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- Summer Breeze 2012
- Donnerstag, 16.08.2012
- Freitag, 17.08.2012
- Samstag, 18.08.2012
PARADISE LOST hatten am frühen Samstagabend hauptsächlich mit drei Problemen zu kämpfen: Temperatur, Technik und Sound. Als es um kurz nach sechs Uhr abends Zeit für die britischen Routiniers und ihre Show auf die Hauptbühne ging, war der Feuerball am Himmel zwar bereits am niedergehen, dennoch hing die Hitze noch wie ein bleierner Schleier in der Luft. Auf die Performance der Band wirkte sich dies zwar nicht aus, dafür umso mehr auf die der zahlreich angetretenen Fans. Trotz eines starken Sets aus neuen Songs vom aktuellen „Tragic Idol“-Album und Pflichtnummern wie „Pity The Sadness“, „As I Die“ und „The Enemy“ kam kaum Bewegung in die Masse, so dass Sänger Nick Holmes dem immer wieder mit Aufforderungen zum Mitklatschen, Mitsingen und Mitfeiern entgegen wirken musste. Er hatte zudem stark mit seinem InEar-Monitoring zu kämpfen, was auch nicht gerade Freudentränen bei ihm verursachte. Aber vielleicht hätte schon ein wenig mehr Wumms in den Gitarren gereicht, um den Gig aufzuwerten. Die Gitarristen Gregor Mackintosh und Aaron Aedy bangten zwar was das Zeug hielt; trotzdem waberten ihre Sechssaiter seltsam drucklos über den Platz. Mit dem Dauerbrenner „Say Just Words“ endete ein guter Auftritt, dem ein wenig die Durchschlagskraft fehlte.
Nach der Vollbedienung an klassischem Death Metal lag es an HATESPHERE, das SUMMER BREEZE 2012 zu beenden. Es hatten sich noch einige Hartgesottene im Zelt eingefunden, um zusammen mit den Dänen ein wunderbares Festivalwochenende mit kräftigem Metal ausklingen zu lassen. Die Band, welche in den letzten Jahren bis auf Gitarrist und Mastermind Pepe Lyse Hansen komplett durchgewechselt wurde, machte von Anfang an richtig Alarm, und lieferte ein brachiales und präzises Brett an modernem Thrash Metal. HATESPHERE gelang es dabei, mit ihrem feinsten Geknüppel nochmals alle Reserven im Publikum zu aktivieren. Die versammelten Fans ließen sich von der energischen Performance mitreißen, es gab nochmals einen letzten Circle Pit. Die Dänen liefen zu Höchstleistungen auf, spielten äußerst präzise und mit sichtlich viel Freude. In Sachen leidenschaftlicher Darbietung stach dabei vor allem der sympathische Frontmann Esben hervor, welcher sich die sprichwörtliche Seele aus dem Leib brüllte, und zwischen den Stücken mit witzigen Ansagen für Stimmung sorgte. Und so endete das SUMMER BREEZE 2012 mit allerfeinstem Thrash-Gebolze, das keinerlei eventuell aufkeimender Müdigkeit nicht den Hauch einer Chance ließ.
Die Schweden ENTRAILS teilen mit ihren Landsmännern von EVOCATION und INTERMENT eine recht ähnliche Biografie. Anfang der Neunziger gestartet, dauerte es im Falle von ENTRAILS tatsächlich 19 Jahre, bis das Debütalbum “Tales From The Morgue“ endlich veröffentlicht wurde. Besser spät als nie, kann man hier nur sagen, denn geboten wird, wie auch auf dem Nachfolger “The Tomb Awaits“, feinster klassischer Schwedentod im Stil der alten ENTOMBED, GRAVE und DISMEMBER. Die versammelten Death Metal-Maniacs im Zelt durften sich also über eine geballte Ladung stilistisch absichtlich eingeschränkten Todesbleis erfreuen, welcher verdammt authentisch und mit viel Charme und schmissig dargeboten wurde. Die Mischung aus aggressiv sägenden Riffs mit latent eingestreuten Melodien, energischem Schlagzeugspiel und purer Spielfreude machte einfach Spaß. Und bei den äußerst geradlinigen, im Vergleich zu den obengenannten Vorreitern, sehr schnellen Stücken, ging jedem Liebhaber der guten alten Elchtod-Schule das Herz auf. Man fühlte sich in die Zeit Anfang der Neunziger Jahre zurückversetzt, und viele ließen gepflegt die Matte kreisen. Ein überzeugender und mitreißender Auftritt mit herrlich nostalgischem Charme.
Als der Zeremonienmeister Doc Insane mit seinem flammend-roten Iro die Bühne betrat, wussten wohl die wenigsten im Zelt, was sie in den kommenden 45 Minuten erwarten würde. Als er sich dann aber mal eben mit einem Tacker einen Flyer an die Stirn tackerte, war die grobe Marschrichtung vorgegeben. Der offensichtlich für Schmerz nicht oder nur sehr wenig empfängliche Brite malträtierte sich in der Folge auf mannigfaltige Art, klopfte sich nen Nagel in die Nase, bohrte mit nem Akkuschrauber hinterher, ließ sich mit Dartpfeilen ins Gesicht werfen (zur Sicherheit seiner Augen trug er natürlich eine Schutzbrille!), steckte seine Finger in Wildfallen, deren Funktionalität er davor eindrucksvoll mit einem Würstchen unter Beweis gestellt hatte und ließ sich mit einem Vorschlaghammer eine Steinplatte im Schritt zertrümmern. Zudem zerbiss er eine Glühbirne und hielt sich dann das Mikro an den Mund, damit auch alle hören konnten, wie er knirschend die Scherben zerbiss. Dazwischen durfte der arme (?) Kerl zwei Mal für ein paar Minuten verschnaufen bzw. seine Wunden desinfizieren. Denn es gab zudem zwei Showeinlagen aus dem Bereich Artistik. Zunächst die African Bothers, die zu dritt über den Bühnenboden und die Luft darüber wirbelten, sich aufs unnatürlichste verrenkten und für jede Menge Spontanapplaus sorgten mit ihren halsbrecherischen Kunststückchen – demnächst auch bei Das Supertalent! Und später dann eine ähnlich bewegliche Lady, die mit unzähligen Hula-Hoop-Ringen hantierte und es schaffte unzählbar viele von ihnen gleichzeitig mit ihren Körperteilen zum Rotieren zu bringen. Den Schlusspunkt markierte dann wieder Doc Insane, als er auf einem großen Handtuch einen Eimer ausleerte in dem sich Scherben von 30 Glasflaschen befanden. Da legte er dann sein Gesicht rein, das Mikro daneben und dann stieg ihm einer der Artisten auf den Hinterkopf, dass es nur so splitterte und krachte. Brrrr. Schade, dass die vorbereitete Messerwerf-Wand und die Motorsägen aus Zeitgründen nicht mehr zum Einsatz kamen. Nach der Show musste sich auch niemand mehr wundern, warum die besonderen Talente von Doc Insane ihm bei mehreren Shows in Großbritannien Senderverbot einbrachten. DON’T TRY THIS AT HOME!!!
