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- Summer Breeze 2016
- Donnerstag, 18.08.2016
- Freitag, 19.08.2016
- Samstag, 20.08.2016
Die Wolken hängen tief über dem Sinbronner Flugplatzgelände und ein heftiger Regenschauer ergießt sich über den Festivalbesuchern. Die denken jedoch nicht im Traum daran, sich von ein bisschen (oder eher: ganz schön viel) Wasser daran hindern zu lassen, die legendären Industrial-Thrasher FEAR FACTORY aus Los Angeles endlich wieder auf dem SUMMER BREEZE zu begrüßen. Vom Bühnendach stürzt eine Wasserwand und landet unmittelbar vor den Monitorboxen, als die Truppe um das kreative Duo Burton C. Bell und Dino Cazares die Bühne entert und mit „Demanufacture“ direkt einen Klassiker vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 1995 raushaut. Damit werden die Goldstücke der früheren Dekaden aber keinesfalls wieder weggepackt! FEAR FACTORY lassen es krachen und schieben direkt den Nackenbrecher „What Will Become“ von „Digimortal“ hinterher und spätestens nach „Shock“ und „Edgecrusher“ von „Obsolete“ überlegt sich auch der Regen, ob er nicht doch besser vor FEAR FACTORY fliehen sollte. Trotz durchnässter Kleidung und kühlem Wind, schafft es keiner sich von der Pain Stage zu entfernen. Nach all den Klassikern soll auch das aktuelle Album „Genexus“ nicht zu kurz kommen und so feuern die Amis „Soul Hacker“ und „Regenerate“ in die tobende Fanmenge, die die „Angstfabrik“ zu Tausenden bis hin zum Technikturm feiert. Mit „Martyr“ wird dem Debüt „Soul Of A New Machine“ nochmals gehuldigt und nach „Replica“ von „Demanufacture“ verschwinden die Industrial-Death-Thrash-Virtuosen in die inzwischen wieder trockene Sommernacht. Ein absolut fulminanter Auftritt, der wirklich keinen Fan unbefriedigt vom Gelände entlässt, denn FEAR FACTORY hatten mit ihrem Set pures Gold aus jeder Epoche ihres Bandbestehens im Gepäck.
Seit der Veröffentlichung ihres Debütalbum „Rise and Ride“, konnten STALLION bereits auf zahlreichen Festivals und Konzerten bewundert werden und blieben Fans des klassischen Heavy Metals vor allem durch energiegeladenes Auftreten und die feschen Spandexhosen in Erinnerung. Auch heute haben sich STALLION in die zweite Haut geschmissen und starten fulminant mit „Killing Time“ und den selbstironischen Worten „Wir sind Freiwild aus Süddeutschland“ in ein absolut energiegeladenes Set. Ein wirklich dankbarer Job scheint dies zu Anfang leider nicht zu sein, denn nur vereinzelte Festivalbesucher stehen lose verteilt auf dem Vorplatz der Camel Stage. Lange können vorbeilaufende Headbanger mitreißenden Songs wie „The Right One“ und „Rise And Ride“ jedoch nicht widerstehen und finden sich schnell in einer wachsenden Menge wieder. Der harte Kern der STALLION-Fans hält indes von Anfang bis Ende des Sets eisern die Stellung in den ersten Reihen und lässt sich ganz klar an Stirnbändern und „Tina Turner-Frisuren“ erkennen, wie man sie zuletzt wahrscheinlich 1987 bewundern konnte. Die Jungs aus Baden-Württemberg fühlen sich auf der Bühne sichtlich wohl und da der „Stock nicht zu tief im Heavy-Metal-Arsch stecken soll“ (Zitat Sänger Pauly), überziehen sie ihr Set auch ganz dreist um fünf Minuten und verlassen die Bühne nicht in den Backstage-Bereich, sondern direkt in den Graben zu ihren Fans.
TRIBULATION sind wahre Meister darin, ein packend-exotisches Klangsüppchen aus Vintage Rock und Melodic Death Metal zu kochen. Die Schweden befinden sich seit ihrem 2009 erschienen Debütalbum „The Horror“ stetig auf Erfolgstour und beglücken das SUMMER BREEZE auf der Zeltbühne mit einer düster-beschwingten Performance vom Feinsten. Das besondere Körnchen Würze ist TRIBULATIONs Hang zum Schrägen: feenhafter Ausdruckstanz in Damenschuhen an der Gitarre und düster-bleich geschminkte Gesichter treffen auf einen stimmigen Stilmix, der auch Neulinge sofort mitreißen kann. Die hageren vier Gestalten demonstrieren auf der von Räucherstäbchen umnebelten Bühne neben beachtlichem Können an den Instrumenten vor allem Gespür für den Moment und einen unwiderstehlichen Hang zum Groove, den Fronter Johannes Andersson leidenschaftlich mit seinem Gekeife kreideweiß bis tiefschwarz auskleidet. Dass die Formation längst den Untiefen der Geheimtipp-Nische entstiegen ist, lässt sich unschwer am gut gefüllten Bühnenvorplatz, zahlreichen Fanshirts und viel Enthusiasmus untern den Zuschauern erkennen. Da können sich TRIBULATION auch mal einen zehnminütigen Instrumentalpart erlauben, mit dem noch der letzte Sonnenstrahl aus der Zeltatmosphäre gesogen wird. Die Zuschauer danken es den Skandinaviern mit tüchtigem Applaus und pilgern zufrieden zurück in das inzwischen wolkenverhangene Tageslicht.
Während die älteren Semester noch die Schwedendeath-Vollbedienung von AT THE GATES bekommen, strömt der Nachwuchs schon in Scharen vor die kleine Bühne, wohl in freudiger Erwartung dessen, was sie bei ASKING ALEXANDRIA erleben werden. Die Metalcoreler aus UK können am Donnerstag den Erfolg für sich verbuchen, die Band mit dem größten Alarm-Potential auf der Pain Stage zu sein. Der Auftakt fällt mit „I Won’t Give In“ als melodischer Appetizer zwar noch relativ verhalten aus, dann aber zieht der Fünfer ab dem folgenden und deutlich heftigeren „Run Free“ alle Register und verwandelt den Platz in einen einzigen Party-Pit. Eine gefühlte Myriade an Crowdsurfern überzieht die Grabenschlampen mit Dauerfeuer und der Strom an über die Köpfe getragenen Körpern reißt selbst dann nicht ab, als Fronter Denis Stoff vor „Closure“ zu einer Wall of Death aufruft. Dass die bei dem Abriss, den ASKING ALEXANDRIA auf die Bühne brettern, locker Orkanstärke erreicht, ist selbstredend. Dass die Fans so am Rad drehen, erscheint aber nur allzu verständlich, präsentieren sich ASKING ALEXANDRIA doch in Top-Form mit einem Aushängeschild als Sänger, der den Spagat zwischen Screams, Growls und perfekt getroffenen Clean Vocals mit Bravour meistert. Von elektroverschnittenen Metalcore kann man halten, was man will, aber in Punkto Unterhaltung macht ASKING ALEXANDRIA so schnell niemand etwas vor.
