War das Festival in der vorigen Nacht dank ALCEST und HARAKIRI FOR THE SKY noch stimmungsvoll und melancholisch ausgeklungen, gab es an diesem Festivalsamstag morgens das komplette Kontrastprogramm in Form des PARASITE INC.-Gigs auf der Main Stage. Das Battlefield war bereits mehr als ordentlich gefüllt. Und mit dem ersten Ton melodischen Death Metals, den die Aalener durch die Anlage pressten, waren etwaige Themen wie Schlafdefizit, Kater und Müßiggang wie weggeblasen. Beginnend mit dem Intro „Countershock“ und dem folgenden „Once And For All“ wurden sofort sämtliche Nacken im Publikum beansprucht. Eine regelrechte Party feierte das Publikum, das nicht nur die älteren Stücke, sondern auch schon die neueren Tracks vom just erschienenen Album „Dead And Alive“ euphorisch in Empfang nahm. Und dessen Titeltrack boten PARASITE INC. schließlich mit freundlicher Unterstützung von Johnny Stecker von Soulbound, der die Clean Vocals des Songs übernahm. Dank diverser morgentlicher Circle Pits oder einfach nur begeistertem Headbangen war das Thema Frühsport auch gleich mit erledigt – quasi Win-Win-Situation.
Vor der Main Stage hatte sich vor allem das jüngere Publikum versammelt, als BETRAYING THE MARTYRS ihr mittägliches Set begannen. Die Franzosen waren wohl die Fittesten unter den Anwesenden, doch sie heizten dem noch müden SUMMER BREEZE-Publikum gleich richtig ein. Ihren Aufrufen zum Springen wurde bereitwillig Folge geleistet. Als Animateure beim Frühsport haben sie sich also schon mal bewährt. Musikalisch lieferten sie aber ebenfalls ab. Perfekt aufeinander abgestimmt wechselten sich die beiden Sänger Aaron Matts und Victor Guillet mit ihren roughen beziehungsweise cleanen Vocals ab. Letzterer schwang dabei noch mit Leichtigkeit eines seiner Keyboards umher. Ferner führten BETRAYING THE MARTYRS die Zuschauer immer wieder in die Tiefen ihrer Breakdowns. Zu „Unregistered“ rief die Band zu einer Wall of Death auf, die sich – gerade für die frühe Stunde – wirklich sehen lassen konnte! Zum Abschluss wurde dann noch schnell der Metal-Nachwuchs rekrutiert, denn eine Kindergruppe, die im Rahmen einer Festivalführung durch den Bühnengraben marschierte, sah doch sehr interessiert an dem aus, was die Band da zu bieten hatte.
High Noon, die Sonne knallte erbarmungsls auf die T-Stage und ebenso erbarmungslos starteten die drei US-Amerikaner ORIGIN in ihr Set. Als sie 2010 zum letzten Mal auf dem SUMMER BREEZE auftraten, war der heutige Fronter Jason Keyser noch gar nicht an Bord. Der Mann ist aber ein absoluter Entertainer und vor allem mit einem mächtigen Brüllorgan gesegnet; jedenfalls war nach seinem einleitenden „Are You Awake?“ wohl auch der letzte Rest Müdigkeit bei den Anwesenden wie weggeblasen. Für reihenweise am Boden zerschellende Kinnladen war Schlagzeuger John Longstreth verantwortlich. Die menschgewordene Nähmaschine saß tiefenentspannt hinter seinem Drumkit und spielte äußerlich fast gelangweilt wirkend und ohne mit der Wimper zu zucken übermenschliche Passagen – wow! Fans der Band wird es direkt mit dem Beginn aufgefallen sein, aber Jason Keyser informierte das versammelte Volk nach ein paar Songs „Links von mir ist es etwas leer… Wir sind vor einer Woche nach Europa geflogen und die Airline hat dabei nicht nur unser Gepäck, sondern auch unseren Bassisten verloren!“ Nur mit einem Gitarristen und dem Überdrummer killte der technische Death Metal aber auch in der Triobesetzung mächtig – und für ein paar Songs holten sie sogar einen sehr engagierten Fan auf die Bühne, der sich hingebungsvoll um seinen „Luftbass“ kümmerte.
Die Reihen vor der Camel Stage waren eher licht gefüllt, als FRACTURED INSANITY zu einem grollenden Intro die Bühne betraten: Vielleicht lag es ja an der musikalischen ähnlich ausgerichteten Konkurrenz auf den anderen Bühnen (ORIGIN und CARNIFEX), die die Belgier den Kürzeren ziehen ließ. Dennoch: Der Vierer spielte seinen brutalen und technisch angehauchten Death Metal mit Leidenschaft und überzeugte schließlich auch die Anwesenden von seinen Fähigkeiten. Die Gitarren gingen leider im Gesamtsound etwas unter, was beim technischem Death Metal von FRACTURED INSANITY natürlich eher suboptimal war. Frontmann Stefan Van Bael war aber ein Aktivposten und feuerte während der immer wieder eingestreuten groovenden Passagen das Publikum an, die Pommesgabeln in die Höhe zu recken. Bei den flinken Abschnitten kreisten hingegen im Zuschauerraum -auch ganz ohne Anfeuerung – zahlreiche Matten. Somit kam jeder der Anwesenden auf seine Kosten und wurde gut unterhalten.
Nachdem die ähnlich gelagerten BETRAYING THE MARTYRS den Deathcore-Reigen auf der Main Stage eröffnet hatten, lag es nun an den deutlich härter ausgerichteten CARNIFEX, die während des Change Overs in freudiger Erwartung einfach stehen gebliebenen Fans endgültig zu plätten. Zunächst stand diesem Vorhaben ein viel zu leiser Sound im Weg, dem aber schnell Abhilfe und somit der richtige Rahmen für die brutal wuchtigen Songs geschaffen wurde. Zumindest fast, denn leider blieben die filigranen Leads von Klampfer Jordan Lockrey über die gesamte Zeit ihres Gigs kaum hörbar. Ob der blonde Hüne wohl deshalb merklich skeptisch ins Rund schaute? Musste er eigentlich gar nicht, die Fans fraßen CARNIFEX nämlich aus der Hand. Jeder Song entfachte einen Circle Pit, der sich gewaschen hatte und auch sonst schnellten die Hörner nach den Songs zu tausenden in die Höhe. Einen guten Anteil daran hatte neben der Leistung der Band aber auch Fronter Scott Lewis, der die Menge fortwährend zu mehr Action im Pit anstachelte. Zum Abschluss gab es mit „Lie To My Face“ noch einen absoluten Brecher aus den Anfangstagen der Band, der bewies, dass CARNIFEX nicht ohne Grund als Speerspitze ihres Genres gelten.