Kurz nach der Geisterstunde beehrte ein ganz besonderer Gast das Partyzelt. ANAAL NATHRAKH haben schon immer klar gemacht, dass für sie eine Tour im klassischen Sinn nie zur Debatte steht. Die spärlichen Konzerte der Briten werden deshalb auch zu ganz besonderen Ereignissen und dass es zum 15. Geburtstag des Summer Breeze sogar schon zum zweiten Mal geklappt hat, war dann umso schöner. Doch ganz ungetrübt blieb das Vergnügen nicht. Denn nachdem die Instrumental-Fraktion im Anschluss an ein stimmungsvolles Intro die Bühne betrat und kurze Zeit später auch Sänger V.I.T.R.I.O.L. folgte, erblickte man den imposanten Glatzkopf auf einer Krücke gen Bühnenmitte humpeln. Das Knie machte wohl Probleme und man sah, dass er merklich Schmerzen hatte als er sich getrieben von der kraftvollen Musik doch auf Tour begab. Zwar war er nie lange unterwegs, gab aber, ebenso wie der Rest der Band, restlos alles. Gerade bei den Blast-Parts musste Drummer St. Evil hinter den Kesseln Höchstleistungen vollbringen. Die vielen Fans, die bis dahin ausgeharrt hatten – eine Dame wurde vorher schon absolut emotionslos in der ersten Reihe bei den DEEZ NUTS gesichtet, nur um einen Platz in der ersten Reihe zu haben – kamen mit Sicherheit sowohl optisch, als auch durch die Auswahl der Songs voll auf ihre Kosten. Die 50 Minuten Spielzeit rauschten viel zu schnell vorbei. Nach dieser beeindruckenden Show bleibt nur zu hoffen, dass ANAAL NATHRAKH bald wieder live zu sehen sein werden.
Zum vierten Mal dabei und zum vierten Mal die Geisterstundeposition für KATATONIA – man kann wohl ohne zu übertreiben von einer besonderen Beziehung zwischen Band und Festival sprechen. Nicht umsonst haben die Schweden ihren seither besten Auftritt beim Summer Breeze auch mit ihrer Live-CD/DVD „Live Consternation“ verewigt. Als AMON AMARTH nebenan auf der Main Stage fertig hatten stieg die Spannung nebenan ins Unermessliche, ob die Band die genannte 2009er Darbietung würden toppen können. Die Bühne wirkte erstaunlich aufgeräumt, bis auf das Schlagzeug vor dem großen Backdrop und drei Mikroständern, waren weder Verstärker, noch Boxen oder Monitore zu sehen. Mit der tollen Technik gabs dann auch prompt Probleme, als das InEar-System eines Gitarristen streikte, dann startete aber doch das Intro, die Band betrat die Bühne und legte mit „Forsaker“ los. Da stimmte aber offenbar der Sound noch nicht, weder auf noch vor der Bühne waren die Gitarren so recht zu hören und so wurde nach dem ersten Song noch hektisch nachjustiert. Das wirkte dann auch nach und nach und spätestens bei „My Twin“ zeigte sich die Band von ihrer besten Seite, Jonas Renske traf jeden Ton, selbst die zweiten Stimmen von Gitarrist Anders Nyström kamen auf den Punkt und Drummer Daniel Liljekvist ist ohnehin ein absoluter Ausnahmedrummer. In der zweiten Hälfte der Show steigerte sich die Band dann endgültig zu wahrer Brillanz. Es folgten nur noch Hits und mit „Buildings“ sogar ein vielversprechender Ausblick auf das demnächst erscheinende „Dead End Kings“-Album. Die Band war sichtlich ergriffen von den Publikumsreaktionen, bedankte sich immer wieder und hätte wohl gerne noch länger gespielt. Die Herbst-Tour zusammen mit einer weiteren herausragenden Band des diesjährigen Summer Breeze (ALCEST) dürfte für viele zum Pflichttermin werden. Und um Schlag 1 Uhr, quasi mit dem Abgang KATATONIAs von der Bühne, wurden dann Bands und Zuschauer von einem mächtigen Jubiläums-Feuerwerk der Extraklasse überrascht.
Die DEEZ NUTS werden in der Hardcore-Szene durchaus kontrovers diskutiert. Der recht simple Hardcore mit der leichten Metalkante und den stark vom Rap beeinflussten Texten ist nicht jedermanns Sache. Gerade die Texte werden oft als sexistisch abgestempelt und sind der Hauptgrund für Kritik. Doch egal, wie man dazu steht, es kann niemand leugnen, dass die Band um Ex-I KILLED THE PROM QUEEN-Drummer JJ Peters eine formidable Partyband ist. Und das war genau das, worauf das gut gefüllt Zelt aus war. Da wurden vom ersten Song an die Fäuste oder wahlweise Füße geschwungen, massig Crowdsurfer gestartet und gleich ab dem Opener „Stay True“ bewies die Menge ihre Textsicherheit. Kaum hielt Peters das Mikro in ihre Richtung kamen die Singalongs wie bestellt. Die Partystimmung kam zum Ende hin bei „Tonight We Gonna Party“ und „I Hustle Everyday“ zum Siedepunkt und selbst Minuten nachdem die Australier die Bühne verlassen hatten, brachen die Zugabe-Rufe nicht ab.
