15.08.2024 – Der Tagesbericht

Guten Morgen SUMMER BREEZE! Das Wetter zeigte sich von der freundlichen Seite und gab die Stimmung für den Tag vor: Hauptsache gut! Wer sich dennoch mühsam aus den Buntkarierten falten musste, vielleicht weil das Workout im Moshpit gestern doch zu heftig oder das letzte Bier nicht mehr ganz so frisch war… nun, da gab es ein Angebot, das man einfach nicht ablehnen konnte: Also atmeten wir zu Beginn des Tages erstmal entspannt durch die Hose und starteten mit einer relaxten Runde Metal-Yoga an der Campsite Circus Stage. Sonnengruß, herabschauender Hund, Katze in Kuh und wie die Dehnungsübungen alle hießen. Da schallte nicht nur ein „Namaste“ über das Infield, sondern auch „Respect“ von PANTERA. M e t a l Yoga halt.

Währenddessen machten DUST BOLT ihren Namen alle Ehre und ließen ordentlich den Staub vor der T-Stage aufwirbeln. Sand reinigt bekanntlich den Magen und so drehte sich munter der Moshpit weiter während auf der Mainstage sich die langen Haarmähnen der Männer von DYNASTY kreisten.

Bei sorgfältiger Planung des Tages – beispielsweise durch die geniale SUMMER BREEZE-App – konnten wir uns unser ganz individuelles Tagesprogramm zurechtlegen. Einfach die Lieblingsband anklicken und sich den Ablauf als Zeitstrahl anzeigen lassen. Super praktisch! Dabei ergaben sich einige Abfolgen von ganz alleine: Erst THE BLACK DAHLIA MURDER auf der Main Stage, dann ABORTED auf der T-Stage gucken. TBDM-Sänger Brian Eschbach sah das offensichtlich ganz genauso: Er pickte sich kurzerhand einen Zuschauer mit einem ABORTED-T-Shirt heraus und forderte ihn auf, die Meute im Anschluss zum Gig der Belgier zu führen. Ist das cool oder cool?

Wobei vielleicht der eine oder andere ‚pretty in pink‘ gekleidete Fan bereits auf die fränkischen Frohnaturen J.B.O. wartete, die im Anschluss auf der Hauptbühne aufspielen sollten. Wir nahmen das von den „Verteidigern des Blödsinns“ skandierte „Geh mer halt zu Slayer“ wörtlich, kamen mit dieser Aufforderung aus naheliegenden Gründen aber auch nicht weit.

Egal, dann eben BLIND CHANNEL: Die finnischen Vertreter für den Eurovision Song Contest 2021 eiferten während ihres 45-minütigen Gigs wahlweise ELECTRIC CALLBOY, den BACKSTREET BOYS oder BRITNEY SPEARS nach. Allerdings hatten sie sich auch perfekt auf die Gepflogenheiten in Deutschland vorbereitet. „Singt mit, das ist eure Nationalhymne“, riefen sie da in die Meute und stimmten den Trinkklassiker „Sieben Tage lang“ an. Das stammte in dieser Version zwar von der holländischen Band BOTS, aber egal: Deventer oder Dinkelsbühl, Hauptsache Italien!

Um 17:40 Uhr gingen die sonnenbebrillten Blicke zur Main Stage. Zuletzt standen JINJER 2022 auf der T-Stage, heißt Dunkelheit, die Bühne lediglich in Schwarzlicht getaucht, Fronterin Tatiana Shmailyuk mit auffallend leuchtendem Neon-Make Up und -Klamotten. Ihre Auftritte leben immer von der Performance, der einnehmenden und schieren Stimmgewalt, aber können Sie auch tagsüber auf der großen Bühne funktionieren? Schweißgetränkt und noch immer schwer atmend konnten selbst die Grabenschlampen bestätigen: Yes, they did! Anders, aber überzeugend.

Während man nun also versuchte der nächste Hendl-Stufe mit geeignetem Nachcremen von Sonnenschutzmitteln entgegen zu wirken und man sich in der Menge nach Überlebensstrategien umschaute, fand man doch einige skurrile Sonnen-Vermeidungs-Methoden. Während vereinzelt weiterhin J.B.O.-reife Neon-pinke Borats und Luftschlangen als Körperschmuck dienten, sah man vielerorts Piratenhüte, die obligatorischen Dino-Anzüge (aka tragbaren Dino-Saunen), langärmlige UV-Oberteile und keine zwei Meter daneben den Bruder von Jon Snow in langem Ledermantel nebst Öko-Fellkragen, der wohl hoffte, dass der lang ersehnte Winter endlich kommt. Weiße Wanderer waren dann zwar weit und breit keine zu sehen, aber nachdem dann ein Paar mit einem seltsam glotzenden Plüsch-Baby im Arm den versehentlich gestreuten Blickkontakt erwiderte, schaute man lieber nochmal in den fast geleerten DARK TRANQUILLITY-Becher, ob da vielleicht mehr als nur Bier drin war.

Apropos mehr als Bier: Die Festival’sche Geruchsvielfalt war dieses Jahr um einen neuerdings wirklich sehr dominanten und durchaus legalen Geruch erweitert. Verbrannte Haare. Ja, wir haben alle Anderes im Sinn, aber wenn man sich spontan in einen Berserker verwandeln wollte (vielleicht für FEUERSCHWANZ, den Tag darauf), konnte man sich in der Händlermeile für die nächste Schlacht neu einkleiden und beim Walhalla Tattoo, bzw. Nordic Tattoo Studio ein BDSM-Bärchen oder wahlweise auch ein Vegvísir auf den Allerwertesten ballern oder aber – daher dann der im ersten Moment leicht Panik einflößende Geruch – ein Trinkhorn mit dem Namen seiner Angebeteten beschriften lassen. Fehlt eigentlich nur noch das Bizeps-betonte Muskeltraining und/oder die Opferung eines erlegten Tiers, was uns zu einem ausgestopften und auf Instagram bekannten Dachs nebst Besitzer bringt, der das Stage Diven an diesem Tag perfektioniert hat.