Ein gleißendes Gute-Laune-Feuerwerk prasselt auf die Zuschauer, die sich trotz des heraufziehenden Unwetters vor der Camel Stage eingefunden haben: Die Wiesbadener 80-ies/Glam Rock-Kapelle THE NEW ROSES betritt die Bühne und bietet Ohrwürmer und Tanzbeinfutter am laufenden Band. Auch wenn das Quartett wirkt, als könnte es direkt aus dem 80-er Jahre-Vorprogramm von GUNS‘N‘ROSES auf das SUMMER BREEZE teleportiert worden sein, liefern THE NEW ROSES weiß Gott keinen Sound von gestern. Es ist folglich auch kein Wunder, dass die Menge vor der Camel Stage langsam anschwillt und bereitwillig die Hände in die Luft reckt. Titel wie “Gimme Your Love“ oder „Devil‘s Toys“ entpuppen sich schnell zu absoluten Gassenhauern, die auch vorbeistreunende Black Metaller unwillkürlich wippen lassen. Nach einer guten halben Stunde ist das deutlich erstarkte Publikum ordentlich aufgewärmt und geklatscht, muss die sympathischen Wiesbadener jedoch wieder ziehen lassen. Zum Abschluss gibt es noch ein Foto fürs Bandalbum vor der begeisterten Menge – die strahlenden Gesichter haben sich THE NEW ROSES redlich verdient!
Eigentlich dürfte bei einer Band wie AIRBOURNE ganz ordentlich Kohle hängenbleiben, doch offensichtlich reicht es nicht einmal, um die Löcher in Joel O’Keeffes Hose zu stopfen. Vielleicht verschleißen die Dinger aber auch einfach nur verdammt schnell angesichts der Agilität mit der der Australier auf der Bühne hin und her wetzt. Und nicht nur deren gesamte Breite wird ausgenutzt, auch in die Höhe zieht es den Frontmann. So spielt er an der Traverse des Boxenturms hängend das vermutlich höchste Gitarrensolo des Festivals. Derlei Sperenzchen und die zugehörigen Gitarrenwechsel halten nicht nur die Crew ordentlich auf Trab, sie unterstreichen auch AIRBOURNES herausragende Entertainment-Qualitäten. Da kann schon mal mitten im Song eine streikende Gitarre gewechselt werden, ohne dass die Band auch nur mit der Wimper zuckt. Ansonsten gerät der Auftritt zu einer großen Werbeveranstaltung für kühlen Gerstensaft. Alleine trinken wollen AIRBOURNE nicht, so dass sie dutzendfach geöffnete Bierdosen in die Menge schleudern. Und wenn Joel O’Keeffe sich eines der Aluminiumbehältnisse mit Wucht gegen die Schädeldecke donnert, bis sie schließlich kleinbeigibt und ihren Inhalt in einer großen Fontäne preisgibt, kommen auch die Fotografen im Bühnengraben voll und ganz auf ihre Kosten. Bezüglich der Schauwerte legen AIRBOURNE die Messlatte für SABATON somit bereits ordentlich hoch. Und auch musikalisch überzeugt der gutlaunige Stadion-Rock der Australier auf ganzer Linie. Wenn die Landsleute und großen Vorbilder AC/DC in absehbarer Zeit den Weg alles Irdischen gegangen sein werden, könnten diese Jungspunde problemlos in die entstehende Lücke stoßen. Dementsprechend euphorisch fallen auch die Fanreaktionen aus. Nicht einmal für eine Wall Of Death oder einen gepflegten Circle-Pit ist sich die Menge zu schade – da sag noch einer, dass diese Formen des Ausdruckstanzes nur in Metalcore-Kreisen gepflegt werden. Nur den kurzen Platzregen, der während des Rausschmeißers „Runnin‘ Wild“ auf das Gelände niedergeht, hätte man sich echt sparen können.
Wenn man sich das Billing der T-Stage am Donnerstag anschaut, wirken STICK TO YOUR GUNS eingerahmt von Black und Death Metal so ein bisschen wie ein Fremdkörper. Doch das interessiert zur Prime Time nicht die Bohne: die US-Amerikaner und ihr Melodic Hardcore zünden wie kein anderer ihrer ebenfalls auf dem SUMMER BREEZE spielenden Genre-Kollegen. Sowohl auf als auch vor der Bühne geht der Punk, wobei das eine natürlich das andere bedingt. Shouter Jesse Barnett und das Gitarren-/Bass-Triplett haben wohl eine Duracell-Packung inhaliert, so unermüdlich beackern sie die Bretter von links nach rechts und wieder zurück. Und hätte man unters Drumkit von George Schmitz Rollen geschraubt, er hätte an diesem Abend wohl auch keinen Flecken der Bühne zwei Mal gesehen. Auch davor wird Stillstand heute ganz klein geschrieben. Insgesamt wirbeln drei fette Circle-Pits Staub auf, dazu wird inbrünstig und lauthals mitgesungen und der ein oder andere Crowdsurfer gen Bühnenrand transportiert. Dieses allseitige Energielevel ist auch kein Wunder, denn egal ob schneller D-Beat, fette Slams oder vibrierende Breakdowns: STICK TO YOUR GUNS beherrschen ihr Metier und zerlegen heute nach allen Regeln der Kunst. Im Überschwang der Gefühle pfeffert Jesse Barnett zum Ende des Sets gar aus Versehen sein Mikro unter den Drumriser. Fetter Auftritt!
Gerade erst von ihrem ersten Supportkonzert mit den mächtigen MASTODON zurück, versuchen die Belgier von STEAK NUMBER EIGHT auch auf dem SUMMERBREEZE ihren Fankreis zu erweitern. Hierzu haben die Sludge-Post-Metaller nicht nur ein gut gemischtes Set ihrer inzwischen vier veröffentlichten Alben dabei. Als besonderes Schmankerl bringen sie auch, passend zur düsteren Atmosphäre, schlechtes Wetter mit. Die angetretenen Fans kann der aufkommende Regen allerdings nicht verjagen, denn STEAK NUMBER EIGHT ziehen alles im direkten Umkreis der Camel Stage in ihren Bann und die Festivalbesucher lassen nahezu kataton den wilden Genremix auf sich nieder regnen, während die Saitenfront wild zappelnd über die Bühne springt und Frontmann Joris sich die Seele aus dem Leib keift. Zum Ende des Auftritts kündigt das junge Quartett nochmals ihre kommende Tour im September an und überlässt die Menge nicht nur der drückenden Schwere ihrer Songs, sondern auch dem Regen.
