Während WARMEN die T-Stage melodisch eröffnete, zogen NASTY auf der Main Stage alle brachialen Register. Ehrengast war heute die Sonne, die uns einen prachtvollen Sommertag bescherte. Baden statt BREEZE? Zumindest für einige war es das morgendliche Motto, denn in Gesprächen mit Festivalleuten haben wir gestern erfahren, dass sie heute früh zum Freibad in Dinkelsbühl fahren wollten – erfrischende Dusche im Großformat quasi. Alles richtig gemacht!
Wir begleiteten metal.de-Kolleg*innen, die mit SKÁLMÖLD auf fannahe Tour gingen. Die Gruppe wollte bei ihrer Tuchfühlung mit Fans der Isländer ins Gespräch kommen, Fotos machen und Bier trinken. Doch es schien, als wären die SKÁLMÖLD-Shirts nach der gut besuchten Autogrammstunde erst mal gen Camp getingelt. So dauerte es eine Weile, bis wir passende Kandidat*innen gefunden haben – letztlich eine sehr coole und absolut gelungene Aktion.
Apropos metal.de: Am Stand hörten wir die inspirierende Geschichte einer Dame, die im Rollstuhl sitzt. Als Signing-Session-Dauergästin hat sie das Team längst ins Herz geschlossen. Sie erzählte uns von ihrem eigenen Circlepit, bei dem sie sich mit ihrem Rollstuhl im Kreis gedreht hat. Vorbildlich!
Interaktionen mit dem Publikum sind wichtig. Das lernt jede Band aus der gemeinhin bekannten Fibel „Das umfassende Bühnen-Einmaleins“ und in der Schule des Rock’n’Roll. Die Darkrocker MONO INC. hatten diese Notwendigkeit gleich in einen Song gepresst, der die Fans nicht nur zum Mitsingen animierte, sondern gleich aufforderte, den Gesang ganz zu übernehmen: „Sing For Me“, hieß es da in endlosen Wiederholungen, wobei sich der eine oder andere unbeteiligte Festivalgänger fragte, warum Sänger Martin Engler dann doch nicht loslassen konnte und weitersang.
Schnell weiter zu LEGION OF THE DAMNED, die traditionell ihre Fans selbstbestimmt machen lassen: Da wurden auch heute wieder die Fäuste gereckt und die Matten geschüttelt – und der Pit in Bewegung gesetzt. Nochmal Interaktionen: Der Auftritt von SOEN später auf der T-Stage animierte viele Fans zu Liebesbekundungen. Mit Superlativen sollte man ja vorsichtig sein, aber da standen schon verdammt viele Pärchen vor der Bühne, die sich liebkosten, verträumt und eng umschlungen tanzten oder einfach knutschten.
Stichwort „Kuscheln“ – oder besser nicht. Denn das Wetter meinte es mit dem Festival am Freitag besonders gut. Da brannte die Sonne nonstop vom Himmel und sorgte bei Temperaturen jenseits der 30 Grad bei den meisten Besuchern für ein Schweißbad der Gefühle. Es heißt zwar, dass Trinken hilft, aber dann doch bitte nicht nur Hopfenschorle: Da verband sich abends bei dem einen und anderen Fan ein leerer Blick mit einem vollmundigen Geruch, der nach einer extralangen Duschzeremonie verlangte.
Apropos Dusche: Nicht nur an ausgewiesenen Stellen gab es auf dem gesamten Infield Brausen, wo sich die Besucher eine kurze Abkühlung abholen konnten. Auch die Secus vor den Bühnen wurden wieder mit Feuerwehrschläuchen ausgestattet, die sie bei den Gigs immer mal wieder in die Menge hielten. Und mittlerweile ist es ja sowieso Usus, dass manche Zuschauer Pflanzenspritzen und Zerstäuber mitbringen und so bei ihren Metal-Mitstreitern für eine unerwartete und kurze Erfrischung sorgen. Es soll an dieser Stelle mal gesagt werden: Das ist schon ein ganz starker Beitrag im Dienste der Menschlichkeit. Duschen aber auch *zwinkerzwinker*.