NAPOLEON brachten zu früher Stunde UK-Metalcore in bester Architects-Tradition auf die Bretter der T-Stage. Schnell vervielfachten sich die knapp 100 Interessierten vor der Bühne, sodass sich Wesley Thompson nach knapp der Hälfte des Sets erfreut über den unerwartet großen Andrang zeigen konnte. Trotz immer noch einigermaßen licht stehender Reihen wurde den Aufrufen nach einem Circle Pit unverzüglich Folge geleistet. Die mit zahlreichen Mitsing-Momenten und Breakdowns gespickten Songs des Quartetts kamen offensichtlich gut an. Gemäß der versammelten Bandshirts war vor allem die Schnittmenge zu Metalcore-Mitstreitern wie Parkway Drive und NORTHLANE groß. Als verkatert wollte sich auf Nachfrage von Thompson zwar niemand outen, dennoch war es zwischen einigen der Songs verdächtig ruhig. Sobald Gitarrist Sam Osborn, der als alleiniger Vertreter der Sechsaiter-Fraktion eindrucksvolle Arbeit zwischen Lead- und Rhythmus-Gitarre leistete, aber wieder riffte, waren alle Versammelten erneut bei der Sache. Am Ende überzeugten NAPOLEON mit einem kurzweiligen Auftritt, auf den zu Recht mit der Zeit mehr und mehr Metalheads aufmerksam wurden.
Dass sich ein Großteil der BANNKREIS-Belegschaft aus Musikern von Subway To Sally rekrutierte, war dem Sound des Septetts überdeutlich anzuhören. Die Band klang stark nach den Alben der Potsdamer gegen Ende der Neunziger (wie eben dem namensgebenden „Bannkreis“), wobei insbesondere der Gesang von Frontlady Johanna Krins dem gutlaunigen Folk Rock eine frische Prise Poppigkeit verlieh. Da die selbstbewusste junge Frau aufgrund einer angeborenen Netzhauterkrankung nahezu blind ist, konnte sie zwar die vielen begeisterten Gesichter im Publikum nicht sehen, der laute Jubel aus tausenden von Kehlen zauberte aber auch ihr ein ums andere Mal ein Lächeln aufs Gesicht. Da sage noch einer, der gemeine Metal-Fan würde nicht über eine romantische Ader verfügen oder sich dieser gar schämen! Mit dem „Totenbaum“ (einer famos eingedeutschten Version des von Jennifer Lawrence in der „Tribute von Panem“-Filmreihe gesungenen „The Hanging Tree“) und „Sweet Dreams“ umfasste die Setlist auch zwei Cover-Versionen, während „Doch ich weiß es“ ursprünglich als Kollaboration mit den schunkeligen Seebären Santiano entstand. Und weil sich BANNKREIS so zügig durch ihr Set gespielt hatten, blieb nach dem „Lebewohl“ und einer gemeinschaftlichen Verbeugung vor den Zuschauern noch Zeit für eine quasi-Zugabe in Form des Titelstücks ihres Debütalbums „Sakrament“.
Fast schon zu einer Tradition sind in den letzten Jahren die Auftritte von RANDALE geworden. Die Bielefelder Band begeistert besonders die ganz kleinen Zuhörer und so ist auch ihre diesjährige Show kostenlos für alle Kinder der Region – samt ihrer erwachsenen Begleiter und unabhängig vom Festivalbesuch. Und man sah auch wieder massig textsichere Erwachsene ohne Kinderbegleitung in der Menge! Der Platz vor der Bühne hatte sich dank mehrerer Hüpfburgen erneut verändert und auch der Name der Bühne wurde – aus Gründen – kindgerechter gestaltet – auch wenn am benachbarten Partyschnaps-Stand natürlich noch riesige entsprechende Banner prangten. Frontsympath Jochen Vahle hatte den proppenvollen Platz vor der Bühne schon nach den ersten Takten des eröffnenden „Randale Rock n Roll“ fest im Griff und in der Folge fraßen ihm alle willig aus der Hand – egal ob jung oder alt! Wechselseitige Mitsing-Spielchen gelangen ebenso mühelos wie beispielsweise die wohl längste Polonaise des Festivals bei „Omma Oppa“, die der Sänger höchstselbst mit seinem Motorradlenker-Mikrohalter anführte. Und mit „Commando Ampel“ und „Polizei“ gabs sogar zwei neue Lieder als Weltpremiere! Ein klarer Start-Ziel-Sieg für RANDALE!
Für THE SLEEPER war es heute ein besonderer Auftritt und dass nicht nur, weil es zum ersten Mal aufs SUMMER BREEZE ging. Bassistin Anja, die die letzten eineinhalb Jahre für den eigentlichen Tieftöner Erik einsprang, spielte heute nämlich ihre letzte Show mit den Jungs und übergab das Zepter, ähh, den Bass, publikumswirksam zur Mitte des Sets an Erik zurück. Als Quasi-Sextett machten die Leipziger auch ordentlichen Alarm mit ihrem melodischen Metalcore, der aufgrund seiner deutlichen technischen wie komplexen Schlagseite aber alles andere als weichgespült daherkam – cleane Vocals des zweiten Gitarristen in den melodischen Parts hin oder her. Allerdings hatte der massige Fronter trotz des ordentlichen Dampfs anfangs doch so seine Mühen, dem Publikum mehr als Szenenapplaus zu entlocken. Erst nach und nach ließen sich die vorderen Reihen zu mehr als einem Kopfnicken bewegen und sorgten dann aber schnell für eine imposante Staubwolke vor der Bühne. Ein mehr als überzeugender Auftritt von THE SLEEPER, der sie für ein zukünftiges Wiedersehen empfahl.
Wenn schon Viking Metal, dann muss er eigentlich so stampfend gespielt werden, wie bei und von EINHERJER: Die norwegischen Wikinger-Veteranen starteten ihr Set jedenfalls ohne Intro und Firlefanz mit einem grollenden Midtempo-Hattrick, der die Menge vor der T-Stage immer wieder dazu animierte, die Fäuste zu recken. Auf der Bühne waren vor allem Frontmann Frode Glesnes und Gitarrist Aksel Herløe die Aktivposten, die um keine Rockstarpose verlegen waren. Die Hinzunahme des jungen Leadgitarristen Ole Sønstabø tat wiederum dem Gesamtsound gut – so viel Finesse hatten die Songs in der Vergangenheit live nicht immer. Einzig das Mitsingspielchen bei „Alu Alu Laukar“ verpuffte ein wenig und wäre beim wesentlich hymnischeren „Far Far North“ besser aufgehoben gewesen. Machte aber nichts, denn auch so kam der Rausschmeißer – wie auch die restlichen Songs – beim Publikum gut an.
