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- SUMMER BREEZE 2024
- Mittwoch 14.08.2024
- Donnerstag 15.08.2024
- Freitag 16.08.2024
- Samstag 17.08.2024
- More Than Music
Der fünfte Festivaltag zeigte sich schon frühmorgens von seiner besten Seite: Die Sonne lachte, das sah doch gut aus. Wir legten alle Gefühle hinsichtlich Müdigkeit, einen schweren Kopf und Kater kurz beiseite: Zeit, kurz in uns zu gehen und eine respektvolle Schweigeminute einzulegen für die Sprühnebelkanonen, die an den Bühnen für die nötige „Dusche zwischendurch“ sorgen. Beste Erfindung ever! Let it rain on me! Und so fühlten wir uns etwas weniger wie ein frisch durchgebratenes Schnitzel, während wir (wir bleiben kurz beim Thema „Essen“) dem Fronter der SAMURAI PIZZA CATS dabei zusahen, wie er in einem Pizzastücke-Kostüm über die Bühne spurtete.
Okay, da bekam man doch etwas Hunger. Pizza? Pommes? Oder Handbrot? Die Klassiker waren hier natürlich alle vertreten. Preislich merkte man aber auch auf dem Platz, dass die Gastropreise in den letzten Monaten deutlich angezogen haben. Nudeln im Käselaib zu einem Preis von saftigen 15,00 Euro. Megalecker aber eben auch eine amtliche Investition.
Der heiße Käse und die heißen Temperaturen ließen ein bisschen Freibadfeeling aufkommen. Okay, vielleicht lag es auch daran, dass wir erstaunlich viele aufblasbare Enten und Luftmatratzen im Moshpit auffanden. It’s Summer here at SUMMER BREEZE!!! Für das perfekte Bacardi-Gefühl sorgten die Cocktail-Stände im Infield, die natürlich extrem gut frequentiert wurden. Auf welcher Frequenz die Herrschaften in liegender Position VOR dem Getränkestand funkten, musste leider offen bleiben. Hoffentlich ging es allen noch gut, aber solange man mit halbgeöffneten Augen und wankend „Tequila“ rufen kann, sollten die Vitalfunktionen noch vorhanden sein.
Und es war von Vorteil, noch ein paar Reserven aufgespart zu haben, denn der Samstag bot noch einmal das volle Programm für jeden Geschmack: Hard Rock mit NESTOR und ECLIPSE, Folk-Rock mit SUBWAY TO SALLY oder schleifenden Death Metal mit ASPHYX. ORDEN OGAN und BURNING WITCHES wiederum hatten verschiedene Schattierungen von Heavy Metal im Gepäck, SPIRITBOX modernen Metal und die SAMURAI PIZZA CATS Metalcore Trance Crossover. Klar, oder?
Genauso klar war auch, wem an diesem letzten Festivaltag der Headlinerslot gebührte: HEAVEN SHALL BURN zerlegten mit ihrem Melodic Death Metal die Bühne, ließen das Infield erzittern und den Himmel brennen – jedenfalls sorgten zahlreiche Pyros neben der Musik auch optisch für eine eindrucksvolle Show.
Denkt doch an die Kinder! – Aber ja doch, denn das SUMMER BREEZE hat traditionell nicht nur ein Programm für jeden Musikgeschmack, sondern auch ein ganz großes Herz für die Kleinsten. Und so war am Samstag der Nachwuchs zu Besuch, der im Rahmen des Kinderferienprogramms einen Blick hinter die Kulissen werfen durfte. Ob das jetzt ein Gang durch die Artist Area war, wo sich die Stars auf ihren Auftritt vorbereiteten, oder die beeindruckende Technik und Logistik hinter den Bühnen. Nicht zuletzt der Auftritt von RANDALE auf dem namentlich entschärften Campsite Circus sorgte für leuchtende Kinderaugen – mit seinen kindgerechten Liedern und den fröhlichen Mitmachelementen.
Deutlich garstiger ging es auf den anderen Bühnen zu. Da lehrte allein schon der ein oder andere Bandname das Fürchten, wie bei INSANITY ALERT, BODYSNATCHER oder BRUTAL SPHINCTER – wobei wir uns immer noch fragen, inwiefern ein Schließmuskel, so die deutsche Bezeichnung für ’sphincter‘, brutal… äh, na, ihr wisst schon, was wir meinen. Auch Bands wie KORPIKLAANI, die in ihren Texten mittlerweile ‚fifty shades of booze‘ verewigt haben, richteten sich eindeutig an ein Ü16-Publikum. Ganz zu schweigen von einer Band wie CULT OF FIRE, die mit ihrem mitternächtlichen und farbenfrohen Black-Metal-Ritual ganz offensichtlich den einen oder anderen Zuschauer verstörten.