Zurück zum Sonnen-Thema: Knapp eine Stunde später rannte man kurzzeitig schon wieder im Schatten der T-Stage herum und wunderte sich noch darüber, dass die US-Deathcoreler BORN OF OSIRIS bei Tageslicht, so ganz ohne Epilepsie-triggerndes Strobo-Gewitter, auch ganz anders rüberkommen und das Ganze auch irgendwie ganz schön wild anmutet, wenn man gerade beim Vorbeilaufen an der Wera Tool Stage noch GUILT TRIPs Cover von „Davidian“ mitgesummt hat. Den donnerstäglichen Sonnenuntergang gönnte man sich dann zu BEHEMOTHs unchristlicher und gut gelaunter Messe, nebst fulminanter Feuershow, welche mitreißende Atmosphäre eigentlich nur durch den steten Wechsel von Nergals Kopfbedeckung und Seifenblasen im Publikum getoppt wurde. Dann wurde es temperaturtechnisch endlich angenehmer.

Temperatur hin oder her: MADBALL-Sänger Freddy Cricien hopste wie ein raketengetriebener Flummi über die Bühne. Oder aber wie ein Madball – womit auch endlich geklärt wäre, wofür der Bandname wirklich steht. Ansonsten hatte der langmattige Frontmann so seine eigenen Methoden, um das Publikum dazu zu animieren, es ihm gleichzutun: „Und ihr da hinten trinkt Champagner, oder was“, neckte er die hinteren Reihen, die nicht ganz so aktiv mitmachten. „Hier in der ersten Reihe trinkt man Bier!“ Immerhin konnte er einigen Crowdsurfern etwas abgewinnen, die nach dem Ende des Songs noch in der Luft schwebten: „Diving in the sky even when there’s no fucking music, that’s the spirit!“

Weiter ging’s auf der Main Stage, wo die ARCHITECTS für ihren Headliner-Gig ganze Arbeit geleistet hatten. Jedenfalls schienen die Jungs für die Bühnenaufbauten nicht bloß Bob den Baumeister engagiert zu haben. Womit wir wie auf’s Stichwort bei einem anderen Thema wären: Die Gargoyles an den Bühnenseiten waren zurück! Und nicht nur abends mit der mystischen Beleuchtung sahen sie doch wohl absolut fantastisch aus, oder?

Wir flanierten weiter über den heiligen Festivalgrund von Sinbronn, nahmen die okkultistische Weltreise von ROTTING CHRIST mit, ließen uns vom gefühligen Post Black Metal von HERETOIR mitreißen und landeten schließlich vor der Main Stage und DARK TRANQUILLITY. Wie denn, wo denn, was denn? Hatten die nicht schon am Dienstag den Campsite Circus gerockt? Freunde, wenn wir schon bei solcherlei Aufzählungen angekommen sind, müssten wir ja auch die Autogrammstunde noch mit aufzählen. Und doppelt hält sowieso besser.

„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“, hieß es einst in Goethes Faust. Aber auch auf dem SUMMER BREEZE Open Air konnte solcherlei Entscheidungsqual zuschlagen: Also ging es erst zu den dänischen Melodic-Metalcore-Durchstartern SIAMESE, dann trieb der Old-School-Thrasher in uns instinktiv in Richtung Main Stage zu EXODUS. Dort wurde nach anfänglichen Technikproblemen und über halbstündiger Verzögerung noch einmal das Infield abgerissen: Noch einmal im Kreis rennen, noch einmal mitgrölen, noch einmal die Faust in die Höhe recken. Der Circle Pit wurde immer schneller und schneller … und schleuderte uns noch einmal vor die T-Stage: Dort sprachen NACHTBLUT zwar nicht das Nachtgebet, aber mit ihrem Dark Metal konnten wir uns trotzdem glücklich in die Heia verabschieden. Gute Nacht!

IGNEA (12:20, WTS)

Heiß, heißer, IGNEA! Während episch-sphärische Klänge ertönten, wehte gen Mittag eine ukrainische Flagge in den ersten Rauch-Schwaden der Wera Tool Rebel Stage. Zu dem bereits wartenden Publikum gesellte sich ziemlich schnell eingeheizte Laufkundschaft, die zuvor von DUST BOLT kräftig bedient wurde und dementsprechend lädiert Platz im Schatten suchte. Bereits nach wenigen Minuten wurde klar, dass IGNEA weitaus mehr als Standard-Melodic Metal zu bieten hatten: Symphonische Elemente, gepaart mit schweren Gitarrenriffs, fernöstlichen Instrumenten und Klängen und der atemberaubend starken Stimme von Helle Bohdanova, welche mühelos zwischen melodischen Gesangseinlagen und kraftvollen Growls wechselte. Während die Umgebungstemperatur stetig anstieg, verabschiedete sich mittendrin – neben dem Deo vom Nachbar – der bandeigene Laptop, was kurzerhand und erstaunlich professionell mit „Es ist wirklich heiß – und IGNEA bedeutet übersetzt ja ‚feurig‘, also ist es auf der Bühne natürlich NOCH heißer!“ und einer kleinen Solo-Einlage vom Schlagzeug überbrückt wurde. Hingucker waren während des halbstündigen Sets neben der kleinen Stimmgewalt definitiv auch die fancy Sonnenbrillen und zusätzlich zu den handelsüblichen Klampfen die Nutzung der bunten Keytar, deren musikalischer Einsatz mindestens genauso zuträglich war, wie die Tatsache, dass sich während des Sets keine Haare darin verfangen haben. Für’s erste Mal ein rundum gelungener Auftritt, der Lust auf mehr macht. „We waited quite a while to come here!“ Es hat sich so sehr gelohnt!