Erst Deep Purples „Highway Star“ und anschließend noch das Main Theme aus Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“. Das ausgiebige Intro versprach großes, als PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS die Bühne betraten. Der ehemalige Motörhead-Gitarrist und seine Jungs ließen sich auch nicht lange bitten, sondern legten mit „Big Mouth“ und „Welcome To Hell“ energiegeladen los. Danach folgten gleich zwei Motörhead-Songs, was die Stimmung im Publikum ordentlich zum Brodeln brachte. Doch nicht nur Material von Campbells ex-Band kam zum Zuge. Auch der Klassiker „Silver Machine“ von Lemmys erster Combo Hawkwind wurde als Tribut an alle verstorbenen Motörhead-Mitglieder gespielt. Damit der Auftritt überhaupt möglich war, mussten sich PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS allerdings den Bass von FRACTURED INSANITY ausleihen. Die British Airways hatten den bandeigenen Viersaiter nämlich leider verlegt. Sänger Neil Starr bat das Publikum darum, einmal den Mittelfinger Richtung Handykamera auszustrecken und „Fuck British Airways“ zu skandieren. Die Fans kamen dem gerne nach. Unangefochtener Höhepunkt der Show war selbstverständlich „Ace Of Spades“. Da konnte sich auch so mancher Security-Mann eine kleine Handyaufnahme nicht verkneifen.
Musikalisch sind SIBIIR aus Oslo irgendwo zwischen derbem Hardcore Punk und bestialisch-bösem Black Metal angesiedelt. Klingt nach Abriss? War es auch! Mit kompromissloser Brutalität hauten die norwegischen Senkrechtstarter direkt zu Beginn ihren fies-finsteren Nackenbrecher „Guillotines“ raus. Das Quintett sorgte mit seinem rabiaten Sound in der Nachmittagshitze für eine wahre Headbang-Orgie. Gnadenlose Nummern wie „Silence The Seagulls“ oder „The Spiral“ wurden vom Publikum frenetisch bejubelt und gleichzeitig mit diversen Mosh- und Circle Pits ausgiebig zelebriert. Die Norweger bedankten sich bei ihren Fans, indem sie einen noch unveröffentlichten Song präsentierten, der in Sachen Schonungslosigkeit ganz eindeutig an den Erstling der Jungs herankommt. Unablässig animierte Frontmann Jimmy Nymoen die Menge und war sich dabei auch nicht zu fein, sich selbst schmutzig zu machen. So sprang er mitten im Set von der Bühne, um gemeinsam mit den jubelnden Fans den angekündigten Abriss zu feiern. Wer bei SIBIIR nicht aus dem Häuschen war, der hat den Metal nie geliebt!
Ein bisschen Motörhead, ein bisschen Kyuss, viel Sabbath, Dosenbier und Attitüde ergeben in der Summe das Erfolgsrezept von ORANGE GOBLIN, die sich in diesem Jahr zum ersten Mal die Ehre auf dem SUMMER BREEZE gaben. Und schon nach wenigen Songs zeigte sich Sänger Ben Ward so angetan von den Gegebenheiten, dass er zwischen den Songs ins Schwärmen über die „perfect audience“ bei diesem „perfect heavy metal festival“ geriet. Trotz leichter technischer Probleme zu Beginn des Auftritts gingen die zahlreich versammelten Zuschauer von Anfang an mit, reckten die Fäuste und schüttelten die Mähnen. Mit „The Filthy And The Few“ beschwor Ward den Zusammenhalt der Metal-Szene, im übernächsten Song „They Come Back“ versammelten er alle Horror-Fans zu einer amtlichen „Wall of Death“. Man nahm es dem Mann augenblicklich ab, als er am Ende des Sets verkündete, dass er genau für Live-Momente wie diese seit 23 Jahren mit ORANGE GOBLIN Musik mache. Nach ihrem fulminanten Einstand dürfte man sie gerne in den kommenden Jahren wieder willkommen heißen.
Wer auf den derben Old School Hardcore-Sound abfährt, wie man ihn aus der New Yorker Szene kennt, der lag mit seiner Entscheidung, den Schweizern von INSANITY an der Ficken Party Stage einen Besuch abzustatten, genau richtig. Authentische Gangshouts und eingängige Singalongs machen nicht nur auf Platte mächtig Eindruck, sondern kamen auch live extrem gut an. Mit absoluten Brettern wie „With My Friends“, „Toss A Coin“ und „All I Need“ lieferten die fünf Schweizer den passenden Soundtrack für wilde Mosh Pits und jede Menge Spaß. Frontmann Tobias Küng sorgte mit seinen Ansagen zwischen den Songs für ordentlich gute Laune und erwies sich als exzellenter Entertainer, der mit seiner sympathischen Art die Menge begeistern konnte. Musikalisch setzte das Quartett voll auf melodiöse Riffs, treibende Rhythmik, gehaltvolle Texte und eine kräftige Portion Roughness. Dass diese überzeugende Mischung in der Summe auch schon das „Geheimrezept“ der Jungs ist, wurde angesichts der feiernden Menge, die auch nach dem grandiosen Finale „No Limit!“ noch ordentlich Stimmung machten, mehr als deutlich.
Vor den Bühnen versammelte sich nun ein bunter Haufen an Festivalbesuchern auf der Suche nach metgeschwängertem Spaß. Da konnten FEUERSCHWANZ mit ihren alkoholgetränkten Schunkelhymnen mühelos punkten und riefen nach dem „Ding Dong, die Hex‘ ist tot“-Intro zur „Hexenjagd“ auf. Obwohl ihre Texte immer hart an der Fremdscham-Grenze entlang manövrierten, boten die Songs doch allesamt mitsingtaugliches Hymnen-Potential und wurden dementsprechend gut vom Publikum aufgenommen. Dem Aufruf zum „Schubsetanz“ kamen die Fans bereitwillig nach, bevor im Titeltrack des aktuellen Albums ausgiebig dem „Methämmer“ gehuldigt wurde. Das neue Material wurde kaum weniger begeistert aufgenommen wie Klassiker vom Schlage eines „Metnotstand im Märchenland“. Das Grinsen blieb den Mannen und Miezen um Hauptmann Feuerschwanz, Johanna von der Vögelweide und Prinz Hodenherz daher auch über die gesamte einstündige Spielzeit hinweg in die Gesichter gemeißelt und verließ diese auch nicht, als sich ihnen auf die Aufforderung zum kollektiven T-Shirt-Propeller hin die entblößten Oberkörper ihrer Anhängerschaft neckisch entgegenreckten. Doch anstatt nun dem kollektiven Nudismus zu frönen, packten FEUERSCHWANZ am Ende ihres Gigs lieber die T-Shirt-Kanone aus und feuerten eine Handvoll neuer Kleidungsstücke in die Menge.