Wobei wir bei den offenen Fragen rund um das SUMMER BREEZE 2024 angelangt sind: Saßen die beiden CULT OF FIRE-Gitarristen wirklich das ganze Konzert über im Schneidersitz auf ihren Kobra-Thronen, oder verdeckten die Sitzkissen einfach nur geschickt die Beine? Wer machte auf der Bühne die meisten Kilometer (unser Favorit: Freddy Cricien von MADBALL), wer schaffte den höchsten Sprung? Was meint ihr?
Geklärt dürfte hingegen die Frage sein, ob ihr nächstes Jahr wieder mit dabei sein werdet – klar, oder? Die ersten Bandankündigungen wurden ja bereits am Festivalmittwoch auf der Hauptbühne enthüllt, aber abseits der Bands ist es doch sowieso die einmalige Atmosphäre, welche die Fans immer wieder aufs SUMMER BREEZE lockt. Insofern braucht es nicht vieler Worte: Es war schön mit euch, ihr wart schön, das Wetter auch – und wir sehen uns alle fröhlich und munter im nächsten Jahr wieder, bis es wieder über das Infield tönt: SUMMER BREEEEEEEEEZE!
Kirschblütenfest oder RISE OF THE NORTHSTAR? Die maskierten Metalcorer dekorierten mal eben ein blumiges Arrangement auf der Mainstage neben das Drumkit. Rechts und links noch zwei Beach-Flags um das Revier zu markieren und fertig war das häusliche Ambiente auf der Bühne. Konnte also nichts mehr schiefgehen. Die Franzosen legten direkt mit „The Anthem“ eine stramme Marschrichtung vor. Mit einem kurzen „Dankeschön“ in die Menge gerufen, blieb die Kommunikation zum Publikum hier heute eher zurückhaltender. Das Stage-Setup musste für sich alleine sprechen. RISE OF THE NORTHSTAR verpassten dadurch aber einige Momente, um mit dem Publikum eine Verbindung aufzubauen. Da wäre mehr Interaktion wünschenswert gewesen. Obwohl die Festivalbesucher bei Songs wie „Here Comes The Boom“ ordentlich in Wallung gebracht wurden, blieb der überspringende Funke irgendwie aus. Dennoch lieferten die Franzosen in den weißen Ganzkörper-Trikots hier heute eine solide Performance ab. Am Ende der Show kann man nickend, wie die Kirschblüten im Wind auf der Bühne, sagen, dass RISE OF THE NORTHSTAR beim SUMMER BREEZE aus der Show mehr herausholen hätten können. Das bleibt aber ein Jammern auf hohen Niveau, denn RISE OF THE NORTHSTAR können sich sicherlich für diverse durchgeschwitzte Shirts und Unterhosen der Metalcore-Fangemeinde verantwortlich zeigen.
Ähnlich wie die BLASMUSIK ILLENSCHWANG gehören die Bielefelder von RANDALE mittlerweile zum fixen Inventar des Festivals. Und ihre Auftritte waren ja schon immer enorm beliebt, doch es ist tatsächlich bis heute so, dass jedes Jahr wieder noch mehr Leute vor der Bühne stehen. Und zwar keinesfalls nur Eltern mit ihren Kids, sondern diverse kinderlose Erwachsene, die einfach Spaß an der unterhaltsamen Show haben. Der riesige Jack-In-The-Box-Horrorclown wurde für diesen Auftritt entsprechend durch eine riesige, coole, aufblasbare Mikey-Figur ersetzt. Mit dem Opener „Hände hoch, das ist ein Punküberfall“ gings los und Fronter Jochen konnte es selbst kaum glauben „Das werden jedes Jahr mehr hier vor der Bühne – vermehrt ihr euch heimlich?“ und da könnte er tatsächlich der Wahrheit auf der Spur sein, denn hier wird ganz stark in Sachen frühkindliche Prägung und Nachwuchsförderung gearbeitet. Wer weiß wie viele das erste Mal im kindlichen Alter vor RANDALE standen und mittlerweile längst vor der Main Stage feiern!? „Flummi“ brachte dann direkt alle zum Springen. Mit „Hartrockhase Harald“ servierte die Band früh schon einen Megahit, der entsprechend bejubelt wurde. Sehr überraschend fand sich dann ein relativ alter Track wie „Kleine dicke Hunde tanzen Samba“ im Set, aber da hatte die Band wohl eine Email vom einer Fangruppe vom Camping-Platz erreicht. Mit „TatüTata, die Feuerwehr ist da!“ zündete die Band die nächste Hitrakete und das Publikum war eh längst völlig begeistert dabei und für jegliche Spielchen von Sänger Jochen zu haben. So wurde vor der neuen ABC-Single tatsächlich trocken, also ohne Bandbegleitung, das ABC geschmettert. Gegen Ende gabs noch eine veritable Wasserball-Eskalation bei „Polizei“ und als Rausschmeißer den „Kuhglocken-Rock“.