METAL YOGA (12:30, CC)

In der hitzigen Mittagssonne hieß es heute an der Campsite Circus Stage aufs neue: „Namaste“ und lockerer Sonnengruß gen Osten. Während andere Festivals mit Mottos wie „Erst Laufen dann Saufen“ an die sportliche Ertüchtigung erinnern, begannen die SUMMER BREEZE- Festivalbesucher/innen ihren Donnerstag eher tiefenentspannt. Trotz an sich unsportlicher Temperaturen hatte sich eine amtliche Menge Yoga-Fans vor der Bühne versammelt. Schnell die rosafarbene Matte ausgerollt und dann konnte es auch schon losgehen. Das Thema „Awareness“ ist für SUMMER BREEZE eine stetige Herzensangelegenheit und so startete die erste Übungseinheit mit weit in die Luft gestreckten Armen während „Respect“ von PANTERA ins Infield schallte. Es wurde sich in der Sonne lässig von „Katze in Kuh“ bis zum „herabschauenden Hund“ gebogen. Der ein oder andere nutzte die Atempause für den Hopfengenuss. Schluck aus der Dose statt Tiefenatmung in die Brust. Prioritäten sind eben auch beim Yoga sehr wichtig. Nach 60 min war das Sportprogramm geschafft und alle bestens vorgedehnt und auch mental frisch für den nächsten Moshpit.

THE NIGHT ETERNAL (13:45, WTS)

THE NIGHT ETERNAL trugen am Donnerstagnachmittag schwielige Kneipenatmosphäre unter das Dach der Wera Tool Rebel Stage. Mit ihrem staubigen und gleichsam erfrischenden Heavy
Metal mit 70er-Einflüssen und etwas Okkult-Faktor zwangen Sänger Ricardo und seine Mitstreiter die zahlreich anwesenden Zuschauer förmlich zum Mitspielen. Schließlich frästen sich Riffs,
Songstrukturen und Refrains unfassbar schnell in die Gehörgänge und die Band bereitete die Bühne für aktive Beteiligung. Spätestens beim Opener des ersten Albums „Elysion (Take Me Over)“ reckte das gesamte Publikum die Fäuste und trällerte die einprägsamen Chorus-Zeilen lautstark mit. Mit ihrer kompletten Präsenz brachten die Essener eine Intensität auf die kleine Bühne, die von den ersten Minuten an elektrisierte. Insbesondere Frontmann Ricardo schien vom Engagement der Menge sehr positiv angetan und hielt sich mit Ansagen bewusst zurück, um die komplette Stagetime mit Musik zu füllen. „Moonlit Cross“ zum Abschluss mit seinen Extremparts zum Ende hin bildete nochmals einen gelungenen Abschluss voller Energie. Eine Besucherin äußerte schließlich den lautstarken Wunsch, mit Ricardo eine Familie zu gründen. Irgendwo verständlich bei einem entsprechend treibenden Gig. Mit ihren beiden eingängigen Alben und der dazugehörigen Energieshow boten sich THE NIGHT ETERNAL zukünftig jedenfalls für mehr Spielzeit und vielleicht sogar eine größere Bühne an.

THE BABOON SHOW (13:50, MS)

Wer zu dieser Uhrzeit in sengender Hitze und bei knallender Sonne seinen Platz vor der Mainstage einnahm, war nicht zufällig hier. Vor imposantem Bandschriftzug auf der Videoleinwand bewegten sich Gitarrist, Bassistin und Drummer zum Intro schon fast ein wenig schüchtern an ihre jeweiligen Arbeitsplätze bevor dann auch die Sängerin Cecilia Boström nach vorn an die Bühnenkante preschte und die Show mit „Be A Baboon“ begann. Es dürfte gar keine so einfache Aufgabe für die Fotograf:innen-Schar im Graben gewesen sein die Lady im Bild einzufangen, denn mit ihrer rastlosen Art hat ihr Schrittzähler nach der Show das Tagessoll bestimmt locker erfüllt. Wie kann man bitte mit solch hohen Absätzen über die Bühne preschen, auf Boxen springen und in den Graben kraxeln? Andere hätten nach zwei Sekunden gebrochene Knöchel… Und der Einsatz der hart arbeitenden Band wurde weidlich belohnt, mit jedem Song wuchs die Masse vor der Main Stage an und es gab mehr Interaktion. Später im Set wurde noch kurz „Run To The Hills“ angestimmt und begeistert vom Publikum geschmettert, bevor Frau Boström sich für die Zielgerade der letzten beiden Songs extra nochmal kurz hinter dem Backdrop umzog und im hautengen Kleid und mit ellbogenlangen, roten Handschuhen für „Playing With Fire“ und dem Überhit „Radio Rebelde“ zurückzukehren. Was ein Energiebündel ist denn die Frau bitte? Völlig überzeugendes erstes – und hoffentlich nicht letztes – Gastspiel der Schweden!

PALEFACE swiss (14:20, TS)

PALEFACE Swiss lieferten beim SUMMER BREEZE am frühen Nachmittag einen denkwürdigen Auftritt ab, der das Publikum von der ersten Sekunde an mitriss. Noch bevor der erste Ton erklang, stimmte sich die Band hinter der Bühne mit ihrem Ritual „wir ficken das Summer Breeze“ ein. Genau das taten sie auch. Mit dem brachialen Opener „Please End Me“ schlugen
sie sofort in die Vollen, gefolgt von einem grandiosen Abriss bei „The Orphan“, der einen beachtlichen Circle Pit auslöste. Die T-Stage war bis an die Ränder prall gefüllt, und PALEFACE Swiss hatten das Publikum zu jeder Sekunde fest im Griff. Die Band war ultra agil auf der Bühne und lieferte Deathcore in Perfektion. Sänger Zelli mahnte die Menge, aufeinander aufzupassen, und begrüßte zugleich alle Neulinge in der „PALEFACE-Familie“. Währenddessen heizte die Band weiter ein und bewies, dass sie wahre Entertainer sind. Gegen Ende des Sets sorgte Basser Tommy für ein Highlight, als er sich crowdsurfend in die Menge begab, was den Fans zusätzliche Energie verlieh. Die Wall Of Death und die unzähligen Crowdsurfer hielten die Security im Graben ständig in Atem. Mit der Ankündigung einer Headliner-Tour im Frühjahr 2025 endete einer der besten Auftritte des Festivals. Nach dem Abriss von LORNA SHORE im vorletzten Jahr zeigte sich, dass PALEFACE Swiss in derselben Liga spielen. Ein Auftritt, der offene Münder zurückließ und Großes für die Zukunft erwarten lässt.