Nach Sonnenuntergang ziehen Gewitterwolken über das Festivalgelände und Platzregen geht auf die Feierenden nieder. Ein naheliegender Fluchtort: das große Zelt der T-Stage. Dass man hier aber nicht zur Ruhe kommen kann, wird spätestens klar, als LG Petrov und seine Bandkollegen zum Dienst antreten. Ist die Meute vor der Bühne wegen des Regens nass, fließt auf ihr der Schweiß. Petrov scheint immer in Bewegung zu sein, beugt sich mal am rechten Rand der Bühne über die Monitorboxen, nur um im nächsten Moment zielstrebig zur entgegengesetzten Seite zu marschieren oder ein kurzes Video mit seinem Handy zu drehen. Dabei strahlt die gesamte Band eine Gelassenheit aus, die nur einem Urgestein der Szene zuzutrauen ist. Gleiches gilt für die Entertainer-Qualitäten Petrovs: „Noch eins? Noch zwei?“ fragt er die Menge, der er in regelmäßigen Abständen Tetrapacks mit Wasser zuwirft. Angesichts der enthusiastischen ersten Reihen, die fröhlich moshend und headbangend ihren Idolen huldigen, wirkt der Rest des rappelvollen Zelts eher verhalten. Die Begeisterung auf der Bühne steckt jedoch spätestens bei dem Klassiker „Left Hand Path“ auch diejenigen im Publikum an, die eigentlich nur Schutz vor dem Regen gesucht haben.
Der Schwedentod in Reinform hält Einzug auf der Main Stage: AT THE GATES reißen gewohnt brachial das Klangzepter an sich und versammeln auch am späten Nachmittag schon tausende Fans des vertonten Abgrunds vor der Hauptbühne. Das anfänglich eher verhaltene Publikum kann der leidenschaftlichen Spielfreude der Death-Veteranen nicht lange widerstehen und taut zügig auf – und das mit gutem Grund: Seit es im Jahr 2008 nach einer rund 12-jährigen Auszeit zur Reunion kam, führt das Quintett aus Skandinavien eindrucksvoll vor, warum man ihnen die Mitbegründung des Melodic Death-Genres zuschreibt. Heute werden sie dafür schon ab dem zweiten Song „Death And The Labyrinth“ mit einem kleinen, aber engagierten Circle Pit gefeiert. Musikalisch können sich Fans der vergangenen Tage über zahlreiche Klassiker vom Meilenstein-Album „Slaughter Of The Soul“ freuen, darunter „Cold“, „Suicide Nation“ und „Blinded By Fear“. Aber auch Freunde des neuesten Albums „At War With Reality“ aus dem Jahr 2014 werden nicht enttäuscht und schwingen die Mähnen unter anderem zu „Death And The Labyrinth“, „Heroes And Tombs“ und „Night Eternal“ freuen. Frontmann Tomas Lindberg verschwendet nicht viel Zeit mit Ansagen, zeigt sich dafür aber durchgehend bester Laune, schlürft während der Instrumentalparts abwechselnd Pfefferminztee, Kamillentee und Dosenbier und scherzt ausgelassen mit Crew und Bandkollegen. Diese Energie schwappt über: die schwedischen Veteranen hinterlassen ein meisterlich aufgeheiztes Publikum in freudiger Erwartung der weiteren musikalischen Bonbons des heutigen Abends.
Gerade als der Vollmond durch die dichten Regenwolken bricht, entzünden die belgischen Symphonic Black Metaller von SAILLE ihr Räucherwerk und beginnen vor gut gefülltem Platz ihre Show. Auf der Bühne trägt man konsequent schwarz, aber auf umgedrehte Kreuze und Corpsepaint wird verzichtet. SAILLE will sich abheben und etwas Eigenständiges jenseits von Satanismus und anderen Black Metal-Stereotypen schaffen. Das dichte Klangbild und vor allem die Riffs in Songs wie „Maere“ und „Haunter Of The Dark“ können auch vollends überzeugen. Das, was SAILLE allerdings ausmacht, nämlich die epische, orchestrale Untermalung, weist während des Auftritts ein ums andere Mal Schwächen auf. Vor allem dann, wenn sich weder die vielen Samples noch die Keyboard-Melodien in das Gesamtbild einpassen wollen. Sänger Dennie Grondelaers weiß seine Stimme variabel einzusetzen und versinkt am Mikro vollends in seiner eigenen, okkult-nihilistischen Welt. Fast immer schafft er es, die Zuschauer in diese Welt zu entführen.
SABATON haben sich endlich von ihrem „Final Countdown“-Intro verabschiedet. Stattdessen stimmt die bandeigene Cover-Version von STATUS QUOs „In The Army Now“ als Tonkonserve auf den bevorstehenden Schlachtzug ein. Mit dem „March To War“ entern die Schweden dann die Bühne, in deren Mitte ein als Drumpodest zweckentfremdeter Panzer thront. Die Mannen um Front-Sympath Joakim Brodén geben sich also gewohnt martialisch und setzen dabei doch auf zuckersüße Ohrwurm-Melodien und epische Mitsing-Hymnen. Traditionsgemäß rennt „Swedish Pagans“ beim deutschen Publikum offene Türen ein, tausende von Kehlen stimmen in die „Ohohoh“-Chöre mit ein. Doch da der Veröffentlichungstermin ihres neuen Albums unmittelbar bevorsteht – beziehungsweise zum Ende der Show bereits erreicht ist – präsentiert die Band auch direkt zwei neue Stücke. Kurzzeitig täuscht Gitarrist Chris Röhrland mit der Akustik-Gitarre ein drittes an, das sich jedoch als „Wind Of Change“-Cover entpuppt. Der charakteristische Pfeif-Part des SCORPIONS-Klassikers wird sogleich als perfekte Überleitung zum ebenfalls mit einer gepfiffenen Intro-Melodie ausgestatteten „To Hell And Back“ genutzt. Wenn es darum geht, ihren Auftritten einen tragfähigen Spannungsbogen zu verpassen und sich mit gezielten Pyro-Effekten in Szene zu setzen, macht SABATON eben so schnell keiner etwas vor. Und obwohl die meisten Showeinlagen genau geplant und streng durchchoreographiert sind, hat sich die Band ihre Spontanität und Bodenständigkeit bewahrt. An die lautstarken „Noch ein Bier!“-Rufe mögen sie sich inzwischen gewöhnt haben, die Dankbarkeit über das begeisterte Zuschauerinteresse wirkt dennoch authentisch und zu keinem Zeitpunkt gekünstelt. Es spricht eben doch Überzeugung aus Joakim Brodén, wenn er verkündet, den besten Job auf der Welt zu haben. Auf das Publikum hört man auch bei der Wahl für ein schwedisch-sprachiges Stück bei der sich „En Listid I Krig“ gegen „Karolinens Bön“ durchsetzt. Und während der Frontmann mit dem Full-Metal-Sixpack bei „Resist And Bite“ noch seinen Gitarristen ihren Job streitig macht, überlässt er ihnen bei „Gott Mit Uns“ (beziehungsweise „Noch Ein Bier“) komplett das Feld, damit diese sich den kompletten Gesang und damit auch die Zeit im Rampenlicht teilen können. Für den scheidenden Thobbe Englund ist es eine der letzten Gelegenheiten, seine Sangeskünste vor einem solch großen Publikum zu demonstrieren. Immerhin dürfte er den umjubelten Auftritt vor einem rappelvollen Infield ebenso in guter Erinnerung behalten wie alle anderen Anwesenden.