UNEARTH again! Die Band, die inzwischen schon 26 Jahre auf dem Buckel hat, war nun bereits zum vierten Mal verlässlicher Garant für tageszeitunabhängige Action, Schweiß und gute Stimmung und lockte auch diesen Samstagmittag wieder viele Pit-Bereite zur T-Stage. „Dawn Of The Militant“ startete ohne Aufwärmphase und ließ keinen Zweifel daran, dass UNEARTH nach wie vor im Spiel sind und auch mit allen Kräften bleiben wollen. Man ging daher auf Nummer sicher und bediente sich dabei einer Auswahl der allerbesten Songs der letzten zwei Dekaden, wie „This Lying World“, „My Will Be Done“ oder „The Great Dividers“ und wurde nicht enttäuscht. Vom letzten Jahr neu auf „The Wretched; The Ruinous“ erschienenen Material gab es neben „Dawn Of The Militant“ den Namensgeber des Langeisens auf die Ohren, der mit UNEARTHs Lieblingszutaten, d.h. thrashigen Riffs, melodischen Soli und natürlich niederschmetternden Breakdowns einheizte und sowohl die ersten fünf Reihen, als auch Trevor Phibbs selbst bis ans Äußerste brachte. Während die Herren in Rot im Graben vor der Bühne kurzerhand nicht wussten, ob man auf das Publikum oder aber den wie ein Orkan wütenden Fronter achten muss, lieferten die Gitarristen Ken Susi und Buz McGrath Bestleistungen an der Gitarrenfront, bis „Black Hearts Now Reign“ einen weiteren unvergesslichen Auftritt beendete, was die bis zum Ende des Sets verdoppelte Anzahl der gröhlenden Menge wieder einmal bestätigte.
Im extremen Metal sind Bandnamen oft nicht lesbar. Dieser hier lässt sich ohne Knoten in Zunge und Hirn auch nicht aussprechen: TILINTETGJORT. Wir fragten einen Norwegenexperten vor Ort und seine Version klang ganz anders als die von der Band selbst. Aber das spielte alles gar keine Rolle, denn die Musik von TILINTETGJORT überzeugte vom ersten Ton an. Der Gitarrensound kratzte roh und kalt – nichts mit Sommerurlaub am Fjord, hier geht es dicht bepackt durch verschneite Wälder und Bergmassive. Von Avantgarde Black Metal liest man, doch live war das deutlich weniger zu hören als auf Platte. Nordisch kühl und mystisch klangen die Norweger, die erst im Jahr 2020 auf der Bildfläche erschienen sind und mit „In Death I Shall Arise“ bis dato ein Album veröffentlicht haben. Allerdings gespickt mit erfahrenen Akteuren, in deren Vita namhafte norwegische Bands wie Den Saakaldte, Troll und Koldbrann stehen. Überall sahen wir Runen und altertümliche Symbole: auf Gitarren, der Hose eines Musikers, der Robe von Sänger Svik, dem Körper des Bassisten und auf zwei der drei kleinen Backdrops. Die Vocals klangen von krächzend bis klar typisch nordisch und erinnerten wie viele Instrumentalparts oft an KAMPFAR. Spannend: Trotz aller Kälte wirkte der Auftritt sehr sympathisch. Neben der allgemeinen Dankbarkeit für den Slot und die Resonanz sowie okay-kitschigen Heavy-Metal-Posen fiel vor allem Bassist Sturt auf, der immer wieder Plektren ins Publikum warf und dabei sogar lächelte – wir betonen noch mal für alle schwarzmetallischen „Elitisten“: lä|cheln. Spaß beiseite, das war wirklich ein erfrischend starker Gig einer Band, die beim SUMMER BREEZE sicherlich musikalischen Exotenstatus hatte – mit genug Abwechslung, denn vom Blastbeat-Gewitter bis zum Midtempo-Brecher war alles dabei, mal super kurz, mal als überdurchschnittlich lange Nummer. Umso schöner, wenn auch die raren Auftritte so gut funktionieren. „Danke, Germany“, sagte Svik. Danke, TILINTETGJORT, sagen wir!