Brutal wurde es mit ACRANIUS auf der Camel Stage. Die Truppe aus Rostock schweifte schon fast in Grindcore-Gefilde ab und begeisterte daher vor allem diejenigen, die sich gerne die volle Breitseite geben. Vocals im Corpsegrinder-Stil und drumlastiges Gebolze animierten das Publikum zum Moshen, was vor der überdachten Bühne, die vom Regen am Vortag nicht sehr viel abbekommen hatte, direkt wieder zu Staubentwicklung führte. Nach einem Shoutout an NECROTTED spielten ACRANIUS „Kingmaker“ von ihrem Album „Reign Of Terror“. Synchron wurden hierzu auf und vor der Bühne die Mähnen geschwungen. Sänger Björn Frommberger gesellte sich wenig später zu den Zuschauern und gab den Fans in den ersten Reihen, die ihm schon zuvor die Lyrics entgegengeschrien hatten, noch mal einen extra Kick. Dass die Chemie zwischen Band und Besuchern stimmte, ließ sich allgemein an den Reaktionen beider Seiten ablesen. So dürften auch nach den nur 30 Minuten Spielzeit alle reichlich fertig gewesen sein.
Als Intro benutzten WOLFHEART einen brandneuen Song von ihrem Album „Constellation Of The Black Light“, das erst im September veröffentlicht wird. Es sollte nicht der einzige neue Titel bleiben, denn auch die aktuelle Single „Breakwater“ hatte es natürlich in das SUMMER BREEZE-Set geschafft. Die Truppe um Mastermind Tuomas Saukkonen erntete Jubelrufe, sobald sie nach und nach die Bühne betrat. Nach dem Intro legte die Band dann mit „Aeon Of Cold“ los, das den Zuschauern das erste von vielen stählernen Brettern vor den Kopf knallte. Unerschöpflich schien dabei die Nackenmuskulatur von Gitarrist Mika Lammassaari und Bassist Lauri Silvonen zu sein, denn das Windmilling der beiden beeindruckte auch den geübtesten Headbanger. Fronter Tuomas Saukkonen brüllte der Menge derweil die Texte entgegen, während er seiner maximal tief heruntergestimmten Gitarre Riffs in schier unmenschlicher Geschwindigkeit entlockte. WOLFHEART bewiesen aber auch aufs Neue ihr Talent, mitreißende Melodien mit brachialem Geknüppel zu verbinden. Vor allem bei den von Mika Lammassaari gespielten Soli blieb einem gerne mal der Mund offen stehen. WOLFHEART sind eben Musik fürs Herz und für den Nacken. Beides dürfte den SUMMER BREEZE-Besuchern nach diesem Auftritt auf angenehme Weise geschmerzt haben.
Manch einer dachte sehnsüchtig an den Regenschauer vom Vortag als der Planet kurz vor der Show von A SECRET REVEALED gnadenlos vom Himmel stach, aber dafür waren die wenigen Plätze im Schatten direkt vor der Bühne auch umso begehrter. Aber schon kurz nach dem Beginn des Auftritts der Band verschwendete niemand mehr einen Gedanken ans Wetter – man wäre wohl auch im dunklen Club ruckzuck ins Schwitzen gekommen! Und geschwitzt hat wohl auch die Band, die allesamt in langen Hosen und schwarzem Textil ans Werk gingen – einer der Gitarristen hatte sogar ein Longsleeve an! Er bereute seine Wahl aber offensichtlich und versuchte sich durch fast konstantes vehementes Headbangen wenigstens etwas Luft herbeizuwirbeln. Die eigentliche Überraschung der Show war weniger der immer voller werdende Platz oder die hingebungsvolle Performance der Band trotz unmenschlicher Temperaturen, sondern vielmehr dass ihr Post Core-Sound, der regelrecht nach einer Umsetzung bei Dunkelheit und mit entsprechenden Lichtakzenten schrie, auch wunderbar bei hellem Tageslicht funktionierte. Der Fronter beschränkte seine Ansagen zwischen den Songs – wohl auch wegen der knappen Spielzeit – aufs nötigste und konzentrierte sich auf eine beeindruckende und leidenschaftliche Darbietung. Die halbstündige Show hat wohl allen Anwesenden Lust auf eine komplette Show der Band gemacht!
Mit ihren Hillbilly-Outfits sahen KORPIKLAANI zwar genauso hinterwäldlerisch aus, wie es ihr Name vermuten ließ, musikalisch konnte der launige Folk Metal der Finnen jedoch auf ganzer Linie überzeugen. Ihr unverkennbarer Sound erwies sich einmal mehr als absolut einzigartig. Mit „Wooden Pints“ platzierte die Band ihren größten Hit direkt an erster Stelle in ihrem einstündigen Set und brachte die Stimmung damit augenblicklich zum Kochen. Dass ein Gutteil der Texte in finnischer Sprache gehalten war und Sänger Jonne Järvelä stets ein wenig heiser klang, spielte keine Rolle, die Menge schunkelte und tanzte von Anfang bis Ende begeistert mit. Erwartungsgemäß waren auch noch genügend Anhänger der unmittelbar vor ihnen aufgetretenen FEUERSCHWANZ übrig geblieben, die den finalen Trinklied-Doppelpack „Beer Beer“ und „Vodka“ ganz besonders zu schätzen wussten. So kannte die Begeisterung keine Grenzen, als die Band zum Abschied eine mehrfache La-Ola-Welle durch den Zuschauerraum branden ließ.
Als ONDT BLOD loslegten, war vor der der Bühne nicht sonderlich viel los. Könnte daran gelegen haben, dass WOLFHEART auf der T-STAGE gerade noch in den letzten Zügen lagen. An der Performance der Norweger lag es auf jeden Fall nicht. Die war nämlich vom Start weg verdammt energiegeladen. Frontmann Aslak Heika Hætta Bjørn sprang bereits beim ersten Song ins Publikum und moshte fleißig mit. Seine Bandkollegen schüttelten derweil ihre Schädel ordentlich durch. Musikalisch lieferten ONDT BLOD melodischen Hardcore ab, der nicht selten an A Day To Remember erinnerte. Hier und da überraschte die Band allerdings auch mit leicht schwarzmetallischen Riffs. Je länger ONDT BLOD spielten, desto voller wurde es dann auch vor der CAMEL STAGE. Das abwechslungsreiche Songmaterial fand beim SUMMER BREEZE-Publikum offensichtlich eine Menge Anklang. Am Ende machte die Band noch ein Erinnerungsfoto, während „Rhythm Of The Night“ aus den Boxen tönte. Humor haben ONDT BLOD also auch.