THE BLACK DAHLIA MURDER (15:00, MS)

Nachdem Gallionsfigur und Frontmann Trevor Strnad im Jahr 2022 starb, war es zunächst nicht ganz klar, wie es mit THE BLACK DAHLIA MURDER weitergehen sollte. Letztlich entschieden
sich die Jungs aus Detroit für eine minimalinvasive Lösung und rückten den ehemaligen Gitarristen Brian Eschbach eine Position weiter, der fortan die Rolle als Frontsau übernimmt. Dabei stellten die US-Amerikaner unter Beweis, dass dies sicherlich nicht die schlechteste Wahl war, denn sowohl optisch, als auch hinsichtlich seiner stimmlichen Fähigkeiten scheinen die Fußstapfen nicht zu groß. Von Beginn an stellten sowohl dieser als auch die Instrumentalfraktion auf Volldurchzug, während sich Drummer Alan Cassidy in Nullkommanichts in tiefsten Schweiß geprügelt hatte. Seit dem Jahr 2007 war die Band laut eigener Aussage nicht mehr auf dem Summer Breeze Open Air – wohl die Zeit des Durchbruchs mit dem Album „Nocturnal“. Schließlich wurden auch die Nummern dieser Scheibe wie „What A Horrible Night To Have A Curse“ oder „Everything Went Black“ am meisten abgefeiert. Ob es schließlich unbedingt notwendig war, dass eine als Gorilla verkleidete Person bei „Statutory Ape“ kurz die Stage kreuzte, sei mal dahingestellt – die Truppe aus Michigan ließ auch die Musik ausreichend für sich sprechen. Bei brennender Hitze vom Himmel und einer derart wuchtigen Show verbleiben selbstredend fast nur schwitzende Häupter.

MOON SHOT (15:10, WTS)

Ein pumpendes Gitarrenriff war der Vorbote des Sets von MOON SHOT auf der Wera Tool Rebel Stage. Fronter Ville erschien zum treibenden Rhythmus der Alternative-Rock-Supergroup in schwarzer, langer Kutte, die Kapuze zog er sich tief ins Gesicht. Die Band aus Helsinki kündigte bereits zu Beginn ihrer Show an, dass sie hier sind um das Publikum für einige Momente mit in eine andere Sphären zu entführen und alle Sorgen sollten kurz beiseite geschoben werden. Die charismatische Ausstrahlung und der satte Rocksound fanden direkte Zustimmung in der Menge. Die Hooklines der Band brachten selbst den Hitze-müdesten vor der Bühne zum Mitgrölen und Mitklatschen. Ob nun „The Power“ oder „Second Chance“, von Song zu Song holten MOON SHOT die Festivalbesucher mehr und mehr ab. Easy und locker an einem sonnigen Festivalnachmittag und mit ehrlicher Rock-Kante: Das Rezept der Band war absolut kein Schuss in den Ofen und es sollte einen nicht wundern, wenn die Finnen heute ihre Fanbase deutlich vergrößert haben.

J.B.O. (16:10, MS)

Wer ohne Plan und vielleicht sogar eher zufällig gegen 16 Uhr vor die Main Stage stiefelte, dürfte recht schnell geahnt haben, was als nächstes auf dem Programm stand. Das Bandtypische Magenta-Pink kündete die fränkischen Spaßkanonen u.a. über ein riesiges Backdrop, pink bezogene Gitarren- und Bassboxen und zum einleitenden „Im Verkehr“ direkt einen pinken Papierfontänen-Regen. Die überaus zahlreich und feierwütig vor der Bühne erschienenen Leute fraßen den Frontern Vito und Hannes vom Start weg aus der Hand und laut mehreren Zeugenaussagen waren die Fangesänge (nicht die Band!) zu „Heut ist ein guter Tag zum Sterben“ sogar vor der T-Stage noch klar und deutlich zu hören! Neu war – zumindest mir – die schicke Gitarre von Vito, deren Korpus aus dem Bandlogo bestand. Zwischen den gefeierten Hits „Alles nur geklaut“ und „Könige“ bezog Hannes dann auch noch deutlich Stellung: „Nazis braucht echt kein Mensch!“. Beim abschließenden „Ein Fest“ (nach „Go West“ von den Pet Shop Boys) entfaltete sich ein aufblasbarer Bandschriftzug zu imposanter Größe, so dass der Schlagzeuger wohl nicht mehr allzu viel vom Publikum gesehen haben dürfte. Klassischer, fränkischer Start-Ziel-Sieg nennt man das dann wohl!

BLIND CHANNEL (17:10, TS)

Von finnischer Zurückhaltung keine Spur: BLIND CHANNEL zerlegten die T-Stage nach allen Regeln der Kunst. Jedenfalls hatte die sechsköpfige Band mit ihrem „Violent Pop“ das richtige Rezept, um sowohl auf der Bühne ordentlich Alarm zu machen als auch das Publikum ins Tanzen und Eskalieren zu bringen: mit viel Synthiegezirpe, modernen Nu-Metal-Gitarren, harten Raps und immer wieder poppigen Refrains. Da passte es gut, dass die ganz in Schwarz und Rot eingekleideten Jungs nicht nur „Everybody“ von den BACKSTREET BOYS coverten, sondern gleich deren synchrone Posen adaptierten. Aber auch mit eigenen Songs vom Schlage „XOXO“, „Wolves Of California“ und „Balboa“ brachten die ESC-Teilnehmer von 2021 die Menge in Wallung – nicht zuletzt mit eingebauten Singalongs. Zum Abschluss ertönte der BRITNEY-SPEARS-Klassiker „One More Time“ (in der Version von TENACIOUS D.) aus der Konserve, und genau das sollte sich doch auf einer der kommenden Ausgaben des SUMMER BREEZE einrichten lassen: Spielt noch einmal, Wiederkommen erwünscht!