Bei BEYOND THE BLACK pafften die Feuersäulen ansehnliche Rauchringe in den blauen Himmel. Generell verschoss das Trio aus den erwähnten Symphonic-Metaller*innen, POWERWOLF und ELUVEITIE extrem viel Pyro, um den Wettergött*innen zu verklickern, dass wir es weiterhin gern warm hätten.
Frage: Was will man nach einem DYING-FETUS-Gig? In Ruhe runterkommen. Durchatmen. Sich entstauben. Dafür startete unmittelbar nach dem Auftritt ein 80s-Hit vom Band, den alle entspannt mitsingen konnten: KOOL & THE GANG zelebrierten „Celebration“.
Und wir zelebrierten das vierte Fünftel unseres liebsten Sommerfestivals im Jahr 2023. Wo bitte sind die ersten dreieinhalb Tage hin? Ein Effekt, der sich oft einstellt, wenn wir sehr schöne Dinge tun, oder?
Aber es heißt auch, dass wir uns besonders detailliert an gute und intensive Erlebnisse erinnern. In dem Sinne wünschen wir euch schon jetzt viel Spaß mit dem gedanklichen Recap, wenn ihr durch euer ganz persönliches SUMMER-BREEZE-Fotoalbum blättert.
Wer mittags vor der Main Stage plötzlich Schneetreiben sah, war keiner Fata Morgana aufgesessen: Die isländischen Viking/Folk-Metaller SKÁLMÖLD wollten lediglich die Songs ihres brandneuen Albums „Ýdalir“ stilecht in Szene setzen und haben ein paar Schneeschaum-Kanonen links und rechts der Bühne in Betrieb genommen. Und wer hat nicht den Eiswind gespürt, der beim einleitenden Riff des Openers „Gleipnir“ mitschwingt? Schließlich hat das Stück Gänsehautgarantie. Ansonsten war aber die Meute vor der Main Stage schnell auf Betriebstemperatur – nicht nur wegen der brütenden Hitze, sondern auch weil die sechs Musiker von der nordeuropäischen Insel das taten, was sie immer tun: Hooks und Melodien en masse vom Stapel lassen und eine Spielfreude an den Tag legen, die auf die Fans abfärbt. Auch neue Stücke, wie „Ratatoskur“ (das ist übrigens der Name eines Eichhörnchens aus der nordischen Mythologie) wurden begeistert aufgenommen, so dass das große Finale mit „Kvaðning“ von Band und Fans zelebriert wurde wie immer: Mit Double-Lead-Gitarren, einem im Stehen spielenden Drummer und bei allem einem fetten Grinsen im Gesicht.
Durchgeschwitzt am frühen Nachmittag. Sonne am Strahlen. Band am Schwitzen. Fronter Eddie, der Bühnenoutfit-technisch für langärmeliges Hemd und schwarze Hose im Edel-Look bekannt ist, bereute sicherlich heute kurz seinen Dresscode. Die ersten Drumschläge ertönten und es wurde ihm, aufgrund der Temperaturen, sehr heiß ums Herz. Heiß wurde es auch unten vor der Bühne, denn bereits nach zehn Minuten gab es gemeinschaftliches Schubsen mit nacktem Oberkörper im Pit. Mit „Paralyzed“ und „Erase“ wurde ordentlich das Gaspedal durchgetreten. IMMINENCE knackten die noch müden und in der Mittagshitze im eigenen Saft schmorenden Menschen vor der Bühne mit ihrem Sound aus saftigen Metalcore sowie soften, melodischen Parts inklusive Violinen-Spiel des Fronters. Hier wurde natürlich direkt in Frage gestellt, ob selbiges Instrument live von der Bühne säuselte oder aus der Konserve kam; seis drum. Fakt ist aber das Ausrufezeichen, welches IMMINENCE hinter ihren Main Stage-Auftritt am heutigen Tag packten. Alle durchgeschwitzt, aber alle happy!