Gestern noch mit den BÖMBERS ungeschminkt auf der T-Stage, zeigt sich der Norweger Abbath heute wieder im Corpsepaint mit seinem neuesten Projekt vor einem erneut stattlichen Publikum auf der Zeltbühne. Um es einfach zu halten, nennt Abbath besagtes Projekt ABBATH und veröffentlichte unlängst das gleicnamige Debütalbum. Dennoch handelt es sich keinesfalls um ein Solounterfangen, denn der Ex-IMMORTAL-Sänger bringt drei weitere Musiker, darunter durchaus Prominenz mit: den Bass bedient niemand Geringeres als King Ov Hell, der sich bereits mit Bands wie GORGOROTH und SAHG einen Namen machen konnte. Umringt von gleich fünf Monitorboxen tritt ein gut gelaunter und buchstäblich flammender Abbath auf die Bühne und startet thematisch mit „To War!“ sehr passend ins Set. Grob die Zeit überschlagen und schon dürfte klar sein, dass das Material vom Album-Debüt alleine nicht ausreichen wird, um das Set zu füllen. So hofft das gut gefüllte Zelt natürlich auf Glanzstücke von IMMORTAL. Und tatsächlich, Abbath lässt sich nicht lang bitten und serviert mit „In My Kingdom Cold“ und „Tyrants“ nicht nur IMMORTAL-Klassiker, sondern legt mit „Warriors“ auch noch einen kleinen Ausflug in eines seiner weiteren Nebenprojekte „I“ oben drauf. Die Fans vor der T-Stage feiern die Show konstant ab und recken ausdauern ihre Pommesgabeln und Fäusten in die Luft. Nach einem ausgewogenen 1-stündigen Set, entlassen die Black Metaller ihre Fans mit „All Shall Fall“ aus dem IMMORTAL-Repertoire stilecht in die Nacht.
Noch nie etwas von GYZE gehört? Solltest man aber, wenn z.B. CHILDREN OF BODOM und barocke Klassik täglich auf dem heimischen Plattenteller rotieren. Die Japaner gehören zum Exotischsten, was das SUMMER BREEZE dieses Jahr zu bieten hat, und obwohl das Trio hierzulande beileibe nicht an jeder Steckdose spielt, konnte es scheinbar schon ein beachtliches Following hinter sich versammeln. Diesen Eindruck erweckt zumindest das Feedback der paar hundert Leute vor der Camel Stage, als GYZE sichtlich beflügelt von der Gelegenheit, ihr Standing außerhalb Nippons auszubauen, eine energiegeladene Show auf die Minibühne zimmern. Vor allem Drummer Shuji wütet wie ein Derwisch, behält dabei aber stets die Oberhand über seine komplizierten Drumfills. GYZE sind sowieso eine Augen- und Ohrenweide für alle jene, die ihren melodischen Death Metal vorzugsweise mit vielen Leads, Soli und komplexem, von mächtig viel Klassik inspiriertem Gitarrengegniedel konsumieren. Fronter Ryoji hält anscheinend sowieso nicht viel von Rhythmusgitarren und lässt seine Flitzefinger selbst während der Strophen über die hohen Lagen seines Griffbretts fliegen. Überfrachtet für die einen, genau richtig für die anderen, die GYZE zu später Stunde die Aufwartung machen.
Ein martialisches Bühnenbild ziert die Pain Stage, auf dem Infield ist es rappelvoll und TESTAMENT ziehen auch nach 33 Jahren bewegter Bandgeschichte Alt- und Jung-Thrasher magisch an. Auf Chuck Billys Ansage „Are you ready? Let’s take it over the Wall!“ reagiert das Publikum mit ohrenbetäubendem Jubel und auch das folgende Mitsingspielchen bei „Rise Up“ klappt einwandfrei. Egal ob 80er-Jahre-Klassiker oder Hits neueren Datums: die Fans zeigen sich textsicher und grölen jeden Song aus voller Kehle mit. Auf der Bühne wiederum werden ausnahmslos Höchstleistungen geboten. Chuck Billy versemmelt nicht einen Ton; die Stimmgewalt dieses Mannes ist immer wieder beeindruckend – da können sich so einige Alterskollegen eine Scheibe von abschneiden. Das Gebiet der agilen Bühnenperformance überlässt er aber lieber seiner Gitarrenfraktion. Vor allem Alex Skolnick hechtet über die Bühne als ginge es um sein Leben. Wie er dabei noch ein Weltklassesolo nach dem anderen aus dem Ärmel schüttelt, ohne sich auch nur einmal zu verspielen, weiß wohl nur er selbst. Schön auch, dass hier nicht nur die Soli der Studioaufnahmen eins zu eins nachgespielt werden. Skolnick improvisiert immer wieder neue Licks, wodurch sein Spiel selbst für Die-Hard-Fans spannend bleibt. Und dank glasklarem Sound macht das Zuhören gleich doppelt Spaß. In der Mitte des Sets gibt es mit der Halb-Ballade „Dark Roots Of Earth“ eine kurze Verschnaufpause. Ansonsten geben TESTAMENT von Anfang bis Ende Vollgas. Nach dem abschließenden „The Formation Of Damnation“ werden fleißig Gitarren-Plecs ins Publikum geworfen und die Band verneigt sich vor ihren Fans.