JINJER (17:40, MS)

Wer die Running Order nicht im Blick hatte, für den waren die im Publikum wehenden ukrainischen Flaggen ein guter Hinweis, dass JINJER gleich die Main Stage betreten würden. Das zahlreich erschienene Publikum empfing die vier Ukrainer mit frenetischem Beifall, und direkt mit dem ersten Song „Just Another“ machte sich der erste Crowdsurfer auf den Weg zu den Grabenschlampen – was einen bis zum Schluss des Auftritts nicht abreißen wollenden, breiten Strom an Crowdsurfern eröffnen sollte. Die Band ging durch die Schnörkellosigkeit ihres Auftritts in der Größe der riesigen Main Stage fast ein bisschen verloren, und es war schnell klar, dass JINJER wenig von übermäßigen Publikumsinteraktionen halten. Stattdessen fiel der Fokus auf ihr finsteres, leidenschaftliches Set, dessen Mittelpunkt die Performance von Frontfrau Tatiana Shmailyuk bildete. Dies kam beim Publikum offensichtlich gut an, denn im letzten Drittel wurde die Band mit lauten JINJER-Rufen angefeuert, bevor sie zum Abschluss mit „Vortex“ nochmal alles aus sich und den Zuschauern herausholte.

HAND OF JUNO (18:00, CC)

Die musikalische Richtung von HAND OF JUNO zu beschreiben könnte eine abendfüllende Aufgabe sein. Bereits als sich das italienische Quartett aus drei Frauen und einem Mann für ihre anstehende Show richtete, fanden sich einige Zuschauer im Schattenwurf der Campsite Stage ein. Als dann aber die ersten Klänge der Truppe ertönten, änderte sich diese Zweckmäßigkeit schlagartig und das Publikum schien angefixt. Schließlich gab es viel zu entdecken. Industrial Metal, Elektro-Einschlag, ein bisschen Wave und nach hinten heraus sogar wildes Geprügel, das beinahe an Noise erinnern mochte. So wechselten sich Stimmungen im Minutentakt und auch Frontfrau Melissa Bruschi wusste die unterschiedlichen Szenen passend zu untermalen. Bei dem tanzbaren Wave-Stück „Destroy The Line“ kam merklich Bewegung in den Kessel, beim später folgenden „Psychotic Banana“ wurde es dann wild. Während sich die Zuschauer stilecht mit aufblasbarem Gelbobst duellierten, switchten HAND OF JUNO in diesem Song zwischen gemäßigtem Flow und chaotischem Ausbruch. Teilweise hatten die eingängigen und zumeist simplen Synthieklänge in Kombination mit wuchtigem Drumming und stampfenden Riffs auch etwas von RAMMSTEIN und animierten folglich wahlweise zum Headbangen oder Tanzbein schwingen. Nach Abschluss des letzten Stückes dauerte es jedenfalls nicht lange, bis die ersten Überzeugungstäter mit passendem Merchandise zu sehen waren. So trotzten die Südeuropäerinnen der stechenden Nachmittagshitze und machten Musik für düstere Clubs auch in gleißendem Licht salonfähig.

BEHEMOTH (19:10, MS)

Ein weißer Vorhang kündigte die schwarze Messe an. Leider war es noch sehr hell, sodass die Schattenspiele nicht gut funktionieren (konnten). Das himmlisch unheilvolle Intro vertröstete aber sofort und leitete uns in ein infernalisches Set voller fieser Leckerbissen, das mit „Once Upon A Pale Horse“ und „Ora Pro Nobis Lucifer“ vom Überalbum „The Satanist“ begann. BEHEMOTH haben längst ein Luxusproblem, denn die Hitliste ist lang. Soundcheck im Livebetrieb: Weit hinten, fast am metal.de-Stand, war er sehr gut – sah man auch am wilden Gebange der zwei am Bierstand. Ganz vorn links? Top! BEHEMOTH bewiesen erneut, dass sie die Meister des kommerziellen Geballers sind – und das ist völlig positiv gemeint! Zur fetten Produktion passten auch der Bühnenaufbau mit Podesten und die gigantischen Leinwände, auf der die Musiker immer wieder in Szene gesetzt wurden. „Sing with me Deutschland“, sagte Nergal. Oder „Feuer frei“, um ein erstes Pyromassaker einzuleiten. „We are BEHEMOTH from Poland and this is ‚Conquer All‘” – die gewohnte Gesprächsoffenheit des Fronters ist ein weiteres Merkmal, das die Polen trotz blasphemischem Extreme Metal stark von anderen Bands dieser Spielwiese unterscheidet. Hier ist alles bestens durchgeplant: vom Showablauf inklusive verschiedenen Outfits bis hin zum 90er-Ausflug mit „Cursed Angel of Doom“ vom Album „Sventevith (Storming Near The Baltic)“ aus der reinen Black-Metal-Frühphase. Einen Pit und Crowdsurfer:innen sieht man bei dieser Musik auch nicht oft. Doch Bewegung fand nicht nur im zuschauenden Rund, sondern auch auf der Mainstage statt: Während der Gitarrist enthusiastisch am Drumkit bangte, malträtierte Inferno die Ride und zauberte dabei auch Bassist Orion ein zartes Lächeln auf die Lippen. Danach traf sich die Saitenfraktion zum Kollektivbangen am Bühnenrand. „O Father O Satan O Sun!“ beendete eine weitere Masterclass von BEHEMOTH, bei der nur die Tageszeit nicht passte.