AMON AMARTH durften natürlich nicht fehlen im Jubiläumsjahr des Summer Breeze. Die Geschichte des Festivals war und ist ganz eng mit dem Erfolg der Schweden verbunden. Kaum eine Band sorgte bisher für ähnlich frenetische Publikumsresonanzen. Egal, ob man mit einem dicken Wikingerschiff wie anno 2009 antrat, oder sich in Sachen Bühnenaufbau eher zurück hielt. AMON AMARTH waren auch an diesem denkwürdigen Abend eine Geschenk der nordischen Götter. Der Platz vor der Main Stage war bis in die letzten Ecken prall gefüllt und wohin man blickte, waren die Besucher komplett mit dem Merch der Band eingedeckt. Bereits 2009 legten AMON AMARTH die Messlatte in Richtung Zuschauerresonanz verdammt hoch, was sich allerdings an diesem Abend abspielte, war kaum mit Worten zu beschreiben. AMON AMARTH hatten den ganz großen musikalischen Amboss ausgepackt. Den Mannen gelang an diesem Abend alles. Egel welchen der zahlreichen Hits man anstimme, das Feld fraß den Recken um Johann Hegg aus den Händen. Es herrschte pure Magie über dem weiten Rund, das mittlerweile bis weit hin zur Pain Stage gefüllt war. Es war eine Freude mit ansehen zu dürfen, wie die beiden Gitarristen in perfektem Gleichklang die Gitarren in die Höhe rissen und wild moshten. Was man dieses Jahr an Bühnenaufbauten sparte, wog die perfekte Pyroshow mehr als auf. Gefühlt bei jedem zweiten Song schossen Feuersäulen in die Höhe oder explodierte Pyrotechnik. Ein besonderes Erlebnis war ein Feuerregen, der bei „Death In Fire“ von der Bühnendecke krachte. AMON AMARTH machen einmal mehr deutlich, dass es für die Band ohne Mühen möglich war, ein gut 70-minütiges Set nur mit Hits zu bestücken. Alleine diese Tatsache spricht für die Band und unterstrich nachdrücklich den Status der Schweden. Dieser letzte Gig auf der Main Stage des diesjährigen Summer Breeze markierte zugleich den finalen Auftritt zum aktuellen Longplayer „Surtur Rising“ mit dem die Band ca. zwei Jahre unterwegs war. Johann Hegg ergriff die Gelegenheit und dankte namentlich den Hauptakteuren, die die Band während der letzten Jahre unterstützt hatten. Eine feine Geste. AMON AMARTH waren an diesem lauen Sommerabend ein Highlight, welches man immer mit diesem Festival in Verbindung bringen wird. Großartiges Konzert, gespickt mit zahlreichen Höhepunkten. Horns Up!
PARADISE LOSTs Gitarrist Gregor Mackintosh und Drummer Adrian Erlandsson schoben am Samstag eine Doppelschicht. Bei VALLENFYRE ging es jedoch ungleich düsterer als vor ein paar Stunden auf der Hauptbühne zu. Kein Wunder, hob Mackintosh die Band doch in tiefster Trauer als Tribut an seinen kürzlich verstorbenen Vater aus dem Feuer. Vom Ergebnis „A Fragile King“ kam lediglich „My Black Siberia“ nicht zum Einsatz, ansonsten zockten die Engländer das komplette Album herunter. Und was war das für ein unglaubliches Brett! Die morbide, tiefschwarze Atmosphäre wurde perfekt auf die Bühne transportiert, mit brutalem Sound ging die Mischung aus Doom, Death und Crust direkt in die Magengrube. Die ungewohnte Position des Frontmanns ohne Gitarre füllte Mackintosh dabei überraschend selbstsicher, britisch-schwarzhumorig und gelegentlich fast schon schwafelnd aus. Welchen Stellenwert VALLENFYRE in seinem Leben haben, vermittelte etwa „Seeds“, das er als „the most miserable Song ever played on Summer Breeze“ ankündigte. Für die Banger gab es das hastige „Humanity Wept“, an dem Erlandsson seine ganze Klasse zeigen konnte. Womöglich sah das Summer Breeze an diesem Abend einen historischen Gig, denn: der erst fünfte Auftritt VALLENFYREs könnte ihr letzter gewesen sein. Momentan sind keine weiteren geplant und auch wenn Mackintosh etwaige im Publikum anwesende Booker bat, sich bei Interesse zu melden, ist die Zukunft scheinbar ungewiss.
Was eine Freude, dass zum 15. Jubiläum des Festivals auch der unangefochtene Meister des gepflegten Heimorgel-Massakers erstmals mit von der Partie war. Jeder seiner fünf Blöcke war ein einziges Fest der göttlichen „Verorgelung“ bekannter (Metal)Hits und selbst, als der Mambo Meister parallel zum Hauptact AMON AMARTH auf der Hauptbühne ran musste, war der Platz vor der Dromedar-Bühne rappelvoll. Ob nun „South Of Heaven“, „Killing In The Name Of“ oder RAMMSTEINs „Engel“, die Meute fraß dem Mann mit der großflächigen Sonnenbrille aus der Hand, mitgebrachtes Merch war schon nach dem zweiten Block restlos ausverkauft und von Wall Of Death bis zur Polonaise war alles mit dabei. Bei den ersten beiden Blöcken war noch seine fantastisch-elastische Orgelpraktikantin Frau Foxy mit auf der Bühne, die sich im Ausdruckstanz übte und auch mehrfach ans Mikro durfte, wie etwa bei „RemmiDemmi“ oder „I Just Can’t Get Enough“. Später wurde dann sogar noch der C64 ausgepackt, der sich als erstaunlich HipHop-affin zeigte und natürlich fehlte auch nicht „Musik ist Trumpf“, der Song mit dem Uns-Kurti 1982 den „Jugend musiziert“-Wettbewerb in der Kategorie Orgel gewonnen hat – echt jetzt! Bei seinem letzten Block hätte es wohl niemand gestört, wenn MAMBO KURT trotz den im Zelt startenden ENTRAILS noch ewig weitergemacht hätte!