Kurz bevor ORBIT CULTURE die T-Stage betraten, konnte man schon von Weitem hören, wie die Menge die Band herbeirief. So sorgte bereits das Intro für Jubelschreie. „North Star Of Nija“ machte den Anfang und brach nach einem stampfenden Einstieg in feinstes Death-Geballer aus. Der durch Groove-Elemente starke moderne Einschlag der Band sorgte für viel Dynamik im Publikum. Dieses zeigte sich von der Hitze unbeeindruckt und spiegelte ORBIT CULTURE die ihm entgegengebrachte Energie unter vollem Körpereinsatz zurück. Mit ihrer auf den Punkt gebrachten Balance zwischen Eingängigkeit und treibenden Parts gelang der Band ein Auftritt, der zu keiner Zeit an Momentum verlor und nach und nach auch die in Bewegung brachte, die nur mal zum Schauen gekommen waren. Mit zunehmendem Härtegrad der Stücke wurde es auch vor der Bühne wilder. Bis zum Rausschmeißer „Vultures Of North“ hatte sich die Situation zu einem kleinen Security-Stresstest entwickelt. Besser hätte der Release-Tag ihres neuen Albums „Descent“ für die Schweden kaum laufen können, denn es waren vor allem die neuen Tracks, die beim Auftritt auf dem SUMMER BREEZE am meisten überzeugten. Kurz vor Ende des Sets verrieten ORBIT CULTURE dann noch, was sie als Nächstes vorhatten: Ein Bier mit den Fans trinken.
In nur 30 Minuten Spielzeit so ziemlich alle Trademarks abzurufen, die der geneigte Konzertbesucher mit Hardcore/Crossover verbindet, das gelang Sammy Ciaramitaro, seines Zeichens Frontmann der kalifornischen Band DRAIN, in den warmen Nachmittagsstunden des Festivalfreitags. Wie aufgezogen huschte der Sänger ganz im Sinne eines Derwischs über die Bühne und schaffte es so relativ schnell, die anwesenden Zuschauer mitzunehmen. Selbst jene, die unter dem Dach der Wera Tool Rebel Stage Schutz vor der brennenden Hitze gesucht hatten, blickten auf und ließen sich von den knackigen Songs und dem flotten Fronter mitreißen. Die Tracks selbst bildeten dabei das komplette Spektrum zwischen Hardcore, Thrash Metal und immer wieder auch eine gehörige Note Punk ab. Das lockte nach hinten heraus auch die ersten Crowdsurfer über die Menge, die durch Ciaramitaro zusätzlich animiert wurden. Sein ganz besonderes Bonbon hob sich der verrückte Amerikaner allerdings für den letzten Song auf. „Sechs Securities werden doch wohl zu schaffen sein – kommt alle auf die Bühne“, so das mutige Statement. Wenige Sekunden später wurde die Bühne von ekstatischen Fans geflutet, sodass der Abschlusssong instrumental nur noch mit Schlagzeug beendet werden konnte.
Auch in diesem Jahr gab es wieder sogenannte Label Matinees auf der Party Stage und im Rahmen der Indie Recordings-Sause gaben sich auch die Norweger OBERST die Ehre. Ihr spezieller Mix irgendwo in der Schnittmenge von MASTODON, CONVERGE und viel KVELERTAK hätte jedenfalls wesentlich mehr Zuschauer verdient. Selbst bei den wenigen Anwesenden war allerdings nicht so ganz klar, ob nun die Band oder der Schatten, den die Bühne warf, der Hauptgrund für ihre Anwesenheit war. Die Band spielte tight zusammen, war aber optisch irgendwie widersprüchlich mit ihrem kurze Hosen-Freizeit-Loook; der Sänger mit blass-orangenem Hemd und der energisch performende Bassist in einer Art Country-Hemd. Bei „Goddess“ überraschten sie dann mit feinen zweistimmigen Gesangspassagen und mit „Chroma“ gabs eine exklusive Live-Weltpremiere eines neuen Songs, der wohl nächste Woche veröffentlicht wird. Zum Abschluss gabs mit „Fiends“ noch ein vehementes Abschiedsgeschenk von den veir Herren aus Oslo – danke dafür!