JESUS PIECE (19:40, WTS)

Die Metalcore-Formation JESUS PIECE aus Philadelphia hatte das Glück, die Bühne zu betreten, als sich die drückende Tageshitze allmählich legte. Die anwesenden Fans waren größtenteils Kenner der Szene und wussten genau, warum sie da waren – sie erwarteten pure, ungefilterte Energie, und genau das bekamen sie. Nur wenige, die nicht mit der Band vertraut waren, verirrten sich vor das Rund. Dies zeigte sich auch in der beeindruckenden Textsicherheit des Publikums, das lautstark mitbrüllte. Frontmann Aaron Heard hatte von Beginn an leichtes Spiel. Seine
markanten Growls entfachten sofort den ersten Circle Pit. Bassist Alexander Cejas unterstützte ihn mit dreckigen Backing-Vocals, und gemeinsam erzeugten sie eine brachiale Atmosphäre. Mit voller Wucht und ungebremster Härte führte die Band durch ihr Set, wobei die Energie auf der Bühne unablässig auf die Menge überschwappte. Als Heard schließlich die Wall of Death forderte, war das Publikum in Hochstimmung. Die Menge teilte sich in zwei Hälften und stürzte sich auf sein Kommando hin mit voller Kraft aufeinander. Die treibenden Rhythmen und brutalen Basslinien hielten die Energie aufrecht, und als Heard die Crowd Surfer aufforderte, loszulegen, gab es kein Halten mehr. Eine Welle von Körpern setzte sich in Bewegung und schwappte über den Köpfen der Menge hinweg. JESUS PIECE bewiesen an diesem Abend eindrucksvoll, warum sie zur Speerspitze der Metalcore-Szene gehören. Diejenigen, die dabei waren, erlebten eine
Show, die noch lange nachhallen wird.

MADBALL (20:30, TS)

Dass bei MADBALL kein Schnickschnack wie beispielsweise ein langatmiges Intro zu erwarten war, war keine Überraschung. Die New Yorker Hardcore-Institution legte nach der kurzen Begrüßung „SUMMER BREEZE!“ einen dynamischen Start mit „HeavenHell“ hin. Fronter Freddy Cricien stand von diesem Moment an keinen Augenblick des Auftritts mehr still. Er fegte routiniert von links nach rechts und erweiterte seinen Radius schnell auf die Boxen vor der T-Stage, den Graben und im Verlauf des Sets auch das Infield. Dabei verzichtete er auf ein Funkmikro, zog das Kabel hinter sich her bis in die Menge und ließ sich von der Bühnencrew wie mit der Angel wieder einholen. Auch vor der Bühne sorgten MADBALL für reichlich Bewegung. Die Aufforderung „can we get that shit moving“ hätte es daher gar nicht gebraucht. Wenn es auf dem SUMMER BREEZE eine Band gab, bei der Karate in the Pit ausnahmsweise angebracht war, dann sicherlich MADBALL. Wie immer zeigten sich die Besucher:innen aber rücksichtsvoll und achteten auf Spaß für alle. Mit den hinteren Reihen war Freddy Cricien jedoch noch nicht ganz zufrieden. Diese forderte er wiederholt zum Mitmachen auf und provozierte dabei auch bewusst. Ob sie hinten denn Sekt trinken würden, fragte er und ergänzte, dass vorne Bier getrunken würde. Zudem forderte er „more bodies“, um auch den Grabenschlampen die Teilhabe zu ermöglichen. Das Publikum kam dem nach, und vor allem Stücke wie „Set It Off“ und „Across Your Face“ machten ordentlich Spaß.

ARCHITECTS (21:15, MS)

Die letzten Strahlen eines epischen Sonnenuntergangs verschwanden so langsam vom Himmel, und damit konnte die ganze Aufmerksamkeit dem Headliner gelten: ARCHITECTS aus Brighton standen auf der Main Stage, um die Menge in den nächsten anderthalb Stunden in Wallung zu bringen. Und es war voll, das mal vorweggenommen. Im Mittelpunkt der Bühne befand sich ein massiver Gerüstaufbau für die Band und eine riesige Videoleinwand, die das Set mit Videosequenzen untermalte. Das hatten die ARCHITECTS ihrem Bandnamen entsprechend geplant und umgesetzt. Da gingen Sound und Lichtshow eine beeindruckende Verbindung ein. Später gab es zudem immer wieder Pyros, die in den Nachhimmel schossen und dem Auftritt eine weitere Dimension verliehen. Sänger Sam Carter gab auf der Stage den Aktivposten und machte zwischen Songs vom Schlage „Seeing Red“, „Giving Blood“ und „Black Lungs“ immer wieder längere Ansagen. So sagte er, dass er eigentlich ja Bammel hätte, solch ein großes Festival zu headlinen, aber dank der Fans, euch … „Ihr lasst mich nicht daran denken!“ Währenddessen wurde er immer wieder von aufbrandenden ARCHITECTS-Sprechchören unterbrochen, was ihn sichtlich rührte. Aber der Auftritt bot nicht nur große Gefühle, sondern auch das ganz B O O M! Wie sonst sollte man die akustischen Bomben beschreiben, welche die Band soundtechnisch zündeten? Dabei freuten sich viele Fans der ersten Stunde über ältere Songs, wie „These Colours Don’t Run“ von 2012, das die Band noch wesentlich brachialer zeigte als die neueren Stücke. Fehlte noch was? Klar, denn solch ein Konzert, das nicht nur zum Zuhören einlud, brauchte einen ordentlichen Circle Pit. Das Problem war nur, dass die Wellenbrecher im Infield das ganz große Kreisen verhinderte, wie Carter feststellte. Daraufhin bildeten sich mehrere kleine Pits, die der Sänger durchzählte: „Sechs, sieben, da hinten ist noch ein achter.“ Zum Abschluss gab es mit „Animals“ nochmal einen echten Singalong-Track, bei dem die Fans ihre letzten Energien verschießen konnten. Was ein Ritt!