Mit ASP gab es dieses Jahr auf dem Breeze einen der bekanntesten Vertreter der schwarzen Szene zu bestaunen. Die Band rund um Frontsänger Alexander „Asp“ Spreng konnte mit ihrem weit über die Szenegrenzen bekannten „Schmetterlingszyklus“ große Erfolge ernten, hohe Chartplatzierungen und ausverkaufte Konzerte sind für ASP inzwischen Standard. So hatten sich auch an diesem Abend soweit das Auge reicht Fans und Interessierte vor der Pain Stage versammelt um dem dunklen Treiben zu lauschen. Nach dem gespenstischen Intro, das mit einer faszinierenden Lichtshow und gregorianischen Gesängen die Stimmung ins Tiefschwarze treiben sollte, begaben sich ASP dann in schwarzer Kluft auf die Bühne und starteten mit „A Prayer For Sanctuary“ sehr rockig in ihr Set. Schon beim ersten Track kam die Pyrotechnik imposant zum Einsatz, was natürlich mit tosendem Jubel der Besucher beantwortet wurde. Nach „Wechselbalg“ und „How Far Would You Go“ folgte dann schließlich die Begrüßung an das werte Publikum und die Aufforderung sich bloß nicht auszuruhen, denn mit „Eisige Wirklichkeit“ kam schon der nächste Rocker aus den Boxen. Eine kurze Erholung verschafften dann aber die etwas ruhigeren Lieder wie „Kokon“ oder „Krabat“ (diese Stück stammte als eines der wenigen nicht aus dem Schmetterlings-Zyklus), bei dem mit Licht- und Farbeffekten bei dem ein oder anderen durchaus Gänsehaut aufkam, so perfekt war die Show inszeniert. Das Finale hingegen gestaltete sich wieder wesentlich härter, bei „Schwarzes Blut“ und „Ich will brennen“ kamen neben harten Gitarrenriffs auch wieder massig Pyroeffekte zum Einsatz, hier konnte man nur staunen wie viel Detailarbeit in den auf die Musik und die gruselige Stimmung abgestimmten Effekte stecken musste. ASP lieferten ein rundum gelungenes Gesamtpaket ab, technisch einwandfrei, stimmungsmäßig grandios, die Dunkelheit, das Licht und die passende Musik wuchsen hier perfekt zusammen. Und so kamen wohl nicht nur die Gothic-Fans voll auf ihre Kosten.
Wer die Death Metal-Legende ASPHYX an diesem Tag sehen wollte, musste sich ein wenig in Geduld üben. Erst mit satten 15 Minuten Verspätung stiegen die Krachmacher um den charismatischen Frontmann Martin van Drunen in „The Quest Of Absurdity“ ein. Doch das Publikum verzieh schnell und bereitwillig, hatte das schwer gefüllte Rund die Holländer doch schon vor Anpfiff lautstark abgefeiert. Für anderes Verhalten hätte es auch keinen Grund gegeben, so tight präsentierte sich die Todesblei-Walze an diesem Abend. Von Anfang bis Ende flogen bei van Drunen, Gitarrist Paul Baayens und Basser Alwin in schönster Synchronität die Mähnen. Die Fans taten es ihnen gleich, moshten und bangten, was das Zeug hielt und reckten die Hörner zu hunderten in die Höhe. Van Drunen, der von links nach rechts Kilometer zurückgelegt haben muss, unterhielt zudem mit einem Schuss Humor und stellte sich selbst mit Roland Kaiser vor. Ob der wohl auch so viel Spaß gehabt hätte? ASPHYX zumindest hatten und verbreiteten ihn und beendeten mit dem neunminütigen Kult-Song „The Rack“ ihre schweißtreibende Show.
Der New York Hardcore wäre ohne Sie nicht derselbe und viele Bands auf dem diesjährigen Breeze hatten diese Truppe bestimmt auf ihrer Liste der musikalischen Vorbilder. Die Rede ist von den NYHC-Szene-Urgesteinen SICK OF IT ALL, die seit Jahren die Festivals abklappern um zu beweisen dass nach über 26 Jahren Bandgeschichte noch immer ordentlich Lust da ist den Fans mit einer guten Show einzuheizen. Begleitet von der untergehenden Sonne stürmte Frontmann Lou dann auch in bester Laune die Bühne, begrüßte lauthals seine Fans und drehte mit „Take The Night Off“ direkt auf 180. Die prall gefüllten Ränge, die übrigens im Laufe des Sets immer voller und voller wurden, gaben ihrerseits alles um in Bewegung zu bleiben, mit Sprüngen, wilden Moshpits und etlichen Crowdsurfern wurde hier in bester Hardcore-Laune abgefeiert. Bei der Songauswahl gab man sich, wie auf den bisherigen Festivals, sehr zielsicher, die Titel erstreckten sich quer durch die Bandgeschichte so dass alt und jung gemeinsam richtig feiern konnten. Auf Lou´s Frage „Are your ready?“ wurde ihm natürlich prompt mit einem lauten „Yeah!“ aus dem Publikum geantwortet, und bevor es mit „Die Alone“ dann wieder eine echte Abrissbirne gab, dirigierte er hier alle erstmal wie einen Chor und animierte zum Mitsingen. Neben Lou sorgte aber immer wieder Bruder Pete für ordentlich Stimmung; fit wie ein Turnschuh war er sich nicht zu schade während des kompletten Sets ununterbrochen in Bewegung zu bleiben, da musste jede Box mindestens einmal als Sprungbrett herhalten. Ihr Auftritt verging so wie im Flug, ohne große Pause ballerten die vier Amis ihre Tracks raus, Titel wie „Good Looking Out“, „Call To Arms“ oder „Scratch The Surface“ verursachten regelrechte Gewitter im riesigen Moshpit, und die Ordner durften massenweise Crowdsurfer (diesmal waren übrigens erstaunlich viele weiblich unter ihnen) aus dem Graben geleiten. Zum großen Finale, vor dem Lou dann nochmal alle Zuschauer von links nach rechts zum Mitmachen aufforderte, gab es dann noch den Klassiker „Step Down“, nach dem man sich mit lauten Zugabe-Rufen auf der einen, und vielen Verneigungen auf der anderen Seite, voneinander verabschiedete. Nach so vielen Jahren geben sich SICK OF IT ALL also immer noch keine Blöße und stellen so manche junge Band in den Schatten was die Qualität ihrer Liveshow angeht. Es ist trotzdem unverständlich, dass die Band die restlichen 20 Minuten, der ihr zugestandenen Spielzeit nicht nutzte und vorzeitig die Bühne verließ und auch nicht für eine Zugabe zurück kam.