Mit ihrem Gründungsjahr 2014 waren die Hamburger ENDSEEKER in Bezug auf die sich zuvor in Deutschland auftürmende Welle an klassischen Schweden-Death-Metal-Bands beinahe schon etwas spät. Bis dahin hatte die Szene bereits einige starke Kapellen hervorgebracht und der Markt erschien nachfolgend durchaus etwas übersättigt. Das Quintett schaffte den Sprung schlussendlich trotzdem, und das vor allem, weil sie einfach in der Lage waren und sind, hervorragende Songs zu schreiben und sie auch live druckvoll zu präsentieren. Eine gute Handvoll davon präsentierten die Jungs auf der Wera Tool Rebel Stage und ließen dabei kaum Spielraum für Kompromisse. Tief, tiefer, am tiefsten gestimmte Gitarren, gepaart mit feinen melodischen Leads dominierten das von der Sonne aufgeheizte Umfeld. „Das macht ja richtig Spaß!“, tönte Sänger Lenny bereits nach zwei gespielten Tracks und ließ in instrumentalen Passagen immer wieder die Faust auf die Knie herabregnen. Schnörkellos hämmerten sich die Norddeutschen durch ihr Set. Bevor die Menge also richtig warm geworden war, beendete der Rausschmeißer „Possessed By The Flame“ den höllischen Abriss schon wieder. Für diese halbe Stunde hatten ENDSEEKER allerdings sichtlich Eindruck hinterlassen.
Der Auftritt von SOEN war die perfekte Gelegenheit, nach einem actionreichen Tag mit viel Sonne ein bisschen im Schatten der T-Stage durchzuschnaufen. Das sympathisch entspannte Quintett bot ein atmosphärisch dichtes Set mit vielen Midtempo-Stücken und auch der ein oder anderen Ballade. War der Zuschauerbereich vor der T-Stage bereits zu Beginn des Sets gut gefüllt, strömten nach dem ersten Song weitere Zuschauer herbei. SOEN sind beileibe keine Partyband sondern eher Vertreter der ernsteren Sorte und zudem absolute Virtuosen an ihren Instrumenten. Dennoch gelang es ihnen, mit Songs wie “Martyrs“ oder “Antagonist“ (bei dem auch ordentlich Feuer- und Nebelsäulen zum Einsatz kamen), die Menge zum Toben zu bringen. Der Sound war hervorragend, und Joel Ekelöf stimmlich wie immer brillant und in absoluter Bestform. Besser kann es auch auf CD kaum klingen. SOEN begeisterten die Menge außerdem mit der Info, dass dies zwar eines der letzten Konzerte ihrer aktuellen Tour wäre, am 1. September aber das neue Album “Memorial“ veröffentlicht wird, und es dazu dann direkt im Herbst eine Tour geben wird. Der äußerst kurzweilige Auftritt von sechzig Minuten war leider viel zu schnell vorbei und endete mit einer gefühlvollen Version von “Lotus“, bei der nicht wenige im Publikum mit geschlossenen Augen vor sich hinträumten und einfach den Moment genossen.