Die Schweizer Heavy-Metal-Ladies gingen um kurz nach 17 Uhr ans Werk auf der stimmungsvoll dekorierten T-Stage. Ein in Blautönen gehaltenes raumfüllendes Backdrop prangte im Hintergrund und seitlich neben dem Drumriser von Lala Frischknecht prangten jeweils Aufsteller mit Pentagrammen und Kirchtürmen. Die in schwarz gekleideten Mädels setzten mittels ihrer Instrumente kleine Farbtuper: grün und blau an den Gitarren und rot am Bass. Direkt mit dem Opener „Unleash The Beast“ tat die Combo genau das, sie ließ nämlich Fronterin Laura Guldemond von der Leine, die für die folgenden acht Songs konstant über die Bühne – und später im Set dann auch gerne mal in den Graben vor der Bühne – tigerte und dabei auf imposanteste Art sang, kreischte, keifte und immer wieder mal dreckig lachte; file under Rampensau. Nach dem zweiten Song „Wings Of Steel“ sprach sie dann erstmals mit dem Publikum und das tat sie mit einem sehr charmanten Englisch-Deutsch-Mix und fragte z.B. „Wollt ihr mit das Teufel tanzen?“ bevor die Band dann fulminant in „Dance With The Devil“ startete. Mit der Bandhymne „Burning Witches“ verabschiedete sich der Schweizer Damen-Fünfer von einem rundum beeindruckten und überzeugten Publikum – tolle Show mit bestem Heavy Metal a la IRON MAIDEN. Respekt!
Die Kanadier:innen SPIRITBOX schürten mit einem aufputschenden Intro zwar die Spannung, begannen ihr Set dann aber äußerst unaufgeregt mit „No Frills“, also ohne Schnickschnack. Keine wilden Sprünge oder Akrobatik wie im Modern Metal und Metalcore häufig üblich, kein Anstacheln des Publikums, irgendetwas zu zerstören. Stattdessen wirkten sie während der ersten paar Songs fast etwas zu statisch und verzogen kaum eine Miene. Das sollte sich aber bald ändern. Die anfängliche Zurückhaltung war kalkulierte Coolness, die sie nach und nach ablegten. Das SUMMER-BREEZE-Publikum taute zusammen mit der Band auf und feierte SPIRITBOX gehörig ab. Zu Beginn des Sets konzentrierte sich die Band auf Stücke ihrer aktuellen EP „The Fear Of Fear“. Mit „Cellar Door“, „Jaded“, „Angel Eyes“ und „The Void“ hatten sie davon die bestmögliche Auswahl getroffen. Im Anschluss folgten sechs ältere Stücke, von denen vor allem „Secret Garden“ und „Rotoscope“ gefielen. SPIRITBOX gelang der Drahtseilakt zwischen Härte und Melodik durchgehend. Emotionen transportierten sie, egal welche Gangart sie gerade anschlugen. Kleine Highlights stellten die vertrackten Parts dar – eines der Markenzeichen der Band. Fronterin Courtney LaPlante hatte das Publikum übrigens genau beobachtet und festgestellt, dass die harten Parts stets am besten ankamen. Dementsprechend versprach sie für den letzten Track „Hysteria“, dass er zwar langsam beginnt, die Leute das Ende aber lieben würden. Der Song sollte dieses Versprechen halten. So verließen SPIRITBOX ihr Publikum bestens unterhalten, allerdings etwas vor Ende ihrer eigentlichen Spielzeit.