Mit SHINING steht eine Band auf dem diesjährigen Summer Breeze Open Air, die einerseits wohl etwas aus der Reihe fällt und sich auf der anderen Seite im Wesentlichen auf Frontmann Niclas Kvarforth fokussiert. Etwas zu spät auf die Bühne gekommen, starten die Jungs aus Halmstad mit “Lat Oss Ta Allt Fran Varandra“ und seinem charakteristischen Einstandsriff. Der Mastermind kommt mit dunklem Pullover und aufgesetzter Kapuze auf die Bühne marschiert und verströmt eine beschwörende, etwas unheimliche, kaputte Ausstrahlung. Der Sound donnert recht klar aus den Boxen und lädt zum bedächtigen Haupthaarschütteln ein, bis ruhigere, teilweise durch Samples durchtränkte Passagen vermehrt an der düsteren, selbstzerstörerischen Atmosphäre arbeiten. Die einzelnen Songs ziehen sich verdächtig lang, wobei Kvarforth unterdessen an seinem bereits ausreichend vorgezeichneten Image arbeitet und zwischenzeitlich in die Menge spuckt oder seine Gitarristen traktiert. Dann geht er wieder in die Hocke, blickt irr in die ersten Reihen, flüstert und geht dabei voll in seinem Element auf. Dies fließt selbstredend in die Wirkung der ohnehin recht getragenen Musik ein und bildet somit ein durchaus wirkendes Gesamtkonstrukt. Die bereits erwähnte Länge der Stücke schlägt sich letztendlich dann doch nieder, denn laut Terminplan sollte nach “Ohm“ eigentlich Schluss sein, doch nach kurzem Flüstergespräch mit seinem Gitarristen legt Niclas Kvarforth noch “Submit To Self-Destruction“ und abschließend “Förtvivlan, Min Arvedel“ nach. Wirkung dennoch nicht verfehlt!
Mit typischem Schiffsgetröte hieß es pünktlich um 19.10 Uhr „Leinen los!“ und auch gleich „Volle Fahrt voraus!“ auf der MS Schmerzbühne als die sieben OOMPH!-Mannen, komplett als Matrosen eingekleidet, mit „Unzerstörbar“ ans Werk gingen. Die Bühne war mit allerlei maritimen Material dekoriert und Sänger Dero hatte zudem schickes Joker-Makeup aufgetragen und gab in der folgenden Stunde den sympathischen Entertainer und Massendirigent. Denn es war schon zu Beginn der Show pickepacke voll vor der Pain Stage und es wurden noch viel mehr mit der Zeit. Allen Kritikern, die die Band im Vorfeld als deplatziert abgestempelt hatten, wurde sowas von der Wind aus den Segeln genommen und die Band erwies sich erneut als willkommene Bereicherung. Gerade die Ansagen Deros waren auch immer für nen Lacher gut, ob er nun „Bis der Spiegel zerbricht“ „Justin Biber und allen Casting Schwachmaten der Welt“ widmete, sich für „Kleinstadtboy“ bei Rob Halford und Bronski Beat bedankte oder „Sandmann“ „Germanys Next Top Moppel Angy Merkel“ widmete, er hatte die Lacher auf seiner Seite und wurde mit hüpfendem und feierndem Volk bis weit hinter den FOH-Turm belohnt. „Seemannsrose“ war mit seinem Bierzelt-Schunkel-Sound und dem Akkordeon vielleicht fast schon etwas zu viel des Guten, aber unter dem Strich ein klarer Sieg für die Band. Obwohl sie ihre Spielzeit schon knapp überschritten hatten, ließ es sich Dero auch dieses Mal nicht nehmen dem Publikum noch einen Chor einzupflanzen, diesmal war es „Always Look On The Bright Side Of Life“ von Monty Python.
Nun war es an der Zeit, dass eine der kultigsten Bands Schwedens im Partyzelt für Stimmung sorgte. Die diabolische Rasselbande NIFELHEIM betrat in voller Nietenmontur, Lederklamotten und Schminke Marke Achtziger-Jahre-Black-Metal die Bühne, um die Fahne des Oldschool Black/Thrash hochzuhalten. Von Anfang an gaben die schwedischen Undergroundrecken Vollgas, feuerten ihre einfach aber effektiv gestrickten Stücke mit messerscharfen Riffs und wildem, vorpreschendem Schlagzeugspiel, räudig und mit viel Charme in die Meute der gierigen Metalheads. Wer die Rumpel-Horde um die beiden ehemaligen NECROPHOBIC-Gitarristen kennt, weiß natürlich, dass neben dem derben Runterholzen von solchen Speed Metal-Krachern wie „Infernal Flame Of Destruction“ oder „War Of Doom“ auch das standesgemäße Posing enorm wichtig ist. Und so gab es neben zerstörerischem Metal für die Ohren auch noch schönes Stageacting der klassischen Schule. Ein authentisch wirkender Auftritt voll dunkler Atmosphäre der altgedienten Recken.
Die Jungs aus „Steel City“ Sheffield hatten am letzten Festivaltag die Ehre die Pain Stage zu eröffnen. Genau das taten sie und zwar ohne Kompromisse. Bereits nach dem Intro gab es mit „Dead Behind The Eyes“ mächtig auf die Glocken. Also keine Zeit für die Besucher die Nachwehen der letzten Nächte zu verarbeiten. Sänger Lawrence Taylor gab ab der ersten Minute Vollgas und lieferte sich Sprung- und Laufwettbewerbe mit seinem Basser Aaran Mckenzie. Dem ersten Publikumsandrang nach zu urteilen, hatte die Briten nicht wirklich jemand auf der Rechnung. Das Bild sollte sich aber nach der Metalcore-Granate „Hearts“ ändern. Der Intensität der Insulaner konnte sich jetzt kaum noch einer entziehen. WHILE SHE SLEEPS waren auf den Punkt da und prügelten alles nieder. So ließ der erste Circle Pit auch nicht lange auf sich warten, der für die frühe Stunde dann sogar richtig beachtlich ausfiel. Mit „This Is The Six“ und „Trophies“ gabs noch zwei weitere Kracher, bevor Sänger Lawrence Taylor zu einer typischen Geste ausholte und begann das Publikum zu teilen. Was jetzt folgte, war mit „Crows“ ein krachender Höhepunkt dieses begeisternden Gigs. Wir hören wieder voneinander!