Während die Massen vor der Pain Stage eben noch kollektiv ihr TESTAMENT machen, geht’s auf und vor der T-Stage deutlich heftiger zur Sache. Und damit auch jeder weiß, dass die Jungs aus Detroit im Haus sind, haben sie die Bühne entsprechend ausstaffiert; ein den Bühnenhintergrund komplett füllendes, dreiteiliges Backdrop im Design des aktuellen „Abysmal“-Albums mit dazu passenden Aufstellern vor der Backline. Und der Opener des genannten Albums ist auch der Eröffnungssong der einstündigen Vollbedienung die folgt. Fronter Trevor Strnad trägt souverän Kutte zu seinen Shorts, flitzt nonstop wild gestikulierend über die Bühne und ist auch immer wieder für eine smarte Ansage gut („Beim nächsten Song will ich die Unterseite eurer Schuhe sehen, Zeit zu springen, auf geht’s!“). Er animiert die Fans unermüdlich zum Mitmachen und hat mit seinen Bandkollegen sichtlich Spaß bei der „Arbeit“. Mit ihrem letzten Song sprechen sie das aus, was sich wohl die Mehrheit der Anwesenden erhofft: „I Will Return“.
Bands, die sich irgendwo zwischen Metalcore und Post-Hardcore bewegen, gibt es viele. Umso schwieriger ist es da, aus dieser Masse hervorzustechen. VIRTUE CONCEPT gelingt dies auf eine unfassbar sympathische und effektive Art: Ausstrahlung und bayrischer Dialekt des Sängers Christian Priol kommen so gut an, dass er das Publikum zu jedem Zeitpunkt auf seiner Seite hat. Immer wieder schafft er es, die Distanz zwischen Bühne und Publikum auf ein Minimum zu schrumpfen: „Hey Partypeople, kommts an Schritt nach vorn. Das macht’s familiärer.“ Insgesamt ist den Regensburgern viel an der Interaktion mit den Fans gelegen. Als der vordere Teil, der für diese Uhrzeit stattlich angewachsenen Menschenmenge, durch die exzessiv tanzenden Violent Dancer auseinanderzudriften droht, springt Priol kurzerhand vor die Bühne, wodurch Fans zu ihm hin stürmen. Aber nicht nur Priol trägt zu einem rundum gelungenen Auftritt bei. Auch seine Bandkollegen liefern jederzeit 100 Prozent ab, weshalb nach einem sehr persönlichen Abschied, auch noch eine Zusage gespielt wird.
Die Sonne ist schon lange untergegangen, als SWALLOW THE SUN um viertel nach zwei die T-Stage betreten. Trotz der späten Stunde ist das Zelt zu gut einem Drittel gefüllt und die Zuschauer haben offensichtlich den festen Willen mitgebracht, von den Finnen die letzte Erinnerung an das Tageslicht verschlucken zu lassen. Die Meister des Death Doom zelebrieren den akustischen Einzug der Nacht mit Genuss und Entschleunigung: Während die Klangwand des Intros vom Band langsam anschwillt, harren die sechs Musiker scheinbar regungslos auf der Bühne aus, um dann mit „Ten Silver Bullets“ fulminant zu starten. Die letzte Band des Festivaltages schafft es mühelos, die Mähnen der Fans noch einmal in Bewegung zu versetzen, was neben dem glasklaren Sound vor allem ihrem atmosphärischen Können geschuldet ist. SWALLOW THE SUN erheben Introvertiertheit zur Kunstform und verschwinden regelrecht hinter der schweren Präsenz ihrer Musik. Dass sich die Band dennoch amüsiert, zeigt Keyboarder Aleksi Munter, der immer wieder mit seinen Bandkollegen herumalbert und vor Schlagzeuger Juuso Raatikainen Grimassen schneidet. Der ist übrigens ein würdiger Ersatz für Kai Hahto, welcher als Dauerersatzmann zu NIGHTWISH gewechselt hat. Trotz des getragenen Sounds vergeht die Dreiviertelstunde mit SWALLOW THE SUN wie im Flug. Zum abschließenden „Swallow“ lassen die Finnen noch einmal die Weinflasche kreisen und entlassen die letzten Festivalgäste des Abends mit einem knappen, aber warmen „Thank You“ endgültig in die Nacht.
Direkt im Anschluss an EMMURE geht es in bester Hardcore-Manier weiter. DEEZ NUTS schließen sich quasi nahtlos auf der Main Stage an und zum bisherigen Publikum gesellt sich direkt noch einiges dazu und füllt das Gelände imposant auf. Anders als ihre Vorgänger wirken die Australier weniger verbissen und scheinen sich selbst auch weniger ernst zu nehmen. Die gute Stimmung steht für die Jungs definitiv im Mittelpunkt und dieses Gefühl überträgt sich auch 1:1 auf die Menge. Wo eben noch aggressiv gemosht wurde, wird nun eher Party gemacht. Größere und kleine Moshpits bilden sich dennoch zur Genüge. Die Security ist vorbereitet und mit rund 20 „Grabenschlampen“ zusätzlich im Einsatz, was sich auch als notwendig erweisen sollte. Nach knapp der Hälfte des Sets wird schon Schlange gestanden um zum Crowdsurfen zu kommen und bis zu fünf Leute gleichzeitig im Graben „angespült“. Bei all den Verausgabungen kommen die regelmäßigen Duschen mit dem Feuerwehrschlauch, ein extra Service der SUMMER BREEZE Security, den Fans auch gerade recht. Ebenfalls hoch ist der Mitsingfaktor bei Songs wie „Band Of Brothers“, mit dem die Band dann wie EMMURE ebenfalls vor der Zeit die Bühne räumt.
Obwohl die bratende Mittagssonne das Aufkommen einer packenden Düster-Atmosphäre effektiv verhindert, spielen LORD OF THE LOST tapfer dagegen an. Mit böllernden Industrial-Beats vertreiben sie immerhin die Müdigkeit, die das auffällig junge Publikum zu Beginn noch fest im Griff hat. Sänger und Frontmann Chris Harms ist dagegen von Beginn an hellwach und stellt seine Entertainer-Qualitäten mit flotten Sprüchen unter Beweis, während er mit seinen Kollegen an Gitarre und Bass um die Wette post. Seinen Höhepunkt erreicht der Auftritt mit der Coverversion „eines der größten Metal-Klassiker überhaupt“, wie die Hamburger augenzwinkernd verkünden. Und tatsächlich geben sie den Metal-Spirit der BACKSTREET BOYS in ihrer rotzig-frechen Interpretation von „Everybody (Backstreet’s Back)“ fast perfekt wieder. Bierernst sollte man die Musik der „Fischköppe“ also nicht nehmen, das wird spätestens bei den Salsa-Rhythmen des Rausschmeißers „La Bomba“ deutlich, die einige Fans spontan zur „Polonaise Of Death“ inspiriert.