Wer in Erwartung von herkömmlichem Black Metal zum Campsite Circus gekommen war, sollte überrascht werden. Die Optik des dänischen Trios ANGSTSKRÍG stimmte aber, denn es erschien maskiert auf der Bühne. Anders als viele Black-Metal-Bands scherzten ANGSTSKRÍG von Beginn an mit dem Publikum und sorgten so dafür, dass der Funke schnell übersprang. Das Set begann klassisch schwarz, doch den Anfang des zweiten Tracks „Lad Paladserne Brænde“ kommentierte der anonyme Sänger mit „not very black metal, but wait…“. In der Tat folgte kurz darauf wieder Geprügel der schwarzen Gangart. Im Verlauf des Sets schlichen sich aber immer wieder Einflüsse aus dem Black & Roll ein. Hin und wieder klangen einzelne Passagen sogar punkig. Das musikalische Highlight bildete „Vishedens Ulidelige Lethed“. Als Visuals hatten ANGSTSKRÍG Bildschirme mitgebracht, auf denen ihre Musikvideos liefen. Wer hier ein wenig aufpasste, konnte auch lustige Sequenzen entdecken. So ziehen ANGSTSKRÍG bei „Midt i en Angstkrig“ einen Sarg durch die Stadt, aus dem später der dänische Rapper Jøden steigt. Mit ihm haben sie für den Song kollaboriert. Die Band bewies auch bei den Kommentaren während des Sets Humor. Unter anderem damit, dass der Teufel ihre Lieblingsfigur in der Bibel sei, oder damit, dass zwei Leute für einen Moshpit ausreichen. Zum Rausschmeißer „Luk Dine Øjne“ sollten es im Pit deutlich mehr werden. Die seltene Kombination aus Black Metal und Humor kam beim SUMMER-BREEZE-Publikum definitiv richtig gut an.
Nach beeindruckenden Support-Tourneen mit PANTERA, HÄMATOM und LORDI beehrten die tschechischen „five angry men“ dieses Jahr zum ersten Mal die Wera Tool Rebel Stage, zeitgleich zu HEAVEN SHALL BURNs Show auf der Main Stage. Sportliche Herausforderung also und bereits beim Opener „Revolt“ wurde klar, dass es sich beim anwesenden Publikum um textsichere, d.h. eingefleischte Fans handelte. Zur Geschichte der Band an dieser Stelle ein kleiner Exkurs: DYMYTRY sind eine Psy-Core-Band, welche mit „Five Angry Men“ ihr nunmehr siebtes Studioalbum erstmals mit dem Sänger Alen Ljubic herausgebracht haben. Während die vorigen Alben mit altem Sänger bisher nämlich nahezu vollständig in ihrer Landessprache aufgenommen wurden und sie auch nur da aktiv unterwegs waren, ist Ljubic 2020 als zweiter, europäisch agierender bzw. unterstützender Sänger beigetreten, was DYMYTRYs Wirkungskreis verständlicherweise exorbitant erweitert hat. Gespielt wurde am Samstagabend melodischer, aber stellenweise auch experimentierfreudiger Mitsing-Modern Metal und ein für das kurze Set ziemlich überraschend ausuferndes Drum-Solo von Miloš Meier, welche trotz der relativ überschaubaren Anzahl an aktiven Mit-Bangern mit einem nahezu durchgehend agierenden Circle Pit, Mitwinken und den obligatorisch auf der Bühne einhändigen Rädern von Gitarrist Jiří „Dymo“ Urban quittiert wurden. Es handelte sich um absolute Profis auf der Bühne, vielschichtige Songs, keine Scheu vor unterschiedlichen Elementen, was zusätzlich durch die für die „kleine Bühne“ mit vier Monitoren recht ausufernde Bühnendekoration nebst Animationen unterstrichen wurde. In dieser Konstellation und insbesondere mit Ljubic am Mikrofon kann man davon ausgehen, dass DYMYTRY auch hierzulande noch für ordentlich Aufsehen sorgen werden. Brzy na shledanou – bis bald!