Nachdem A SECRET REVEALED eine Stunde vorher das Feld schon entsprechend bestellt hatten, hatten auch WATCH THEM FADE mehr oder weniger leichtes Spiel. Im April haben sie ihr letztes Album „Emptiness“ veröffentlicht, jede Menge Applaus im Blätterwald dafür eingeheimst und so begannen sie auch ihren Auftritt auf dem SUMMER BREEZE mit dem Titeltrack und Opener ihres aktuellen Longplayers. Ohne große Pause hängten sie direkt „Other Than That“ dran und hielten somit das Energielevel konstant. Fronter Christoph Aggou war der unbestrittene Mittelpunkt der Show und mit ihrem melodischen Metalcore hatten die Würzburger offensichtlich einen Nerv beim Publikum getroffen und entsprechend leichtes Spiel. Marc Görtz, der Produzent ihres Albums und außerdem Leadgitarrist bei CALIBAN, gab sich nur ein paar Stunden später auf der benachbarten T-Stage die Ehre. Und auf einer größeren Bühne, kann man sich auch WATCH THEM FADE nach dieser Show bestens vorstellen…
Direkt im Anschluss an WOLFHEART ging es auf der T-Stage mit den nächsten Finnen weiter. OMNIUM GATHERUM hatten auf dem SUMMER BREEZE ihren einzigen Festivalauftritt des Sommers. Da die gemeinsame Tour mit WOLFHEART erst im Herbst folgt, war dies die einzige Chance, sie davor noch live zu erleben. Als Intro verwendeten sie den Opening Track ihres Albums „The Burning Cold“, das erst Ende August erscheint. Es gab noch zwei weitere neue Songs auf die Ohren: „Refining Fire“ und „Gods Go First“ waren bereits von den entsprechenden Videos bekannt. So konnten die Fans auch schon im Vorfeld die Texte lernen und sie OMNIUM GATHERUM aus den ersten Reihen entgegensingen. Auch das Omni-Sign, zwei einander zugewandte Pommesgabeln, die das Bandlogo imitieren, saß schon bei einem Teil des Publikums. Der Rest wurde von Sänger Jukka Pelkonen informiert. Obwohl alle Bandmitglieder äußerst aktiv auf der Bühne sind, war er es, der den meisten Körpereinsatz zeigte. Er fegte permanent über die Bretter, kletterte gerne mal über einen Monitor oder ging am Bühnenrand auf die Knie. Den Rampensau-Award muss er sich aber mit Leadgitarrist Markus Vanhala teilen. Dieser zog mit seinen filigran gespielten, mitreißenden Soli immer wieder die Aufmerksamkeit aller auf sich.
Auf der Hauptbühne gab sich als nächstes eine waschechte Metal-Legende die Ehre. Seit über zwei Jahren ist Udo jetzt schon unter dem DIRKSCHNEIDER-Banner auf Tour. Gespielt werden da ausschließlich Songs seiner ex-Band Accept. Nach dem Ende der „Back To The Roots“-Konzertreise wird er das nie wieder machen. Da war es Ehrensache, dass er mit diesem Programm beim SUMMER BREEZE vorbeischaute. „Metal Heart“ war dann auch gleich ein Einstand nach Maß. Sein Set mit einem solchen Klassiker zu eröffnen, zeugt von großem Selbstbewusstsein. Die hohen Schreie saßen bei Udo immer noch gut. Derweil gab Gitarrist Andrey Smirnov den Wolf-Hoffmann-Ersatz und schlug sich dabei richtig gut. Von klassisch angehauchten Licks bis hin zu virtuosen Läufen, rief er die gesamte Bandbreite des Acceptschen Gitarrenspiels ab. Im Mittelteil von „Princess Of The Dawn“ macht er allerdings Platz für das Publikum, welches die ikonische Melodie lauthals vorsang. Auf DIRKSCHNEIDERs „Seid ihr noch gut drauf?“ gab es eine klar positive Antwort und schon ging es mit „Screaming For A Love Bite“ weiter. Obwohl die großen Accept-Hits im Vordergrund standen, streuten DIRKSCHNEIDER immer wieder coole Songs aus der zweiten Reihe ein. Auch einen kleinen Spaß ließ sich der Meister nicht nehmen. „Für den nächsten Song gehen wir zurück ins Jahr 1979. Ich weiß, da waren die meisten von euch noch flüssig. Aber ich hoffe, ihr kennt den trotzdem.“ Eine eher rhetorische Frage. Schließlich war das folgende „I’m A Rebel“ der erste große Szene-Hit für Udo und Accept. Danach verließen DIRKSCHNEIDER die Bühne, kamen den „Zugabe“-Forderungen aber schnell nach. „Heidi, Heido, Heida“ ließ Udo das Festival singen. Natürlich konnte es jetzt nur mit „Fast As A Shark“ auf die Kauleiste geben. „Balls To The Wall“ setzte danach einen eindrucksvollen Schlusspunkt unter eine tolle Show.
Holla, was war das denn für ein Abriss? JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE sorgten für einen gelungenen Abschluss auf der Ficken Party Stage und heizten der Meute ordentlich ein – mit ihren Deathgrind-Salven, die mal hyperschnell, mal stampfend langsam auf die feierwilligen Anwesenden niederprasselten. Sänger Christian Markwald sorgte zudem zwischen den neunzehn Songs immer wieder für die richtigen Aufforderungen: „Schweinepogo!“ – „Tanzen!“ – „Moshpit! Bewegt eure Ärsche!“ – „Da geht noch mehr – Circle Pit!“ Als er dann zum langsamsten Circle Pit des SUMMER BREEZE aufrief, war klar, dass der Auftritt ein Siegeszug werden würde. Sogar eine Zugabe durften JAKA spielen – und stellten die Jungs aus Krefeld vor spontane Probleme: „Wir suchen unseren Gitarristen – der ist backstage, um sich einen runterzuholen, weil es hier so geil war.“ Pause. „Das Gute ist: Er ist schon fertig!“ Sonst noch Fragen?
„We are ROLO TOMASSI from the UK. It is a pleasure to be here.“ Hach ja, die typisch britische Höflichkeit, von der jedoch im weiteren Verlauf des Auftrittes von ROLO TOMASSI nicht viel übrig bleiben sollte. Von wegen höflich anklopfen, von wegen Prog sei nicht sexy: ROLO TOMASSI bewiesen am frühen Samstagabend allein durch die dynamische Präsenz von Frontshouterin Eva Spence das Gegenteil. Elegant gekleidet und mit bestimmtem Hüftschwung zog sie als definitiver Hingucker des Lineups schnell die Blicke auf sich. Doch schon kurz danach entlud sich die angestaute Aggression und Spence brüllte wie vom Teufel besessen einfach alles nieder, was keine Miete zahlte. Dieser Auftritt verkam jedoch nicht zur Ein-Frau-Show, sondern stellte schnell die progressiven Qualitäten der Briten zur Schau. Krumme Rhythmen, ungelenke Hardcore-Ausbrüche und Breakdown-lastige Riffkaskaden bestimmten das Klangbild der Band, welche die Camel Stage noch einmal ordentlich erbeben ließ. Keyboarder James Spence stieg immer wieder ins Gebrüll mit ein und übernahm auch die Ansagen, die sich während der lärmenden Attacken ergaben. Praktisch, so ein Abrisskommando, da brauchte man fast die Crew zum Abbau der Stage nicht mehr zu bemühen.