Den Modern-Proggern MONUMENTS ist der Sonderpreis für das markanteste Hairstyling des diesjährigen SUMMER BREEZE bereits sicher. Doch auch musikalisch liegen die Briten mit ihrer Mischung aus Djent-Riffs, satter Metalcore-Power und einer beeindruckenden Vielseitigkeit des zwischen harschen Growls und melodiösem Klargesang changierenden Frontmanns Chris Barretto voll im Trend. Obwohl die Songs höchst anspruchsvoll und definitiv keine leichte Kost sind, gehen die fetten Grooves sofort ins Blut und animieren zu spontaner Leibesertüchtigung. Kein Wunder also, dass sich mit Circle-Pits, Slamdance, Crowdsurfing und einer kleinen Wall Of Death das komplette Metalcore-Standard-Bewegungsrepertoire beobachten lässt. Da will auch der Sänger nicht nachstehen und stürzt sich tollkühn in die Menge. Ein paar Purzelbäume auf den Händen seiner Fans später bringt die Band den Gig mit „I, The Creator“ zu einem glorreichen Ende und verabschiedet sich erschöpft, aber sichtlich glücklich, von der im Laufe der Show deutlich angewachsenen Menge.
Die angenehm schattige T-Stage ist etwa zur Hälfte gefüllt, als HEART OF A COWARD aus Milton Keynes nach obligatorischem Intro die Bühne betreten. In der Folge entfesseln die Briten ihren kraftvollen, drückenden und doch eingängigen Metalcore, bei dessen schierer Energie man gewiss auch von einem Powersound reden kann, dessen enorme Heaviness die Köpfe der Zuschauer fast wie von selbst mitnicken lässt. Das Quintett feuert einen Nackenbrecher nach dem anderen ab, mal treibend wie „Miscreation“, mal atmosphärisch wie „Turmoil Pt. II“, dabei immer das Gleichgewicht zwischen Komplexität und Eingängigkeit wahrend. Der Sound ist bombastisch und die Bühnenpräsenz der Band dynamisch. Unterdessen sorgt das Publikum für reichlich Action vor der Bühne mit Circle Pits und kollektivem Headbanging zum Sound der Briten. Sänger Jamie Graham, der sowohl die gesungenen als auch die gebrüllten Vocals übernimmt, stachelt dieses sogar noch weiter an, was die Stimmung im Zelt schließlich zum Kochen bringt. Insgesamt also ein sehr überzeugender erster Auftritt auf der T-Stage am Donnerstag.
Wenn es darum geht, das Konzept des melodischen Metal fast schon auf die Spitze zu treiben, ohne dabei an Härte einzubüßen, scheinen die Finnen im Allgemeinen die Nase ganz weit vorn zu haben. Ein sehr gutes Beispiel für diesen Drahtseilakt stellen OMNIUM GATHERUM dar, die es als nicht allzu bekannte Band mit einem recht frühen Slot trotzdem schafften, den Platz bis zum FOH-Tower zu füllen. Wie im Melodic Metal üblich zeichnen sich die Riffs dadurch aus, dass sie mal schleppend und mal schnell, jedoch stets druckvoll daherkommen. Getragen werden die Songs aber hauptsächlich durch die mitreißenden Soli, meist gespielt von Lead-Gitarrist Markus Vanhala, den viele wahrscheinlich von den ebenso melodischen INSOMNIUM kennen. Dazu kommen noch die Keyboard-Melodien, die man getrost als gefühlvoll und melancholisch bezeichnen kann. Die härteren Passagen laden wiederum zum Headbangen ein, wozu Sänger Jukka Pelkonen auch mehrfach aufforderte. Die Menge ließ sich da nicht zwei Mal bitten, und sowohl auf als auch vor der Bühne kreisten die Mähnen bald synchron. Dass viele Besucher wohl auch Wiederholungstäter waren und die Band bereits zuvor gesehen hatten, war an der Menge der „Omni-Signs“ (zwei Pommesgabeln mit nach innen gerichteten Fingern, die so dem Bandlogo ähnlich sehen) zu erkennen, die überall zu sehen waren.
Die Hamburger Stoner-Sludge-Band HIGH FIGHTER um Sängerin Mona Miluski betritt die Camel Stage, vor der sich bereits einige Hörer versammelt haben, wobei sich das Publikum zum Graben hin drängt, sich weiter hinten dann aber relativ schnell deutlich lichtet. Unter der knallenden Mittagssonne holzen HIGH FIGHTER los und eröffnen ihr Set mit dem krachenden „Black Waters“. Miluski, so zierlich sie auch erscheinen mag, brüllt und keift wie eine Berserkerin und lässt sich in den klar gesungenen Passagen von Schlagzeuger Thomas Wildelau harmonisch unterstützen. Die Band entfesselt fette Grooves mit einem Sound, der einem Vulkanausbruch gleich kommt und dem Publikum förmlich ins Gesicht drückt. Dieses wiederum lässt sich von den kräftigen Rhythmen zum Headbangen mitreißen und nutzt den Platz, den es gerade in den hinteren Rängen hat, bestens aus. Schmetterndes Drumming, bratende Gitarren und eine Frontfrau wie ein Orkan machen diesen Auftritt zum gelungenen Eröffnungsgig der Camel Stage.
Über den Auftritt der Rock’n’Roller OHRENFEINDT aus St. Pauli hinweg füllt sich das Zelt mehr und mehr, bis es zum Ende hin schon richtig voll ist. Kein Wunder: OHRENFEINDT überzeugen mit ihrem deutschsprachigen Rock, der unverkennbar von AC/DC inspiriert ist, und einer guten, energischen aber irgendwie auch bodenständigen Performance. Soll heißen, dass sie sich selbst einfach nicht zu ernst nehmen und ihre Sache doch sehr gut machen. Die Songs haben einen ordentlichen, knackigen Sound, sie grooven, rocken und machen einfach Laune. Dabei erfreuen sich OHRENFEINDT ihrer Nähe zum Publikum, das wie eine eingeschworene Gemeinschaft wirkt. Sänger Chris Laut hält dieses mit frechen Ansagen und interaktiven Überleitungen zwischen den Songs gut bei Laune, fordert auch mal auf, „laudääär“ zu werden und lockt die zwischenzeitlich etwas nachlassende Crowd mit der Bemerkung „Samma‘, is‘ das hier euer erstes Konzert?“ aus der Reserve. Somit liefern OHRENFEINDT einen wunderbar unterhaltsamen Auftritt mit guter Musik und einer noch besseren Chemie zwischen Band und Publikum.