Wem das SUMMER BREEZE bislang nicht genügend progressive Klänge bereithielt, der kam bei UNPROCESSED vielleicht auf seine Kosten. ‚Vielleicht‘, weil progressiv hier weniger im klassischen Sinne, sondern eher als eine Mischung aus Pop, Metal, Djent, elektronischer Musik und viel Fingerfertigkeit definiert wurde. Vor allem die Gitarristen produzierten mit ihrer Schlagtechnik auf den Sechs- bis Achtsaitergitarren ungewöhnliche und knusprige Sounds. Der Vierer aus Wiesbaden legte aber auch großen Wert auf Bewegung, was Frontmann Manuel Gardner Fernandes in schönstem Denglisch so ausdrückte: „Schluss mit dem fucking Kaffeekränzchen, this is a fucking rock show!“ Und die Meute kam in Bewegung: Mal hüpfend, mal wild eskalierend, wenn das Quartett groovige Passagen anstimmte. Teilweise hatten die Songs aber auch ganz gefühlige Passagen, wie bei „Sacrifice Me“, und da verwandelte sich das Infield in ein Meer aus (Handy-) Lichtern, die als Scheibenwischer umhergeschwenkt wurden. Und da es dafür eh nicht mehr viele Gelegenheiten auf dem diesjährigen SUMMER BREEZE geben würde, forderte Bassist David John Levy die Menge auf, doch so viele Crowdsurfer wie möglich nach vorne zu schicken – was gelang. Nach einer Dreiviertelstunde war das Spektakel vorbei, aber jeder war sich sicher: Das war bestimmt nicht das letzte Mal, dass wir UNPROCESSED auf dem SUMMER BREEZE erleben durften!
Das Programm auf der Main Stage beschlossen 2024 die finnischen Fan-Lieblinge INSOMNIUM. Die hatten zwei Jahre zuvor noch auf der T-Stage gegen den Regen angerockt und waren jetzt auf der großen Bühne gelandet: „Dankeschön, bitteschön, es ist super toll im SUMMER BREEZE zu spielen“, wie es Frontmann Niilo Sevänen liebenswert in seinem finnischen Deutsch ausdrückte. Und da auch die weiteren Bedingungen, a.k.a. das Wetter, heute stimmten, konnten alle Anwesenden sich voll der Musik hingeben, ja mit den melancholisch schönen Melodien eins werden. Und Melodien hatten die Finnen einige im Gepäck, egal ob in aktuellen Stücken wie „1696“ und „White Christ“ oder in Klassikern wie „Mortal Share“. Aber zupackend waren die Songs immer, sodass sich vor der Bühne ein Moshpit bildete und so mancher noch einmal heftig die Matte schüttelte. Auf der Bühne gab wie immer Gitarrist Markus Vanhala den Aktivposten, der sich bei seinen Soli die Gitarre ganz rockstar-like aufs Knie klemmte oder sie gleich durch die Luft wirbelte, während Niilo Sevänen mit seinen Grunzern für die nötige Erdung sorgte. Da übertrug sich die Energie wie von alleine aufs Publikum, dem bei allen Gänsehautmomenten nicht nur ums Herz wohlig warm wurde. In diesem Sinne: „Dankeschön, bitteschön, wunderschön!“
Die Ehre des letzten Auftritts auf der Wera Tool Rebel Stage gebührte dieses Jahr Robse Dahn, seines Zeichens ehemaliger Sänger von EQUILIBRIUM, und seiner selbstbetitelten Band ROBSE. Die Band hatte ihr erst am Vortag veröffentlichtes Album “Harlekin & Krieger“ quasi zur Releaseparty im Gepäck und sichtlich Bock darauf, den Zuschauern trotz später Stunde eine gute Zeit zu bereiten. Es war beachtlich, wie viele sich nach den Strapazen der vergangenen Tage dann doch noch aufgerappelt haben um dem Auftritt beizuwohnen, manche schafften das allerdings nur noch am Rande im Gras sitzend – aber hey, Dabeisein ist alles! Unmittelbar vor der Bühne war aber direkt von Beginn an eine engagierte Fanmeute dabei ordentlich Action zu machen und sogar noch mal eine letzte Wall Of Death aus dem Boden zu stampften. Durch das engagierte und sympathische Aufspielen der komplett schwarz gewandeten Band wuchs die Zuschauermenge über die Show kontinuierlich an und besonders Keyboarderin und BackUp-Sängerin Alina Lesnik war ein absoluter Hingucker. Alles in allem schienen sowohl die Fans als auch die Band um den Brandenburger Fronter nach der Show sehr zufrieden mit dem SUMMER BREEZE-Debüt, das aus musikalischer Sicht tatsächlich viel Potenzial geboten hat und auch durch die ein oder andere Zote von Fronter Robse in Erinnerung bleiben dürfte.