Mussten BEYOND THE BLACK beim Summer Breeze 2016 noch um die Mittagszeit ran, durften sie in diesem Jahr den Sundowner-Slot besetzen. Zu Beginn betrat Frontlady Jennifer Haben die Bühne in einem amazonisch anmutenden Schlachtenoutfit mit schwarz gefiederten Schulterpolstern. Dabei blieb es jedoch nicht, denn im Laufe mehrerer Kostümwechsel präsentierte sie auch ein rotes Abendkleid, ein Engelskostüm inklusive ausladender schwarzer Flügel und schließlich ein etwas knapperes schwarzes Kleidchen. Keine Frage also, dass die Sängerin zu jeder Zeit den visuellen Mittelpunkt des Geschehens bildete, egal ob sie zu Beginn zwei überdimensionierte Lichtschwerter oder später in bester Taiko-Manier die Trommelstöcke herumwirbeln ließ. Glücklicherweise war Jennifer Haben darüber hinaus aber auch eine herausragende Sängerin, denn optische Reize alleine könnten keine Metal-Show tragen. Die von Anfang bis Ende perfekt durchgestylte Show lebte vom Spannungsfeld zwischen unwiderstehlichen Ohrwurm-Melodien und fetten Gitarrensounds. Gelegentlich durfte Gitarrist Chris Hermsdörfer den Stücken mit seinen Growls zusätzliche Akzente verleihen. Die allumfassende Poppigkeit wurde dadurch aber nicht gefährdet, was den Erfolg von BEYOND THE BLACK bis weit in den Mainstream hinein erklären mochte. Heute galt es hingegen „nur“ vor einer eingefleischten Metal-Crowd zu bestehen, was der Band mit Bravour gelang. Bis weit ins Infield hinaus wurde zu Songs wie „Lost In Forever“ oder „In The Shadows“ mitgesungen und im Takt gewippt. Vom Punk mit der rosafarbenen Seifenblasen-Pistole bis zum orangebraunen T-Rex fand sich sogar eine illustre Crowdsurfer-Schar, die ab der Mitte des Sets um einen fetten Circle-Pit ergänzt wurde. Somit war es nicht nur der Ruß der eifrig genutzten Flammensäulen, sondern auch eine dicke Staubwolke, die am Ende über das Gelände wehte und von einer absolut perfekt in Szene gesetzten Show kündete.
Ein Traum: Erst Symphonic, dann Power Metal auf der Mainstage, Partymucke von den Ständen und parallel dazu zerkloppten DYING FETUS die Welt. Es ist immer wieder erstaunlich und in dem musikalischen Metier beispiellos, wie eingespielt die Band und insbesondere John Gallagher und Sean Beasley sind – die Dynamik des Gitarristen und Bassisten und ihre verschiedenen Growlfarben waren auch beim SUMMER BREEZE eine einzige Augen- und Ohrenweide. DYING FETUS brauchten auch keinen Backdrop, weil … sie DYING FETUS sind. Und so konnten sich die zahlreich Erschienenen vollends auf die songschreiberisch und livetechnisch perfekte Kombination aus runtergestimmter Brutalität, flinken Fingern und präzisen Drumsticks konzentrieren – Letzteres trotz augenschlitzscheiniger Kräutervernebelung. Was die Amerikaner auf der Bühne an Bewegung vermieden, eskalierte im Pit und drumherum umso mehr. Die Resonanz war enorm – vom letzten Konzertgast weit hinten bis zum Bart-Banger (ja, wirklich) ganz vorn. Gallagher quatschte für seine Verhältnisse wie ein Wasserfall: „We love you all“ ist so ein brachial-putziges Beispiel. Den letzten Song kündigte er mit „And you guys are the wrong ones to fuck with” an. Nein, du. Nein, du! Wilde Circlepits schließen den Kreis eines grandiosen Auftritts. „Stay fucking brutal.“ Aber sicher doch, John!