GREEN LUNG (21:35, WTS)

Der Autor dieser Zeilen hatte sich sehr auf EVIL INVADERS gefreut, weil der Speed Metal der Belgier so schön im Rückspiegel geschrieben ist. Wie passend also, dass sie nach der kurzfristigen Absage durch eine weitere Oldschool-Combo ersetzt wurden. GREEN LUNG gehen musikalisch zwar anders zu Werke, zelebrieren die alte Schule aber offenkundig. „We are the real Evil Invaders, we play …“, und dann zählte Sänger Tom Templar alles auf, was ihm zur eigenen Mucke einfiel. Am Ende ist es egal, wie viel Stoner Rock und Doom Metal in den Songs steckt, „this is Oldschool Heavy Metal“, fasste er treffend zusammen. Hat hier jemand etwas von einem undankbaren Slot gesagt? Obwohl ARCHITECTS auf der Main spielten, ist es an der Wera Tool Rebel Stage sehr gut gefüllt. Templar machte auch keinen Hehl daraus, was er von der Nachbargruppe hält. Die Anwesenden interessierten sich eh nur für GRREN LUNG, die vor einem coolen Backdrop und inmitten eines detailverliebten Bühnenbildes agierten. Man kann es nicht anders sagen: Es passte alles! Super Sound, großartige Resonanz, dynamisches Stageacting, BLACK-SABBATH-Momente, perfekte Stimmleistung, wie eine Eins sitzende Soli, eine Rassel am Keyboard – episch, wild und mitreißend. Selbst eine mutige Ballade trübte die Stimmung nicht, sondern rundete das Set gut ab. Zu Liedern wie „Let The Devil In“ vom Debüt und „Song Of The Stones“ sowie „Hunters In The Sky” vom aktuellen Album „This Heathen Land“ waren Beine, Arme, Köpfe und Mimik immer in Bewegung. Nur Drummer Matt Wiseman wirkte, als hätte er die chilligste Zeit seines Lebens – und vielleicht war das auch einfach so. „Hey, hey, hail Satan!“ Der okkulte, witchy Horrorcharme rundete alles wunderbar ab. Es gab sogar einen „Stoner-Rock-Circlepit“, auch wenn die Beteiligten etwas zu schnell für das Ultraheavy-Slowtempo-Riff waren. Hach, besser kann man diese Art von Musik instrumental, gesanglich, visuell und ästhetisch kaum auf die Bühne bringen. Also ja, der Autor dieser Zeilen hatte sich auf EVIL INVADERS gefreut – und war dann überaus dankbar, ein echtes Festivalhighlight sehen zu dürfen. Die letzten Worte gehören dem Fronter: „I want to see some foolish fucking decisions!”

ROTTING CHRIST (22:25, TS)

Die T-Stage war in blaues Licht gehüllt, als das geheimnisvoll-atmosphärische Intro von ROTTING CHRIST erklang. Nach dem Opener begrüßten die griechischen Black-Metal-Veteranen ihr Publikum auf Deutsch mit „Guten Abend SUMMER BREEZE!“. Dieses hatte sich zahlreich versammelt und die Band schon bei ihrem Auftritt jubelnd empfangen. Mit „Fire, God And Fear“ folgte bald das erste Highlight des Sets. „P’unchaw kachun- Tuta kachun“ prügelte schnell und hart weiter. Die beiden Tracks stammten wie viele weitere auf der Liste von den Alben „The Heretics“ und „Κατά τον δαίμονα εαυτού“, die an diesem Abend überdurchschnittlich stark vertreten waren. Vom aktuellen, erst im Mai 2024 veröffentlichten „Pro Xristou“ spielten ROTTING CHRIST dagegen nur „Like Father, Like Son“, was auffiel. Für sehr viel Atmosphäre und einen ritualistischen Touch sorgte die Band mit einigen eingesprengten Rezitationen, gerne mit Hall auf dem Mikro. Einen ähnlichen Effekt hatten die mehrstimmigen Chants, wie beispielsweise in „Apage Satana“. Wie bestellt lief just während dieses Songs ein Besucher im Jesus-Kostüm über den Platz. Er hatte sich die richtige Band ausgesucht. Die Pflichtsongs „Non Serviam“, „Grandis Spiritus Diavolos“ und die Rarität „Societas Satanas“ bildeten weitere Höhepunkte des Sets. Abseits der Songauswahl bewiesen ROTTING CHRIST besonders durch ihre Bühnenperformance ihre Stärken. Ob Synchron-Headbangen oder punktgenau abgelieferte Soli – die Gitarren- und Bassfraktion überzeugte. Fronter Sakis Tolis führte derweil als Zeremonienmeister durch die Show, die mit „The Raven“ stimmungsvoll zu Ende ging.

DARK TRANQUILLITY (23:25, MS)

Nachdem DARK TRANQUILLITY bereits am Dienstag ein Surprise-Set gespielt hatten, war es am Donnerstag Zeit für einen weiteren besonderen Auftritt. Das offiziell angekündigte Set der Band fand über Mitternacht statt und fiel damit zur Hälfte auf den Release-Tag des aktuellen Albums „Endtime Signals“. Die erste Hälfte widmeten DARK TRANQUILLITY den Klassikern und spielten Songs von Alben aus den Jahren 1999 („Projector“) bis 2016 („Atoma“). Mit einem oder maximal zwei Stücken pro Album lieferten sie einen guten Querschnitt aus der für sie prägenden Bandgeschichte. Die Highlights unter den Highlights waren dabei „Terminus (Where Death Is Most Alive)“, „ThereIn“ und „Atoma“. „Terminus“ widmete Fronter Mikael der Bandheimat Göteborg, die der Song behandelt. Wie immer war er durchgehend in Bewegung, nutzte die gesamte Bühnenbreite aus und animierte so auch die Fans vor den großen Leinwänden. Eine Besucherin fand für ihn den passenden Begriff „Flummi“. Auffällig war die immer wieder als Overlay auf den Screens erscheinende Sanduhr, die bereits einen Countdown andeutete. Nach einer Weile kündigten DARK TRANQUILLITY schließlich an, dass es zum Release nach Mitternacht erstmals ein Set zum neuen Album geben würde. Als es soweit war, verdunkelte sich die Bühne und erstrahlte im Anschluss im Artwork zu „Endtime Signals“. Von diesem folgten sechs weitere Stücke. „Shivers And Voids“, „Our Disconnect“ und „Neuronal Fire“ gab es sogar zum ersten Mal live zu hören. Mikael Stanne war sichtlich ergriffen von den Reaktionen des Publikums und konnte gar nicht mehr aufhören, diesem seine Liebe zu beteuern. Zum Abschluss forderte die Menge aber keinen neuen Song, sondern „Misery’s Crown“. Erfahren und routiniert wie sie sind, hatten DARK TRANQUILLITY das natürlich bereits eingeplant.