Zugegeben, kleidungstechnisch sahen KADAVAR zwar eher nach Woodstock als nach SUMMER BREEZE aus, musikalisch konnte das Trio allerdings mit seinem packend-explosiven Mix aus Hard, Stoner und Psychedelic Rock überzeugen. Mit ihrem spacigen Opener „Creature Of The Demon“ starteten die Berliner ihr Feuerwerk aus dicken Riffs, groovigen Rhythmen und einer ordentlichen Portion Seventies-Nostalgie. Gekonnt spielten sich die Hauptstädter durch ihre vier Studioalben und brachten die Menge mit Hits wie „Doomsday Machine“, „Black Sun“ und „Forgotten Past“ zum Toben. Direkt vor der T-Stage stieg währenddessen eine kleine Staubwolke auf, immerhin lud der launige Rock-Sound eindeutig zum Tanzen ein. Zum bandeigenen Klassiker „All Our Thoughts“ tat sich schließlich sogar der ein oder andere Mosh Pit auf. Die drei Musiker konnten mit ihrer irren Bühnenpräsenz wohl tatsächlich jeden in ihren Bann ziehen und beendeten ihr beeindruckend starkes Set mit den beiden Krachern „Die Baby Die“ und „Come Back Life“. Man kann von KADAVAR halten, was man will, aber an diesem frühen Abend bewiesen sie einmal mehr, dass sie eine immense Bereicherung für die deutsche Rockszene und eine unglaublich tighte Liveband sind!
“Fuck PAPA ROACH!” – Eine elektronische Frauenstimme forderte alle Zuschauer diesen Slogan zu skandieren und dabei alle Mittelfinger zu heben. Als die Band wenig später die Bühne enterte sah sie also ein Meer von Mittelfingern und das Energielevel war vom Start weg ganz weit oben. Die bekannte vierköpfige Bandbesetzung wurde in der Livesituation noch durch einen weiteren Gitarristen ergänzt, der zudem bei vielen Songs Keyboard spielte und auch zwei Standtoms auf seinem Podest hatte, die er sehr effektiv einsetzte. PAPA ROACH hatten viel vor – für ihr SUMMER BREEZE-Debut hatten sie satte 18 Songs auf dem Zettel. Vereinzelt spickten sie ihr Set zusätzlich noch mit angespielten Covern wie “Lose Youself“ von Eminem oder Linkin Parks “In The End“. Apropos Linkin Park: Sänger Jacoby Shaddix aka. Coby Dick nutzte die Gunst der Stunde und erinnerte an den verstorbenen Linkin Park-Frontmann Chester Bennington. Seine ganz persönlichen Erfahrungen in Punkto Alkoholabhängigkeit und Depressionen machte er dabei ebenfalls publik. Die Menge zu seinen Füßen liebte ihn dafür nur umso mehr. Denn was gibt es schöneres als große Musiker, die sich ein hohes Maß an Menschlichkeit und vor allem Aufgeschlossenheit bewahren? Auch nach 25 Jahren Bandgeschichte bedankten sich PAPA ROACH für die rege Anteilnahme und die nicht zu überhörende Textsicherheit ihrer treuen Gefolgschaft und überhäuften ihre Fans vor, während und nach den Songs regelrecht mit lieben Worten. Wenn man den Worten von Shaddix glaubt, lebt er jeden seiner Auftritte als wäre es sein letzter und das stellte er auch bis zum Ende der Show eindrucksvoll unter Beweis. Die Crowd nahm dies auch ihrerseits sichtlich erfreut an – ein Meer aus dicht an dicht springenden Menschen tobte zum Abschluss vor der Stage – Minutenlang ertönten “Last Resort“-Rufe, bevor zur Krönung endlich der Song kam, den wirklich ausnahmslos alle kennen: Ein “Cut my life into pieces!“ – und es gab kein Halten mehr. Das Publikum schrie den Rest der Lines heraus und bot damit sicherlich auch der Band ein unvergessliches Erlebnis.
ORPHANED LAND legten mit „The Cave“, dem Opener ihres aktuellen Albums „Unsung Prophets & Dead Messiahs“, recht zackig los. Die Israelis haben sich längst zu einer absoluten Live-Macht entwickelt, die mühelos auch auf einer der größeren Bühnen hätte bestehen können. Folgerichtig fand sich eine gewaltige Zuschauermenge vor der Camel Stage ein, die sich von Frontmann Kobi Farhi ohne nennenswerten Widerstand zu eifrigem Mitklatschen und lauten „Nanana“-Chören bewegen ließ. Der Mann sah nicht nur aus wie Jesus (was noch dadurch unterstrichen wurde, dass er konsequent auf das Zeigen der „Pommesgabel“ verzichtete und lieber die geöffneten Handflächen oder die geballte Faust in die Höhe reckte), sondern verfügte zudem über ein gewaltiges Charisma. Man musste ihn und seine Band einfach lieben, die mit hymnenhaften Ohrwürmern wie „All Is One“, „Sapari“ oder „Norra El Norra“ in den vergangenen fünfzehn Jahren vermutlich mehr dafür getan hatte, Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlichen Religionen im Nahen Osten zusammen zu bringen, als alle Politiker dieser Welt zusammen.
Die deutsche Metalcore-Institution CALIBAN legte auf der T-Stage einen Blitzstart hin und sorgte sofort für Alarm auf und vor der Bühne: Das Publikum feierte jedenfalls sowohl den Opener „This Is War“ als auch sich selbst mit unheimlich viel Bewegung. Da geriet es zur Nebensache, dass Sänger und Rauschebart-Träger Andreas Dörner sich bei der ersten Ansage erst einmal verhaspelte. Schließlich waren es die Songs, die die perfekte Grundlage für die große Party der feierwütigen Meute bildeten – egal ob alte Stücke oder Tracks vom aktuellen Album „Elements“. Harte Beats und messerscharfe Riffs wurden untermalt durch flächige Synthiesamples, die Screams von Dörner kontrastiert durch Klargesang von Gitarrist Denis Schmidt. Eine Mischung, wie sie derzeit nur wenige Bands neben CALIBAN so gut hinbekommen. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis der Frontmann nach einer Wall of Death verlangte (und sie vom Publikum prompt bekam), Circle Pits initiierte und Crowdsurfer in Richtung der Grabensecurity losschickte. Besonders sick war ein Crowdsurfer-Duo unterwegs, bei dem einer der beiden wie auf einem Surfbrett auf dem Rücken seines Kumpels über die Menge glitt. Untermalt wurde das Metalcore-Spektakel durch eine effektvolle Lichtshow mit einem beleuchteten Backdrop im „Elements“-Design und Spots in den bestäubten Nachthimmel. Die Band ist bei allem Erfolg aber auch bescheiden geblieben, wie Dörner in einer seiner Ansagen zeigte: „So Leude, wer war denn bei PAPA ROACH? Und dann seid ihr zu uns gedackelt? – Meganice!“ Schön war denn auch nicht nur die durch lautes Mitsingen abgefeierte Coverversion von Rammsteins „Sonne“, sondern auch die beim abschließenden Song „Nothing“ durchgeführte Aktion, jedem Crowdsurfer beim Rauslaufen aus dem Bühnengraben ein T-Shirt mitzugeben. Stark!