Wenn auf der Main-Stage ein Burgtor erscheint, das Fallgitter hochgezogen wird und Fackeln tragende Mönche hindurch schreiten, wenn auf den großen Monitoren ein nahezu lebensecht wirkender wildgewordener Werwolf die Mainstage von hinten überfällt und seine Schnauze über das Dach nach vorne schiebt, wenn es nach Weihrauch riecht und Kerzenlicht flackert – welche Stund‘ hat dann geschlagen? Richtig! Die von POWERWOLF! Es war wieder Zeit für eine Metalmesse auf dem SUMMER BREEZE, und die wurde entsprechend stimmungsvoll mit aufwändigem Bühnenbild und -zauber zelebriert. Gleich mit dem ersten Song “Faster Than The Flame“ ging es ordentlich zur Sache, und das Publikum, welches das Infield vor der Main Stage fast zur Gänze ausfüllte, ging mit. Zur Belohnung gab es gleich einmal ein beeindruckendes Feuerwerk, das gut und gerne der Eröffnung einer kleinen Kärwa gerecht geworden wäre. Es folgte die “Segnung“ der Metalgemeinde zu “Incense And Iron“ durch Sänger Attila. Der Auftritt war zudem gespickt mit allerlei Extras. So gab es zum Beispiel Konfettikanonen zu “Dancing With The Dead“ und eine Riege mit goldenen Masken angetaner “Nonnen“ zu “Demons Are A Girls Best Friend“ und “Resurrection By Erection“, zu dem auch noch Papierschlangen ins Publikum gefeuert wurde. Die POWERWOLF Signature-Ballade “Where The Wild Wolves Have Gone“, in der sich Sänger Attila stimmlich wieder in Bestform präsentierte, wurde stimmungsvoll unterlegt mit über die Bühne und die ersten Reihen wehendem Kunstschnee. Nach einem weiteren Feuerwerk zu “Fire And Forgive“ zeigten POWERWOLF Flagge – bei “Sanctified With Dynamite“ schwenkte Keyboarder Falk eine POWERWOLF-Flagge, aus deren oberen Ende Pyro spuckte wie aus einer überdimensionalen Wunderkerze. Damit näherte sich ein energiegeladenes Set seinem Ende, das seinen Höhepunkt in einem wunderschönen Abschlussfeuerwerk über der Main Stage fand, das dem Silvesterfeuerwerk einer mittelgroßen Kleinstadt alle Ehre gemacht hätte.
Viel Spaß, SIGNS OF THE SWARM, direkt nach DYING FETUS? Da lässt sich kein Blumentopf gewinnen, dachten wohl manche … und wurden dermaßen eines Besseren belehrt. Gefühlt war die gesamte Modern-Fraktion des SUMMER BREEZE an der Wera Tool Rebel Stage, die aus ihren unsichtbaren Nähten platzte. „Was ist denn hier los, was passiert denn hier?“, fragte jemand kurz vor dem ersten Ton, während vorn ein Mensch mit einem Warnhütchen, das eine Sonnenbrille trug, über Kopf und Gesicht wartete, dass die Amerikaner loslegen. SIGNS OF THE SWARM spielen Deathcore, der mehr stampft als frickelt – tatsächlich fühlte sich der gesamte Gig wie ein einziger monströser Breakdown an. Fronter David Simonich, stilecht mit einer dicken Goldkette, boxte und trat passend zu den musikalischen Akzenten permanent in die Luft. Neben ihm bewies Gitarrist Carl Schulz eine äußerst stabile Bang-Ausdauer und der Bass von Michael Cassese berührte beim tiefen Headbangen fast den Boden. „JUMP, JUMP, JUMP!“ Die Aufforderung stand Pate für den kollektiven Bewegungsdrang – am höchsten kam allerdings der rosafarbene Luftballon. Das war kein Konzertgig, das war eine fette Sause, bei der das Brachialbarometer explodierte. Und für alle, die sich immer noch fragen, was das war: „This is American Deathcore!“