Die selbst ernannten Tierschützer von CATTLE DECAPITATION begannen in den frühen Abendstunden ihr Massaker auf der Zeltbühne, um die ohnehin schon von der prallen Sonne erhitzten Gemüter durch ihren brutalen Deathgrind noch zusätzlich ins Schwitzen zu bringen. Ohne großes Vorgeplänkel wurde dann mit einem Sturm von Blastbeats im Opener „Carbon“ losgelegt. Fronter Travis legte sich mit seinem Gegrunze mächtig ins Zeug um den erfreulich zahlreich erschienenen Headbangern eine gute Show zu bieten. Schlagzeuger David McGraw legte wie gewohnt eine beeindruckende Performance hin, ein Blast jagte den nächsten, und passend dazu gab Saitenhexer Josh seine Grindriffs zum Besten. Mit Zwischenreden über das tolle Festival und massig Danksagungen an die Fans punkteten die Kalifornier natürlich und wurden ihrerseits mit einem kleinen Moshpit belohnt. Es waren sogar einige in den ersten Reihen zu sehen, die die nur schwer verständlichen Texte verinnerlicht hatten und mit voller Inbrunst mitgröhlten. Mitklatschen war dann tatsächlich auch angesagt und beim melodischsten Stück des Sets „Forced“ kam richtig Bewegung in die Menge. So machte man bis zum Schluss gemeinsam das Beste aus der Show in dem heißen Zelt und wurde nach zehn knüppelharten Songs mit viel Applaus und einem Foto der Band mit den Zuschauern im Hintergrund verabschiedet.
LACUNA COIL sind nach längerer Bühnenabstinenz präsenter denn je. Die Band glänzte in der Vergangenheit nicht nur durch die Erscheinung ihres Frontsternchens Scabbia, sondern vor allem durch die Kombination aus brettharten Riffs und eben auch durch die variable Stimme der guten Dame. Mit neuem Album im Gepäck und mächtig Spielfreude im Hintern, war es gar nicht schlimm zu sehen, dass auch an Frau Scabbia die Jahre seit ihrem letzten Besuch beim Summer Breeze nicht spurlos vorbei gegangen sind. Trotz der längeren Auszeit waren die Italiener wieder eine feste Bank auf dem Summer Breeze, feiern doch beide, Band und Festival heute ihr 15 jähriges Jubiläum. Gewohnt offenherzig und mit mächtigem Engagement, war Scabbia bereits mit dem Opener auf Betriebstemperatur und animierte den prächtig gefüllten Platz vor der Pain Stage. Auch stimmlich gab es nur Grund zur Freude, denn das Duo Scabbia/Ferro ließ erneut die Bretter beben. Der Auftritt wirkte in vielen Phasen wie ein musikalischer Befreiungsschlag, der Zweifler endgültig verstummen lassen sollte. LACUNA COIL waren heute eine echte Überraschung, ohne Schnörkel und Lückenfüller und ließ abgesehen von einem großen Backdrop nur die Musik für sich sprechen. Die Band ist zurück und wird hoffentlich nicht wieder so lange von der Bildfläche verschwinden. Wem das alles viel zu schnell vorbei war, der darf sich die für November geplante Tour schon mal dick im Kalender anstreichen.
Nachdem DESASTER in Punkto Härtegrad das Level um einiges über das von AUDREY HORNE geschraubt haben, schickten sich INCANTATIOn an, selbiges mit ihren Bühnenvorgängern zu tun. Bei der musikalischen Anlage und Albenauswahl kein Problem. Auch wenn die US Death-Legende seit satten sechs Jahren ohne neues Full Length dasteht: der Brachialität und Spielfreude stand dies nicht im Wege. Ganz im Gegenteil. Mit einer Handvoll Hardcore-Fans und einigen wenigen Neugierigen konnte sich das Quartett ganz auf die alten Klassiker konzentrieren und ihr Programm erbarmungslos runterholzen. Ausfallschritt, Kopf runter und los geht es, so einfach kann Death Metal sein. Zwischen pfeilschnellem Todesblei-Gebolze und finsteren Ausflügen in doomige, nach feinstem US-Morast stinkende Gefilde blieb auch noch Zeit, um eine andere amerikanische Death-Legende zu würdigen: als Schmankerl gab es „Mortician“ von der gleichnamigen Kapelle aus New York, bei denen auch INCANTATIONs Live-Schlagwerker Sam Inzerra die Keulen schwingt. Killer Gig einer Killerband, die auf dem Summer Breeze erfolgreich das erste Mal ihre Visitenkarte abgab.
Wenn man Claus „Oimel“ Larcher, den Sänger der NITROGODS, so ansieht, mit seinem CROWBAR-Gedächtnis-Bart, dann erwartet man eher schwerfälligen Doom, als straighten, etwas härteren Rock’n’Roll der Marke MOTÖRHEAD. Doch wenn man das Trio um Gitarrist Henny Wolter (Ex-PRIMAL FEAR) und FREEDOM CALL-Schlagzeuger Klaus Sperling dann hört, bekommt man durchaus Lust das Haupthaar zu schütteln. Und obwohl die Band zu Anfang leichte technische Probleme hatte, wurden diese gekonnt und sympathisch überbrückt. Schnell war der Drive wieder da und die Spielfreude der Hannoveraner lockte immer wieder genug Leute für eine ordentliche Sause vor die Bühne. Zwar waren NITROGODS offensichtlich nicht vielen bekannt – das gleichnamige Debüt ist gerade in diesem Jahr erschienen – aber es schien als würden die Leute Gefallen finden an dem markanten, rotzigen Sound. NITROGODS konnten mit dieser überzeugenden Performance sicherlich einige neue Fans in ihr Gefolge einreihen.
Wie bei SEPULTURAs 2010er Debüt auf dem Summer Breeze schien auch dieses Jahr die Sonne mit voller Kraft. Man könnte meinen, die Band um den Front-Hünen Derrick Green und den Gitarristen Andreas Kisser würde das gute Wetter jedes Mal aus dem sonnigen Brasilien mitbringen. Ein neues Mitbringsel war Drummer Eloy Casagrande. Das junge Schlagzeug-Talent beerbt Jean Dolabella hinter den Kesseln und steht diesem in Sachen Präzision und Wucht in nichts nach. Vielleicht legt er sogar noch eine Schippe Virtuosität oben drauf. In Jedem Fall hielt er das Schiff immer auf Kurs, welches nach dem Intro mit gleich zwei Krachern in das einstündige Set einstieg. „Beneath The Remains“ und das grandiose „Refuse/Resist“ legten die Messlatte für das Restprogramm gleich enorm hoch an. Doch das Intensitätslevel blieb auch während der Songs neueren Datums, wie z.B. „Convicted“ oder „Choke“ enorm hoch. Der Dreier-Block bestehend aus „Arise“, „Rattamahatta“ und natürlich dem krönenden Abschluss „Roots Bloody Roots“ beendete einen weiteren fetten Auftritt der Brasilianer. Die anschließende Abkühlung durch den Feuerwehrschlauch hatte sich das Publikum, das von Minute eins steil ging, auf jeden Fall redlich verdient.