Ins gedimmtem Rotlicht der Bühne knallte lautes Sirenengeheul und sofort war allen Anwesenden klar: Da kommt etwas Großes! Es folgte ein kurzes eingespieltes Medley aus “Wild Child“, “I Wanna Be Somebody“ und etlichen anderen Megahits, das mit einem finalen Knall dann den tatsächlichen Konzertbeginn von W.A.S.P. einläutete. Blackie Lawless ist natürlich über die Jahre nicht jünger geworden, wirkte aber sehr energiegeladen. Die Pony-Frisur saß wie in alten Zeiten. Mit weißen Cowboyboots, engen Jeans und Bandshirt der eigenen Combo knallte er mit gewohnt kratziger Stimme einen Schocker nach dem anderen in die Nacht. Der Rest der Gruppe lief stilecht in Lack und Leder auf. Sowohl die ältere als auch die jüngere Generation der auf dem SUMMER BREEZE versammelten Besucher wurde schlagartig zurück in die 80er katapultiert. Eine Zeit, in der Social Media und Smartphones nie eine Rolle gespielt hatten – und doch fanden sich natürlich diverse gezückte Handys, die den Auftritt filmten. Spätestens bei “Love Machine“ hatten W.A.S.P. ihr Publikum vollends in ihren Bann gezogen – mit “L.O.“ machte die Band den Anfang, übergab dann an die Menge, die nur zu gerne “V.E. – All I Need’s My Lovemachine“ ergänzte. Die Stimmung war ausgelassen und selbst die diversen Gitarrensoli taten dem keinen Abbruch, sondern fachten das Feuer eher noch an. W.A.S.P. setzten bis zum Ende ihrer Darbietung auf extreme Publikumsnähe – ein kurzes Dankeschön und ab dafür? Von wegen! Die Menge ließ sie so leicht nicht von Dannen ziehen. Nach minutenlangen “I Wanna Be Somebody“-Chören wurde das Flehen der Crowd tatsächlich erhört und die Kalifornier kamen zum Kettensägensound von “Chainsaw Charlie“ für eine Zugabe zurück auf die Bühne. Drei veritable Klassiker schüttelten die Haare aller Beteiligten noch einmal kräftig durch, ehe bei den Fans allmählich Heiserkeit Einzug hielt und glückliche Gesichter in Richtung Stage strahlten.
Es gehörte schon einiges dazu, die Luft in einem Zelt, das de facto nur aus Deckenplane bestand, durch Bewegungsfreude und reine Körperwärme zu erhitzen. Kein Problem jedoch für JINJER. Voller als zum Auftritt der Ukrainer hatte man den Vorplatz der Camel Stage an diesem Wochenende noch zu keinem Zeitpunkt erleben können. Und der djentige Modern Metal des Quartetts schlu vom Fleck weg mit beeindruckender Präzision und Gewalt ein. Über das technische Bassgefrickel hinweg beeindruckte vor allem Sängerin Tatiana Shmailyuk mit einer Gesangsleistung, die von tiefsten Growls über hasserfülltes Geschrei bis hin zu verdrehten Klargesangspassagen mühelos alle Disziplinen durchlief. Das Spektakel des in ein Lederkleid gewandeten Wirbelwinds unterfütterten die Bandkollegen mit einer maximal präzisen und nicht minder brutalen Performance. Die Bühnenenergie packt alsbald auch die hintersten Reihen und die Bühnenscheinwerfer tauchten Staub und verzerrte Gesichter in diabolisch rotes Licht. In einer Dreiviertelstunde lieferten JINJER am letzten Festivaltag einen der eindrucksvollsten Auftritte des SUMMER BREEZE 2018 ab.
Mit dem nahenden Abschluss des SUMMER BREEZE machte sich natürlich auch etwas Melancholie breit, immerhin hieß es am Ende des Abends wieder einmal Abschied nehmen. Doch bevor es so weit war, durften SÓLSTAFIR aus Reykjavik sich darum bemühen, den Festivalgängern etwas Trost zu spenden. Kaum jemand wäre dafür wohl besser geeignet gewesen, als das isländische Quartett, das mit seinem gefühlvollen, unvergleichbaren Post-Rock die Fans vor der T-Stage von Beginn an zu verzaubern wusste. Mit „Silfur-Refur“ stimmten die Isländer die erwartungsvolle Menge direkt auf die nächste Stunde ein. Die wunderschönen Melodien, das filigrane Songwriting und außergewöhnliche Bühnenpräsenz der vier Musiker sorgten für eine einzigartige Atmosphäre, die von finster dreinblickenden Death Metal-Veteranen bis hin zu aufgedrehten Power Metal-Enthusiasten wirklich jeden unmittelbar in den Bann zog. Das Meisterwerk „Ótta“ gehörte fraglos zu den Highlights des rundum gelungenen Sets, dem nahezu alle Fans still und andächtig lauschten. Lediglich für den tobenden Beifall, den ausnahmslos jeder Song erntete, erhob das Publikum seine Stimme. SÓLSTAFIR machten ihren bereits dritten Auftritt auf dem SUMMER BREEZE zu einer intimen, unvergesslichen Erfahrung für alle Anwesenden. Maßgeblichen Anteil daran hatte vor allem Frontmann Aðalbjörn Tryggvason, der mit seinen sympathischen Ansagen selbst die wenigen Skeptiker im Pit schnell auf seine Seite ziehen konnte. Höhepunkt des Abends war fraglos das grandiose Finale, bei dem die vier Post-Metaller ihren unerreichten Überhit „Goddess Of The Ages“ zum Besten gaben. Während seine Bandkollegen für die passende musikalische Untermalung sorgten, badetete Sänger Aðalbjörn in einem Meer aus Händen und bewies, dass SÓLSTAFIR, trotz ihres Rufes als wichtigste Metalband Islands, stets nah an den Fans geblieben sind. Diesen Abend wird wohl so schnell keiner vergessen und mit den Erinnerungen an eine exzellente Show lässt sich so manche Wartezeit auf das nächste SUMMER BREEZE bestens überbrücken.