Je näher der Auftritt rückte (und erst recht als das kurze Intro einsetzte) umso mehr stieg die Unruhe im Publikum. Die Massen sehnten den Showbeginn sehnsüchtig herbei und als die Band das Gaspedal mit dem Opener „Deep In The Willow“ dann direkt von null auf hundert voll durchtrat, explodierte die Crowd förmlich. Die hysterisch-hohen gebellten Vocals von Fronter Bryan Garris wurden aus hunderten Kehlen mitgeschmettert. Seine ultratight aufspielende Combo servierte einen straighten Metal-/Hardcore-Mix und flocht immer wieder, oft durch Subbässe unterstützte, gnadenlos-fiese Breakdowns ein. Die Jungs aus Kentucky haben sich über die zehn Jahre ihres Bestehens nicht umsonst einen Ruf als hervorragende Liveband erarbeitet und fuhren heute völlig verdient und souverän die Ernte ein: ein Publikum, das sie nach Strich und Faden abfeierte, ob nun mit imposanten Circlepits, Crowdsurfern oder kollektiver Headbang-Extase. In Sachen Bewegungsfreude schenkte man sich nichts – ob nun auf oder vor der Bühne – nur der Schlagzeuger saß die ganze Zeit nur rum. Und auch die Zukunft der Band ist rosig, was sie mit dem neuen Song „Everything Is Quiet Now“, der im letzten Drittel der Show präsentiert wurde, untermauerten. Mit „Permanent“ beendeten sie eine rastlose Show, die den Anwesenden noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Seit nunmehr über 20 Jahren geht das Schweizer Kollektiv ELUVEITIE seinen recht eigenwilligen Weg zwischen anfangs alpin folkig geprägtem Melodic Death Metal und inzwischen immer mehr Einflüssen aus moderneren Stilen wie Metal- und Hardcore. Dass dieses Konzept gleichsam besonders wie auch funktionabel erscheint, zeigt nicht allein das weiterhin proppenvolle Infield am Freitagabend, nachdem POWERWOLF zuvor schon ordentlich abgeräumt hatten. Obwohl es im Vorfeld zu allerlei Feuerwerken im Headlinerset kam, war die Bühnenpräsenz der Schweizer nicht weniger imposant. Das lag zunächst einmal an den vielen genrefremden Instrumenten und deren Bediener wie zum Beispiel Annie Riedinger und ihrer Drehleier. Am Mikrophon wechselten sich Chrigel Glanzmann für den harschen, männlichen Part und Fabienne Erni entsprechend ab und konnten somit auch Stimmungen hervorragend ineinander überleiten. Viele Songs des Sets stammten vom aktuellen Album „Ategnatos“, das trotz des Weggangs dreier Bandmitglieder ein hohes Maß an Abwechslungsreichtum bereithält. Ob Hits wie „Breathe“ oder „Deathwalker“ – ELUVEITIE hatten die immer noch feierwütige Menge im Griff – ob Crowdsurfer, kollektives Springen oder das Mitsingen kerniger Textpassagen. Folglich vergingen die 70 Minuten wie im Flug, wobei sich die Band den vielleicht markigsten Rausschmeißer mit „Inis Mona“ bis zum Schluss aufhoben. Noch ein letztes Mal kitzelten Chrigel & Co die verbleibende Energie der Fans heraus, bis die letzten Flötenmelodien verklangen.
Bereits das Intro der portugiesischen Black-Metal-Institution GAEREA versprühte einen unheimlichen Vibe. Einzeln betraten die Bandmitglieder die Bühne, ihre Gesichter verhüllt, und flößten dem SUMMER-BREEZE-Publikum ein Gefühl irgendwo zwischen Furcht und Ehrfurcht ein. Vor allem ihr Fronter – sein Name kein Geheimnis, doch seine Kunstfigur namenlos – hätte mit seiner Präsenz eine Bühne jeder Größe einnehmen können. Mit „Mantle“ stiegen GAEREA mit einem sehr starken Track in ihr Set ein und legten direkt im Anschluss das noch stärkere „Salve“ nach. Beide Stücke stammen vom aktuellen Album „Mirage“, das an diesem Abend die Setlist dominierte. Die von Beginn an beeindruckende Performance der Band wurde kontinuierlich intensiver. Obwohl dabei alle Mitglieder unter vollem Einsatz sowohl musikalisch als auch körperlich ein Feuerwerk abfackelten, fiel es schwer, die Augen vom Fronter und damit der Galionsfigur der ‚Vortex Society‘ abzuwenden. Seine Performance einen Ausdruckstanz zu nennen, könnte falsche Assoziationen wecken, doch ein Ausdruck unmenschlicher Qualen und gleichzeitiger Verführung war sie allemal. Ein Kommentar aus dem Publikum, „mehr Tänzer als Sänger“ traf es nur halb, denn auch die gutturalen Vocals und Schreie saßen auf den Punkt und zogen die Fans hinab in einen Abgrund. Heraus kam dabei am Ende ein Gefühl der Katharsis. Mit „Laude“ und dem das Publikum einschließenden Band-Motto ‚We are GAEREA‘ nahm das Set ein Gänsehaut erzeugendes Ende.