Mit einer gut 20-jährigen Bandgeschichte im Rücken, konnte man von DESASTER einen routinierten Gig erwarten. Und tatsächlich spielten sie ihre dunkelschwarzen Thrash-Songs ungemein tight und timingsicher exakt auf den Punkt. Großartige Show-Momente durfte man hier nicht erwarten, die Koblenzer konzentrierten sich auf das, was im Mittelpunkt jedes anständigen Rock-Konzerts stehen sollte, nämlich die Musik. Diese war bewusst rumpelig gehalten, zeigte dabei aber immer ein sicheres Gespür für Melodien. Dass Gitarrist und Bandgründer Markus „Infernal“ Kuschke zwischendurch mit hartnäckigen technischen Problemen zu kämpfen hatte und minutenlang praktisch nicht zu hören war, überspielten die Mannen um den voluminösen Frontmann Guido „Sataniac“ Wissmann gekonnt, so dass die gute Stimmung unter den Zuschauern nicht abriss. Wirklich voll wurde es im stickigen Partyzelt nicht, obwohl sich im hinteren Bereich einige Besucher einfanden, die unter der Zeltplane offenbar lediglich Schutz vor der unbarmherzig vom Himmel herab brennenden Sonne suchten.
Es gibt Bands, auf welche einfach immer Verlass ist. UNLEASHED zählen zu diesen Gruppen, nicht nur, dass die Schweden immer wieder sehr gute Alben voll klassischem Death Metal veröffentlichen, auch sind die Nordmänner stets ein Garant für eine starke Live-Show. Und so hatte sich natürlich eine riesige Menschenmenge vor der Pain Stage versammelt, um gemeinsam mit ihren Helden zu feiern. Wieder einmal präsentierten sich die Wikinger um Fronthüne Johnny Hedlund als ein perfekt aufeinander eingespieltes Team, das mit tödlicher Präzision und absoluter Sicherheit solch klassische Schwedentod-Kracher wie „The Longships Are Coming“ oder „To Asgaard We Fly“ zum Besten gab. So gelang es UNLEASHED sehr leicht, das Publikum zum Überkochen zu bringen, und man kann nur Respekt vor den versammelten Death Metal-Warriors haben, dass diese trotz starker Hitze über den kompletten Auftritt Vollgas gaben und ihre Matten wild kreisen ließen. Wieder einmal ein verdammt starker Auftritt der schwedischen Urgesteine, dem leider noch viel zu viele weitere Klassiker in der Setlist gefehlt haben.
Am letzten Tag eröffneten AUDREY HORNE den Reigen auf der Party Stage und man kann es gar nicht oft genug sagen: diese Band ist sträflich unterbewertet! Tropische Temperaturen hin oder her: den Norwegern, die mit Gitarrist Arve Isdal ein aktuelles ENSLAVED-Mitglied in ihren Reihen haben, gehört viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als es die recht spärlich angetretenen Fans vermuten lassen. Warum? Weil sie ihren mit viel Pathos und Attitude geschwängerten Classic Rock so heavy und perfekt intonierten, wie das selbst die Dinosaurier des Genres in ihren besten Tagen wohl nicht hinbekommen haben. Jeder Song war eine kleine Hymne für sich, wurde mit perfekten Doppellead Guitar-Duellen in die Menge gefeuert und machte einfach nur saumäßig viel Spaß. Das merkten auch schnell die anfangs noch zurückhaltend beobachteten Anwesenden, so dass am Ende so ziemlich jede vorhandene Hand zum Gabelgruß in die Luft gereckt wurde. Respekt für eine so reife Leistung einer Band, die es endlich mal verdient hätte, über den Kritikerliebling-Status hinauszukommen. Wurde bereits erwähnt, dass die Band sträflich unterbewertet wird?
Verdächtig lange war es still um NAGLFAR, einer der wichtigsten Black Metal-Bands Schwedens, welche dieses Jahr endlich mit „Téras“ das Nachfolgealbum vom 2007er „Harvest“ veröffentlichten. Doch das lange Warten hatte sich gelohnt, zeigte sich das aktuelle Werk doch einerseits im klassischen NAGLFAR melodischen Black-Death-Metal-Stil, andererseits aber auch herrlich erfrischend mit tollen neuen Akzenten. Und mit diesem tollen Album in der Hinterhand betraten die Wölfe aus Umeå die Bühne, um eindrucksvoll zu beweisen, dass sie neben WATAIN die einzig wahren Erben der mächtigen DISSECTION sind. Wer sonst kann so herrlich intensiven, nordischen Metal, der das Beste aus rauem Black und melodischem Death Metal verbindet, so gekonnt spielen? Hingucker war auf jeden Fall der charismatische Frontmann Kristoffer Olivius, welcher das Publikum stets mit stechendem Blick düster anstierte, ständig die Augen verdrehte, diabolisch poste, und dabei gerne den Oberbösewicht markierte. Gerade zu diesem Zeitpunkt wurden metalferne Besucher aus Dinkelsbühl durch den Fotograben geführt, und viele betrachteten ein wenig verwundert und neugierig das Geschehen auf der Bühne. NAGLFAR präsentierten sich in bestechender Form, spielten präzise auf, und gerade die frostig-sägenden, majestätisch-epischen Harmonien kamen prächtig rüber. Als Live-Musiker hatten die drei Wölfe noch Efraim Juntunen (PERSUADER, GUILLOTINE) am Schlagzeug und Bassist Alexander “Impaler“ Friberg (NECROPHOBIC) bei sich auf der Bühne. Highlights waren das gnadenlos nordisch rasende „Pale Horse“ sowie der Klassiker „I Am Vengeance“.
Der sympathische Franke war die große Ausnahme unter den Acts auf der Camel Stage 2012. Denn er war sowohl der einige, der einen reinen Comedy-Auftritt darbot als auch der einzige, der nur einmal dort auftrat – dafür wurden ihm auch gleich 45 Minuten Showtime zugestanden, statt der sonst üblichen fünf mal 20 Minuten. Und er nutze die ihm zugestandene Zeit weidlich! Schon das Intro brachte es an sich optimal auf den Punkt „BEMBERS burns like Hell, laut, hart, dringend, schnell!“. Mit dem staubtrockenen Eröffnungssatz „Ich bin Jesus Christus und mache demnächst in Dinkelsbühl ein Nagelstudio auf!“ hatte BEMBERS gleich die ersten Lacher auf seiner Seite, und es wurden noch deutlich mehr. Ob er nun von hormongeplagten Jugendlichen beim französischen Weichkäsekauf im Supermarkt erkannt wird oder von seinen Nöten beim Tätowieren und beim Delphinschwimmen auf dem Bahnsteig nach dem Antiaggressionstraining auf Jamaika berichtete, das Volk vor der Bühne schmiss sich kollektiv weg. Als er dann zu seinem von YouTube bekannten Beitrag über den vollpigmentierten Kain Schwarzer (sic!) ansetzte, skandierte das Publikum im Chor die Keylines, was den Maestro dann doch sichtlich begeisterte. Die Fäkallastigen Passagen über Kacken als Kunst, Angela Merkel im Swingerclub oder Penisvergrößerungs-Geräte hätte er an sich gar nicht nötig gehabt, was aber nicht heißt, dass die beim Publikum nicht ebenso gut angekommen sind.