Als BLOODBATH vor drei Jahren das erste und bisher einzige Mal das SUMMER BREEZE beehrt haben, traten sie noch auf der Pain Stage auf. Heute ist die kleinere der damaligen beiden Hauptbühnen Geschichte und auch bei BLOODBATH hat sich in der Zwischenzeit einiges getan. Per „Sodomizer“ Eriksson ist mittlerweile ausgestiegen, für ihn badet ab sofort Joakim Karlsson im Blut, seines Zeichens Gitarrist der schwedischen Black Metaller CRAFT, auch schon beim anstehenden, neuen Album „The Arrow Of Satan Is Drawn“ an Bord, heute aber noch nicht mit im Tross. Bis auf Nick Holmes bleiben BLOODBATH also eine rein schwedische Angelegenheit. Nicht verändert hat sich hingegen das Versprechen, bei einer BLOODBATH-Show Death Metal par excellence serviert zu bekommen. Als um zwanzig vor Zwölf die Lichter ausgingen und die Bühne in blutrotes Licht getaucht wurde, war das abermals der Auftakt zu einer wahren Demonstration düstersten Todesbleis. Im Vergleich zum Auftritt 2015 fanden nur zehn statt dreizehn Songs ihren Weg auf die Setlist und leider bot das Quintett auch keinen neuen Track des anstehenden Albums auf. Die die gesamte Diskographie umspannende Auswahl enthielt dennoch nur Hits, welche dreckig und absolut brutal in hämmerndem HM-2-Sound in die Nacht geballert wurden. Im mittlerweile klassischen Kunstblut-Corpsepaint und mit einem noch etwas kalkweißer als sonst geschminkten Nick Holmes zeigten BLOODBTAH den zu später Stunde doch noch zahlreich angetretenen Anwesenden, dass sie auf der Hauptbühne zu Recht so hoch im Billing standen: ein kurzer Wink mit der Hand und schon ging der Circle Pit bei „So You Die“ los. Ansonsten hieß es aber natürlich eher Mattenschwingen und Hörner in die Luft, immerhin sprechen wir ja hier von Old School Death Metal! Falls es BLOODBATH übrigens mit einer Karriere als regelmäßig aktive und nicht nur als All-Star-Band Ernst sein sollte (und danach sieht es momentan mehr und mehr aus): Das BLOODBATH-Merch war bereits am Donnerstag 2 Tage vor dem eigentlichen Auftritt ausverkauft. Und das mit Recht. Erneut ein imposant starker Auftritt!
Die Fahne des Black Metals durften am Samstag CARPATHIAN FOREST hochhalten – immerhin passend unter dem dunklen Nachthimmel und bei (verglichen mit der Gluthitze der Mittagsstunden) ‚eisigen‘ Temperaturen. Doch die nicht kleine Zuschauerschar war bei den morbiden Schwarzmetallsongs schon bald auf Betriebstemperatur: „Through Self-Mutilation“, „One With The Earth“ oder „Knokkelmann“ rocken einfach. Genauso wie „Likeim“, der erste Song, den Frontmann Nattefrost und seine neue Backingband im April veröffentlicht hatte. Die Songs hielten das Publikum also in Bewegung, die mit schriller Stimme vorgetragenen Ansagen von Nattefrost waren zumindest unterhaltsam: „Alles gut? SUMMER BREEZE! Alles gut?“ Eher kauzig war die Nummer, als der mit einem dicken umgedrehten Holzkreuz um den Hals über die Bühne tigernde Nattefrost eine Voodoo-Puppe hervorholte, sie herzte und den Turbonegro-Coversong „All My Friends Are Dead“ ankündigte. Ansonsten boten die fünf Norweger aber eine überzeugende Show, bei der weder grimmige Songs noch böse Maschinengewehr-Posen des Bassisten fehlten.
Eines der ungewöhnlicheren Highlights dieser Ausgabe des SUMMER BREEZE Festivals hatte die Ehre, als letzter Act auf der Hauptbühne noch einmal ordentlich Lärm zu machen. Und das mit Stil: CARPENTER BRUT, das Synthwave-Projekt des Franzosen Franck Hueso, hielten sich vor, nach und während ihres Auftrittes nicht mit Ansprachen auf und ließen stattdessen die Bilder sprechen, die auf dem Screen im Hintergrund zu sehen waren. Dabei handelte es sich um zum Teil groteske Splatter-Szenen mit Achtziger-Flair und mit jeder Menge nackter Haut, also praktisch ein Overkill an Gewalt und Brüsten. Sex Sells, Violence beim Metal ebenfalls, aber CARPENTER BRUT überzeugten eher mit ihrem metallischen Synthwave, der die Menge noch einmal gehörig zum Tanzen brachte und tatsächlich zu später Stunde noch einmal eine ganze Menge Leute vor die Hauptbühne lockte. Hinzu kam eine mehr als imposante Lightshow – das Gesamtpaket CARPENTER BRUT ließ sich eigentlich nur mit gehörigem Abstand zur Bühne erleben. Und mit dem Cover des Michael Sembello-Klassikers „Maniac“ verabschiedeten sich die drei Musiker, die dank in rot gehaltener Bühnenbeleuchtung nur als vage Silhouetten in Erscheinung traten, ebenso wortlos von der Bühne, wie sie erschienen sind – wahrhaftig ein pompöser, theatralischer und auch ungewöhnlicher Abschluss für das diesjährige Programm auf der Main Stage.
Weihrauch-Duft umwaberte die von zahlreichen Kerzenleuchtern illuminierte Camel Stage: Die King Diamond-Enthusiasten ATTIC hatten für ihre Show ein ganzes Arsenal an Requisiten mitgebracht, mit dem man eigentlich eine mittelgroße Kirche hätte füllen können. Nicht zuletzt die Kirchenbankeinfassungen schränkten den Aktionsradius der Westfalen aber ein wenig ein: Zwei mit Flying-V-Gitarren bewehrte Sechssaiter, ein Bassist sowie der Sänger mussten sich den knappen Platz teilen. Das machte aber nichts, denn bei ihren sorgsam komponierten Metal-Songs gingen die Jungs keine Kompromisse ein, und insbesondere der charismatische, ganz im Stile des Kings vorgetragene Gesang von Meister Cagliostro überzeugte. So war es kein Wunder, dass die Meute von Beginn an mitging und nicht zuletzt den Rausschmeißer „The Headless Horseman“ mit frenetischem Jubel bedachte.
Das SUMMER BREEZE Festival wurde in den letzten Jahren ja eher durch atmosphärischen Black Metal abgeschlossen. Vor zwei Jahren etwa überzeugten die mysteriösen Black Metaller Batoushka mit ihrer blasphemischen Andacht, während letztes Jahr Mgła noch einmal mit großem Schwarzwurzelkino das Festival beenden durften. Dieses Jahr übernahm diesen Job PERTURBATOR, der mit seinem Synthwave-Programm ein wenig aus der Reihe tanzte. Apropos „Tanzen“: Das taten die Zuschauer vor allem zu den extrem tanzbaren Rhythmen, die das für Live-Auftritte inzwischen zum Duo angewachsene Projekt aus Paris in das Infield vor der T-Stage entließ. Das hatte schon fast etwas von einem nächtlichen Rave, zu dem das Publikum fast ein bisschen wie in Trance die Arme schwang. Aufgrund von technischen Problemen betraten die Musiker die Bühne leicht verspätet, überzogen aber auch entsprechend, was in diesem Falle vollkommen in Ordnung ging. Ein ungewöhnlicher, aber sehr gelungener Festivalabschluss!