THE OCEAN (00:20, TS)

Die Berliner Band war schon fünf lange Jahre nicht mehr bei uns auf dem SUMMER BREEZE zu Gast, wenn man aber die Anwesenden vor der T-Stage als Indikator hernimmt, sind sie wohl in bester Erinnerung geblieben. Mit dem leicht Trip-Hop-artigen „Preboreal“ starteten THE OCEAN ruhig, fast verhalten in ihr Set. Zu Anfang dominierte auch ruhig eingesetztes rötlich-orangenes Licht bis dann nach drei Vierteln des Tracks plötzlich wuchtig und kraftvoll ein Break reinkrachte, das Licht auf weiß switchte und die Band mit Vollgas in den Brachialgang schaltete. Schon der Aufbau war enorm spartanisch, keine Boxen neben dem Drumriser, keine Aufsteller, kein Backdrop, keine Projektionen (mit denen die Band ja früher gearbeitet hat) und schon gar keine Pyros. Denn wo andere Bands massig KrachBumm brauchen um Zäsuren zu setzen und Wucht zu erzeugen, agieren THE OCEAN mit kontrastreichen Parts und perfekt getakteten Lichtarrangements. Sänger Loic Rossetti ist aber auch ein Ausnahmefronter; und zwar sowohl wegen seiner stimmlichen Qualitäten (perfekter Klargesang und furchteinflößendem Brachialgesang) als auch mit seiner Agilität und Präsenz. Auf der Bühne wiegte er sich oft Trance-meets-Yoga-artig zu den Klängen seiner Bandkollegen und sehr oft suchte er auch den direkten Kontakt zum Publikum, sprang in den Graben und auf die Absperrung. Und nochmal zurück zum Gesang, an dem beteiligte sich auch Band-Mastermind Robin Staps und unterstützte bei den melodischen Passagen mit perfekten zweiten Stimmen und übernahm auch immer wieder gegrowlte Brachialpassagen. Der Schluss von „Pleistocene“ gipfelte dann in einem regelrechten Strobo-Blastbeat-Massaker. Mit dem überragenden „Jurrasic I Cretaceous“ beendete die Band einen grandiosen Auftritt.

EXODUS (01:00, MS)

Mit 30-minütiger Verspätung und der langen Schlange nach zu Urteilen einer kleinen Handbrot-Pause betrat die legendäre Thrash Metal-Band EXODUS die Main Stage und sorgte für einen unvergesslichen Ausklang des Tages. Bereits als die ersten Klänge von „Bonded By Blood“ ertönten, war die übrig gebliebene Menge lauthals am Feiern und die Band, die seit den frühen 80er Jahren die Metal-Szene prägt, zeigte sich in Topform, wenngleich sich die Reihen nach diesem langen und anstrengenden Tag spürbar lichteten.
Frontmann Steve „Zetro“ Souza, bekannt für seine energiegeladene Bühnenpräsenz, zeigte sich gut gelaunt und gesprächig, während er das Publikum immer wieder zum Mitgrölen und Headbangen animierte. Bereits das vierte oder fünfte Mal seien EXODUS jetzt auf dem schönsten Acker Frankens, da der letzte Besuch aber schon eine Weile her sei (es war immerhin 2016), müsste nun das Publikum dafür sorgen, dass insbesondere „fuckin‘ Gary Holt“ sich wieder an dieses Festival erinnert, so Zetro. Und man tat natürlich gerne, wie befohlen. Besonders begeistert wurde die Darbietung von „Deathamphetamine“ und später im Set auch „Toxic Waltz“ aufgenommen, bei der das Publikum zu einem einzigen Moshpit verschmolz, abgesehen von den wenigen sitzenden Zuschauern hinten auf dem Feld. „A Lesson in Violence“ war mit Lichtshow und pyrotechnischen Effekten weitaus mehr als ein nur musikalisch beeindruckendes Erlebnis und die Legenden an den Gitarren Gary Holt und Lee Altus ließen sich nicht lange bitten, wetteiferten mit ihren Soli, während Tom Hunting am Schlagzeug und Jack Gibson am Bass einen Klassiker nach dem Anderen zum Besten gaben. Trotz Verspätung verabschiedeten sich EXODUS knapp eine Stunde später mit Dank, Applaus und einem „Heavy Metal forever!“

SIAMESE (01:25, WTS)

Der Tag war lang, anstrengend und heiß, die Uhrzeit spät, die Besucher des SUMMER BREEZE müde – dennoch war der Bereich vor der Wera Tool Rebel Stage schon vor Beginn des Auftritts der Dänen von SIAMESE mehr als gut gefüllt. Eine Art summende Erwartung lag in der Luft, die sich mit einem Paukenschlag entlud, als das Quintett kraftvoll mit seinem Set loslegte. “We are Siamese from Kopenhagen, welcome to the Party!“ begrüßte Sänger Mirza Radonjica die versammelten Zuschauer freudestrahlend nach zwei Songs, musste dann jedoch erst einmal durchschnaufen. “I’m gonna tell you something about our album and that is, that I am an old man and need a breather“. Nach ein paar Mal tief Luft holen gab es dann die Ansage zum nächsten Song “Chemistry“ vom aktuellen Album “Elements“ für die Menge. Hierfür tauschte Gitarrist Christian Hjort Lauritzen seine Klampfe gegen eine E-Violine ein, was den Sound zusätzlich veredelte. Mit “This Is Not A Song“ folgte eine fachgerechte Einweisung in die korrekte Art, einen Moshpit anzugehen. Das setzten die Zuschauer natürlich auch sofort um, und die halbe Fläche vor der Wera Tool Rebel Stage verwandelte sich in einen riesigen Moshpit. Zum Abschluss wurde es etwas ruhiger mit dem nachdenklichen “Ocean Bed“, mit dem SIAMESE ihre ausgepowerten Fans eine erholsame Nacht wünschten.