Schon spannend, was anderen Leuten als erste Gedanken des Tages so durch den Kopf gehen kann: „Heute Morgen bin ich aufgewacht und habe mir gedacht, wie ein Vulkan will ich heute mit euch durchdrehen,“ verkündete beispielsweise TANZWUT-Frontmann Teufel und gab damit die Marschroute für einen spannungsreichen Mittelalter Rock-Gig am frühen Nachmittag vor. In brütender Hitze kurbelten die zahlreich erschienenen Fans ihre Schweißproduktion durch intensives Hüpfen und Klatschen weiter an. Und weil die Zuschauer auf dem Summer-Breeze grundsätzlich ohnehin für jeden Blödsinn zu haben sind, schlängelte sich mehrere Stücke lang eine Metal-Polonaise von beträchtlicher Länge durchs Publikum. Für Abkühlung durften da die Security-Leute im Graben sorgen, was Teufel spontan nach einem „Applaus für die Männer mit dem großen Schlauch!“ rufen ließ. Über zweideutige Anspielungen hinaus hatte jedoch auch die Musik der Berliner einiges zu bieten. Die Kombination von Dudelsäcken, Stromgitarren und Synthie-Sounds suchte in dieser Form zweifellos ihresgleichen und auf äußerst fruchtbaren Boden vor der Pain Stage.
Gegründet wurden THE UNGUIDED von ehemaligen SONIC SYNDICATE-Mitgliedern, was im Grunde vollkommen ausreichend ist, um die musikalische Stoßrichtung des Quintetts zu beschreiben. Von den Outfits über die Frisuren bis hin zur Musik war hier alles auf modern gebürstet und zog damit ein vergleichsweise junges Publikum an, das die Songs vom bisher einzigen THE UNGUIDED-Album „Hell Frost“ wohlwollend aufnahm. Die Mischung aus fiesen Ohrwurm-Melodien, Melodic Death-Riffing und einer Extraportion Metalcore-Attitüde machte deutlich, dass „poppig“ nicht unbedingt ein Schimpfwort sein muss. Die Band hielt die Energie auf einem konstant hohen Level und zeigte ein tightes Zusammenspiel ganz ohne Ecken und Kanten. Dass sie damit die Anhänger traditionellerer Klänge nicht hinter dem Ofen hervorlocken konnten, versteht sich von selbst. Dennoch machte die Band ihren Job gut und konnte mit ihrer Show einen Achtungserfolg für sich verbuchen.
Von der Mittagssonne begrüßt begaben sich die fünf Rheinberger von BETONTOD auf die Pain Stage um den Besuchern mit einer gehörigen Portion deutschsprachigem Punk die Müdigkeit aus den Knochen zu treiben. Die treuen Fans, die man sich in über 20 Jahren Bandgeschichte erspielt hat, füllten tapfer die ersten Reihen, während sich sonst nur wenige aufraffen konnten sich zu dieser Uhrzeit schon der wilden Pogo-Party hinzugeben. Der Laune von BETONTOD konnte das aber nichts anhaben, Frontmann Meister und Kollegen enterten pünktlich um zehn nach Zwölf nach einem kurzen Intro die Bühne und begrüßten ihr Publikum freudig, bevor es dann mit „Schwarzes Blut“ in die Vollen ging. Die Reibeisenstimme, die klassichen Punkriffs und die eingängigen Refrains kamen gut an, man gab sowohl Klassiker wie „Viva Punk“ als auch einige Tracks vom neusten Werk „Antirockstars“ zum Besten. Nach und nach wurde der Platz vor der Bühne dann auch immer voller, und spätestens nach der Hälfte des Sets wurde hier doch noch sehr ordentlich abgefeiert. Als der beliebte Feuerwehrschlauch zum Einsatz kam wurde der Aufforderung zu mehr Bewegung dann auch gerne nachgekommen. Gitarrist Eule kam bei so viel Rennerei auch ganz schön ins Schwitzen, es wurde fleißig von Seite zu Seite gestürmt um die Fans zu animieren und Meister legte bei „Glück auf“ sogar eine Klettereinlage ein und dirigierte sein Publikum wie einen Chor, „Wir müssen aufhörn‘ weniger zu Trinken“ sang jeder so laut er konnte mit. Nach einer starken Show entließ man die Massen dann mit „Auf eine gute Zeit“, welches nochmals lautstark mit Chören begleitet wurde, in den heißen Nachmittag.
NIGHT IN GALES sind ein Urgestein der Summer Breeze Festivalgeschichte. Bereits 1999 und 2002 gab es Auftritte der Nordrhein-Westfalen. Nach längerer Pause sind die Herren nun endlich zurück und hatten mit „Five Scars“ ihr superbes neues Langeisen im Gepäck. Leider waren die Reihen über das gesamte Set nur lose gefüllt, was weniger an der Band lag, sondern an der brütenden Hitze auf dem Vorplatz der Main Stage. Die Jungs nahmen es aber gelassen und hatten trotzdem mächtig Spielfreude im Gepäck. Ganz besonders bei Sänger Björn Goosses und Basser Tobias Bruchmann war zu spüren, dass man sich auf den Brettern wieder richtig zuhause fühlte. Getrieben von Schlagzeuger Adriano Ricci, der heute wie ein Uhrwerk funktionierte, schob man einen Hit nach dem anderen ins Publikum. Auch wenn die Band sicherlich etwas mehr Zuspruch vor der Bühne verdient hätte, war es ein starker, überzeugender Auftritt. Bleibt zu hoffen, dass sich die Herren nicht wieder so lange rar machen und zügig mit neuem Material und weiteren Live-Auftritten begeistern.