EMMURE bieten anschließend extremes Kontrastprogramm zur Vorgängerband auf der Pain Stage. Die Menge, die gerade noch den emotionalen Melodien von OMNIUM GATHERUM gelauscht hatte, wird schlagartig mit dem vollen Hardcore Brett konfrontiert. Die US-Amerikaner verbinden aufs Feinste Elemente verschiedener Genres, deren Bezeichnung aber natürlich allesamt auf -core enden, und ein Blick ins Publikum beweist, dass sich das auch bei den Anhängern besagter Richtungen herumgesprochen hat. Über mangelnde Besucherzahlen kann die Band jedenfalls nicht klagen. Wo bei anderen Bands fröhlich gesprungen wird, wird hier im wahrsten Sinne des Wortes aggressiv gehüpft. Dabei gilt: auf gar keinen Fall den grimmigen Gesichtsausdruck vergessen! Aber auch für einige Spielereien ist das Publikum offen. Der Aufforderung „when I say SUMMER, you say BREEZE!“ wird prompt Folge geleistet. Sänger Frankie lockert die Stimmung aber auch durch seine Bühnenpräsenz immer wieder etwas auf, und schafft als souveräner Frontmann den Spagat zwischen psychopathenhafter Mimik und verspielten Tanzeinlagen. Leider gehen der Band dann aber 15 Minuten vor dem offiziellen Ende die Songs aus, weshalb die Zugabe-Rufe des Publikums auch unbeantwortet bleiben.
Die spanische Death-Metal-Band GRAVEYARD hat nichts mit den gleichnamigen Retro-Blues Rockern aus Schweden gemeinsam – abgesehen vom Namen eben. Und das macht das Quintett auch von der ersten Sekunde an deutlich: ein orchestrales Intro lässt Böses erahnen, und ebendieses bricht schließlich in Form einer finsteren Death-Metal-Walze im Stile der klassischen GRAVE und DISMEMBER über das Publikum herein. Dieses füllt den Platz vor der Camel Stage ganz ordentlich und schaut gebannt auf den spanischen Fünfer, wobei die Köpfe leicht im Rhythmus nicken, während ein mobiler Bierspender die durstigen Kehlen im Rund versorgt. Der kreischende Sound der Gitarren sägt sich kräftig – vielleicht etwas zu penetrant – durch den Äther, während die Stimme von Sänger Fiar souverän über dem Geschehen thront. So entfesseln GRAVEYARD ihre komplexe Todeskunst, wahren sich dabei eine gewisse Distanz zum Publikum – keine abwertende, wohlgemerkt – und bieten ihre Songs sehr kraftvoll und energisch dar. Schließlich, nach dem Auftritt, verteilt Schlagzeuger Gusi noch seine Sticks – eine schöne Geste und ein schöner Abschluss für diesen gelungenen Auftritt.
Für den Großteil der Festivalbesucher war an diesem Morgen die gefühlte Uhrzeit ausschlaggebend und nicht die tatsächliche. 11 Uhr war so oder so definitiv zu früh für derart viel Licht, Sonne und Temperatur. Trotz derart widriger Umstände findet sich eine Rotte tapferer Fans und bereiteten den Berlinern von TOXPACK ein ordentliches Willkommen. Die verbreiteten auch direkt ihre – laut Backdrop – aggressive Kunst und stürmen, mit Ausnahme ihres Drummers, an die vordere Bühnenkante und starten mit „Bellaria / Fünfzehn“ in ihr Set. Quasi uniformiert – alle tragen schwarze lange Hosen und schwarze, kurze Hemden – sind sie auch musikalisch eine Einheit und überzeugen vom Start weg mit der vierfachen Gesangspower. Sänger Schulle hat das Publikum auch zwischen den Songs mit launigen Ansagen in der Hand und mit fortschreitender Zeit füllt sich auch die Fläche vor der großen Bühne immer mehr. Und obwohl die punkige Mucke an sich optimal für Frühsport geeignet ist, ist erst mal wenig mit Bewegung vor der Bühne – bei der Hitze und Uhrzeit aber auch kein Wunder. Mit „Uhrwerk“ verabschieden sich die sympathischen Herren aus der Hauptstadt pünktlich von ihrem Publikum und widmen sich schweißnass den bereitstehenden Kaltgetränken.
IRON REAGAN machen Crossover-Thrash ohne großen Schnickschnack. Dementsprechend starten die Amis zum Einstieg auch kein pompöses Intro, ein wenig Rückkopplung und Gitarrengeräusche müssen reichen. Danach gibt es zum Einstieg fünf knackige Songgranaten am Stück und im Publikum wird konsequent der erste Moshpit gebildet. IRON REAGAN spielen sich zunehmend in Rage und Tony Forestas erste Ansage ist kurz: „That was five Songs. Here is six more.“ Verschnaufpausen zwischen den Liedern gibt es kaum. Auf die Frage wer das erste Mal eine IRON REAGAN-Show sieht heben viele Fans die Hände – textsicher sind trotzdem alle. Das laute Mitgrölen bei der Midtempo-Hymne „Four More Years“ beweist es. „Miserable Failure“ wird von Foresta als „the story of our lives“ angekündigt. Der Fünfer aus Richmond, Virginia nimmt sich selbst nicht allzu ernst, was den Spaßfaktor spürbar nach oben treibt. Und nach einer halben Stunde verlässt die Band bei satten 20 gespielten Songs auf dem Zähler und unter nicht enden wollenden „One More Song“-Rufen die Bühne. Mission erfüllt, aber sowas von!
Vor der Main Stage ist kaum noch Platz. Kein Wunder, steht doch mit EXODUS eine wahre Metal-Legende auf dem Plan. Schon beim Intro recken die Fans ihre Fäuste in die Luft und man muss kein Prophet sein um den Bay-Area-Thrasher leichtes Spiel vorherzusagen. Zwar wird Bandchef Gary Holt mal wieder durch einen Aushilfsgitarristen vertreten, der Performance tut das aber keinen Abbruch. Frontmann Steve „Zetro“ Souza dirigiert die Massen souverän. Seinem „Get your horns in the air!“ folgt die Crowd ohne Umschweife. Als er dann noch offenbart, dass er auf dem SUMMER BREEZE weitaus mehr Spaß hat als bei diesem Festival, das mit W beginnt, frisst ihm auch der Letzte aus der Hand. Die EXODUS-Chöre der Fans finden kein Ende mehr und beim Klassiker „Bonded By Blood“ eskaliert die Meute dann endgültig. Zum abschließenden „Strike Of The Beast“ gibt es eine amtliche Wall Of Death und noch ein Erinnerungsfoto bevor EXODUS ihre Fanschaaren in den Rest des Festivals entlassen.