Hatten SKÁLMÖLD heute Morgen noch Schneeschaum verwendet, verwandelte sich bei ABBATH die Bühne durch den Einsatz von Kunstnebel und Ventilatoren in eine Winterlandschaft. Dabei waberten die Nebelschwaden allerdings so dicht über die Stage, dass man den kauzigen Norweger und seine Truppe kaum erahnen konnte. Also stand erst einmal die Musik im Mittelpunkt: „To War!“ und „Dream Cull“ sind ja auch schmissige Songs, die beim Publikum für Bewegung in der Nackenmuskulatur sorgten. Lediglich der Sound musste ein wenig nachjustiert werden, bis er perfekt saß. Als sich dann der Nebel ein wenig lichtete, zeigte der ikonisch geschminkte ABBATH all seine Entertainer-Qualitäten – seien es die zackig-schnell gesprochenen Ansagen („SUMMER BREEZE, all right?“) oder Zungenspielereien in bester KISS-Manier. Und als Gitarrist Ole André Farstad ein Solo spielte, ging der Frontmann am Bühnenrand in die Hocke und klatschte dem Publikum anfeuernd zu. Das ließ sich mit dem Jubel nicht zweimal bitten. Erst recht nicht, als ABBATH den nächsten Song mit „This one is old, but not too old“ ankündigte: Stücke von seiner ehemaligen Band IMMORTAL kommen ja traditionell gut an, und wenn es nach den Reaktionen der Fans gegangen wäre, hätten es neben „One By One“ ruhig noch weitere alte Schätzchen sein können. Dafür bot der hünenhafte Frontmann mit einer Feuerspuck-Einlage sogar Black Metal-Flair der ganz alten Schule. Somit verband der einstündige Auftritt Musik, Unterhaltung und das Pfeifen des Winterwindes auf äußerst kurzweilige Weise.
„Sackspät“ war es tatsächlich, als LONG DISTANCE CALLING die Bühne betraten und von der ersten Sekunde an einen besonders dichten Atmosphäreteppich zu weben begannen. Nach den opulenten Hauptbühnenshows von BEYOND THE BLACK, POWERWOLF und ELUVEITIE, bildeten die Instrumental-Progger zum Tagesabschluss ein regelrechtes Kontrastprogramm. Späte Stunde hin, kaum Schlaf in der Nacht davor her, die Band genoss den Auftritt sichtlich und zeigte sich Spielfreudig wie immer. Der betont minimalistische Ansatz rückte die Musik selbst in den Mittelpunkt und ließ alles schmückende Beiwerk überflüssig erscheinen. So schufen LONG DISTANCE CALLING ganz ohne affektierte Maskierung, mystisch aufgeladene Deko-Elemente oder anderen Mummenschanz eine umso einnehmendere Stimmung. Obwohl die meisten Passagen eher zum Träumen einluden, fanden sich zwischendurch doch genug harte Riff-Attacken, die von der begeisterten Publikumsschar mit eifrigem Headbanging goutiert wurde. Die Grabenschlampen erlebten hingegen einen angenehm ruhigen Tagesabschluss, denn das Bedürfnis nach Crowdsurfing-Action hatten die vorhergehenden Bands bereits vollumfänglich befriedigt. Stattdessen ließ sich die eifrig den Takt mitnickende Zuhörerschaft in einen nahezu tranceartigen Zustand versetzen, in dem die Musik von LONG DISTANCE CALLING die plastischsten Bilder in den Köpfen entstehen ließ – und das ganz ohne Gesang oder irgendwelche bewusstseinserweiternden Substanzen.