen vertreten und egal ob nun bei „Where The World Makes Sense“, „My Confession“ oder „Identity“, selbst die hinterletzte Reihe des Publikums gröhlt laut und textsicher mit und die Wall of Death bei „Values of Death“ ist einfach Pflichtprogramm bei jedem einzelnen CYPECORE-Gig. Bleibt nur noch eine Frage offen: Vom SUMMER BREEZE-Band-Contest 2009 zur Wera Tool Stage 2017 hin zu zwei Mal T-Stage 2019 und 2022? Ja, das geht wirklich. Man muss nur daran arbeiten und CYPECORE werden, da sind wir uns wohl alle einig, von Mal zu Mal stärker. Der nächste Step wäre jetzt die Main Stage, aber dann bitte auch im Dunkeln – wir sehen uns! (Tammy Deibler)
Es ist soweit – die Verteidiger des WAHREN Blödsinns sind wieder da! Lange genug hat es gedauert, bis der pinke Irrsinn wieder Einzug in Dinkelsbühl halten durfte, doch endlich schallt er wieder über den Acker – und wie! Es geht gleich zünftig los mit „Pink – Dabadee“, und alle wissen, was die Stunde geschlagen hat. Eine Stunde lang kräftig Sport für die Lachmuskeln nämlich. Trotz der ungewohnt späten Stunde – J.B.O. haben ihren Nachmittags-Slot spontan eine Woche vor Festivalbeginn mit DARK FUNERAL getauscht, die wegen Flugplan-Problemen ihrer Airline sonst gar nicht hätten auftreten können – ist das Feld vor der Main Stage trotz Schlammsuhle bis zum dritten Wellenbrecher mit feierfreudigen Fans gefüllt. Es gibt auch gleich bei „Wer Lässt Die Sau Raus“ für „den Mann mit dem Hut in der ersten Reihe“ ein Gitarrensolo von Vito, und Hannes fordert die Fans auf, ihre innere Drecksau zu finden und in Form von Lärm raus zu lassen. Das SUMMER BREEZE-Publikum macht sozusagen die „Wall of Sau“. Beim Klassiker „Ein Guter Tag Zum Sterben“ benötigt Vito eigentlich nur noch seine Klampfe und ab und an mal einen einleitenden Summton, den Rest erledigen die Fans. Allerdings können J.B.O. auch ernste Töne anschlagen, und so verabschieden sie sich nach dem offiziellen letzten Song noch mit ein paar eindringlichen Sätzen zum Thema Krieg in Europa und mit der Zugabe „Keep On Rockin‘ In The Free World“. Besser kann man’s nicht machen. (Sonja Schreyer)
Der letzte macht das Licht aus… nach fünf seligen aber auch fordernden Tagen Festivalbetrieb bilden also IGORRR den krönenden Abschluss. Wer gedacht hatte, dass die Band nach den langen Festivaltagen und der späten Stunde vor lichten Reihen auftreten würde, wurde eines Besseren belehrt. Es war ordentlich was los und das Publikum war zudem sehr aktiv und lautstark dabei! Die wahrlich einzigartige Band IGORRR ist das Baby des französischen Musikers Gautier Serre. Der steht dann auch zentral auf einem Podest hinter seinem (DJ-)Equipment und schnappt sich in der Folge mehrmals eine Gitarre um den etatmäßigen Gitarristen auf der linken Bühnenseite zu unterstützen. Rechts neben Serre hat der Schlagzeuger seinen Platz eingenommen und ansonsten ist ein Sänger für die krasseren Gesangspassagen vor Ort, dessen Gesicht komplett schwarz grau geschminkt ist und dessen Arme auch schwarz eingefärbt wurden. Ab und an hat er zudem ein weites, schwarzes Tuch wie eine Art Mönchskutte überm Kopf und kommt sehr beeindruckend daher. Die fest zum Bandsound gehörenden weiblichen Vocals kommen heute leider nur vom Band, die Sängerin Aphrodite war wohl verhindert. Das tat dem spektakulären Mix aus Klassik, Breakcore, Death und Black Metal sowie diversen orientalischen und indischen Folkeinsprengseln aber keinen Abbruch. Durch die konsequent durchinszenierte Show, die mit dem ungewöhnlichen Aufbau und dem perfekt eingesetzten Licht sowie den leidenschaftlich agierenden Akteuren in ganz andere Sphären vorstößt, bekommt ein ganz besonderes Festival seinen verdienten Abschluss. Mit „Himalaya“ beendet die Band einen triumphalen Auftritt, bevor sich Serre dann mit seiner Solozugabe „Very Noise“ den verdienten Sonderapplaus abholt. Fun fact: ab dem dritten Song, also so schnell er es eben nach seiner eigenen Show geschafft hat, Stand der JBO-Sänger am Bühnenrand und verfolgte gebannt die Show. (Tom)