Während auf der Main und Pain Stage gerade die Hardcore-Phase zu Ende geht, gibts auf der Camel Stage komplettes Kontrastprogramm. Mit ASENBLUT wird es episch, auch wenn die Vielschichtigkeit der Songs ein wenig unter Soundproblemen leidet. Viele der melodischen Passagen werden vom dröhnenden Bass verschluckt. Band und Fans lassen sich davon aber nicht beirren, und sowohl harte Riffs als auch hymnenhafte Soli werden gebührend abgefeiert. In der ersten Reihe zeigen die Fans mit Bandshirts Präsenz, aber auch weiter hinten, auf dem gut gefüllten Feld, werden die Arme rhythmisch nach oben geworfen. Für die Promo des neuen Albums hat sich die Band einen besonders gewieften Marketing-Trick einfallen lassen: noch während der Show mischten sich Merch-Ladies mit Bauchläden unters Volk, um die neue Platte direkt an den Mann und natürlich die Frau zu bringen. Auch einige kostenlose Exemplare finden ihren Weg von der Bühne. Mit ihrem Song „Asenblut“, der sich natürlich so richtig schön zum Mitsingen eignet, bringen die Jungs das Publikum dann zum Schluss nochmal richtig in Fahrt.
Für CATTLE DECAPITATION ist das SUMMER BREEZE der Abschluss einer 38 Dates umfassenden Europa-Tour, ergo kommen Fans technischen Death Metals an diesem Nachmittag in den Genuss einer perfekt eingespielten Band. Mehr noch, die US-Amerikaner, die momentan im Zuge ihres aktuellen Albums „The Anthropocene Extinction“ auf einer Welle des Erfolgs schwimmen, präsentieren sich unfassbar tight und ultra angriffslustig. Keine Selbstverständlichkeit angesichts der Grippe, die Frontmann Travis Ryan mit sich rumschleppt. Nichtsdestotrotz gibt Ryan vollstes Vollgas und schont seine Stimmbänder in keinster Weise, während Drummer David McGraw derweil die Saitenfraktion nach vorne peitscht und mit eindrucksvoll technischem Spiel unter Beweis stellt, wieso er einer der besten seines Fachs ist. Mit so viel Überzeugungsdruck schaffen es CATTLE DECAPITATION im Verlauf ihres Sets, mehr und mehr Leute vor die T-Stage zu ziehen, sodass schlussendlich ein gut zur Hälfte gefülltes Zelt Zeuge einer absoluten Machtdemonstration wird.
Kaum entern die Epic Metaller von EQULIBRIUM die Bühne, müssen die Grabenschlampen ihr Personalaufgebot erneut erhöhen, denn das bis zum Horizont gefüllte SUMMER BREEZE-Gelände flutet von Anfang bis Ende unentwegt Besucher in ihre Richtung. Die Fans, die es schaffen, ihre Füße am Boden zu halten, zeigen sich trotz neuer Songs bereits beeindruckend textsicher, obwohl die Band um Gitarrist und Komponist Rene Berthiaume ihr aktuelles Album „Armageddon“ gerade erst vergangene Woche veröffentlicht hat. Zu „Der ewige Sieg“ unterstellt Sänger Robse der viel beschäftigten Grubencrew dennoch, nicht ausreichend beschäftigt zu sein. Das nimmt er zum Anlass, die Menge beim neuen Song „Karawane“ zur größten Wall of Death des Festivals aufzufordern. Jedoch wird dem Frontmann spätestens dann etwas bange, als ein Rollstuhlfahrer über die Köpfe der Menge nach vorne getragen wird und er weigert sich, weiter zu singen bevor er sich nicht sicher ist, dass dieser wieder lebend am Boden angekommen ist. EQUILIBRIUM legen die Messlatte in Sachen Partylaune für das SUMMER BREEZE sehr hoch und auch wenn die Band sicher irgendwann müde geworden wäre – ihre Fans hätten locker noch eine Stunde weitergefeiert. Zum Ende des Sets aus überwiegend neuem Material bleibt der Crowdsurfer-Counter auf geschätzten 350 hängen: Das muss erst mal getoppt werden!
Zu Videospiel-Sounds und Alarmsirenen betreten INSANITY ALERT die Bühne, ihr Frontmann Heavy Kevy trägt eine Zwangsjacke! Was über den Verlauf der Showl nicht sein einziges abgefahrenes Accessoire bleiben wird. Mit nur einer Gitarre bringt die Band trotzdem einen verdammt mächtigen, rohen Sound rüber, der wie egschaffen für ihren knackigen Crossover-Thrash ist. Knapp 150 Fans moshen um ihr Leben und sogar der ein oder andere Crowdsufer wagt sich in den ersten Stock. Auf der Bühne gibt es derweil nicht nur Thrash vom Feinsten, sondern auch einiges zu bestaunen. Bei „Weedgrinder“ holt Kevy einen riesigen Pappjoint raus, „Crabman“ intoniert er stilecht mit Krabbenhandschuhen und als besonderes Schmankerl gibt es mit „Pact With Satan“ einen brandneuen Song vom anstehenden Album „Moshburger“, das passend zur Tour mit DUST BOLT im September erscheint. Den Abschluss bildet die IRON MAIDEN-Hommage „Run To The Pit“, inklusive Konfettikanone (!) und der ersten Heavy-Metal-Polonaise des Tages.
WOLFHEART ist die aktuelle Band von Multiinstrumentalist und Sänger Tuomas Saukkonen und baut unüberhörbar auf dessen vorigen Projekten (BLACK SUN AEON, BEFORE THE DAWN etc.) auf. Egal, was Saukkonen anfasst, es klingt auf seine ganz persönliche Art düster-brachial und melancholisch-sehnsuchtsvoll. Hat er in der Band eindeutig die Rolle des Masterminds inne, hält er sich auf der Bühne jedoch zurück und tritt erst gelassen nach vorn, als der Bassist Lauri Silvonen die Menge schon angefeuert hat. Zwischen ihm und den Fans stimmt die Chemie von Anfang an. Im Laufe des Konzerts strömen immer mehr Festivalgäste nach und füllen die wenigen Lücken an den Seiten der Bühne. Sie halten die Flagge der Schweiz und der USA in die Höhe, headbangen und werden gerade in den melodischen, hymnenhaften Refrains völlig in den Bann der Finnen gezogen. Während Mika Lammassaari an der Gitarre ein Soli nach dem zum Besten gibt, steht Saukkonen wie ein Fels in der Brandung am Mikro. Lodernde Feuerfontänen verpassen dem Auftritt optisch den letzten Schliff und am Ende der Show richtet der Fronter dann doch noch ein paar Worte an die Fans, um einen neuen Song anzukündigen.