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- SUMMER BREEZE 2024
- Mittwoch 14.08.2024
- Donnerstag 15.08.2024
- Freitag 16.08.2024
- Samstag 17.08.2024
- More Than Music
Guten Morgen SUMMER BREEZE! Das Wetter zeigte sich von der freundlichen Seite und gab die Stimmung für den Tag vor: Hauptsache gut! Wer sich dennoch mühsam aus den Buntkarierten falten musste, vielleicht weil das Workout im Moshpit gestern doch zu heftig oder das letzte Bier nicht mehr ganz so frisch war… nun, da gab es ein Angebot, das man einfach nicht ablehnen konnte: Also atmeten wir zu Beginn des Tages erstmal entspannt durch die Hose und starteten mit einer relaxten Runde Metal-Yoga an der Campsite Circus Stage. Sonnengruß, herabschauender Hund, Katze in Kuh und wie die Dehnungsübungen alle hießen. Da schallte nicht nur ein „Namaste“ über das Infield, sondern auch „Respect“ von PANTERA. M e t a l Yoga halt.
Währenddessen machten DUST BOLT ihren Namen alle Ehre und ließen ordentlich den Staub vor der T-Stage aufwirbeln. Sand reinigt bekanntlich den Magen und so drehte sich munter der Moshpit weiter während auf der Mainstage sich die langen Haarmähnen der Männer von DYNASTY kreisten.
Bei sorgfältiger Planung des Tages – beispielsweise durch die geniale SUMMER BREEZE-App – konnten wir uns unser ganz individuelles Tagesprogramm zurechtlegen. Einfach die Lieblingsband anklicken und sich den Ablauf als Zeitstrahl anzeigen lassen. Super praktisch! Dabei ergaben sich einige Abfolgen von ganz alleine: Erst THE BLACK DAHLIA MURDER auf der Main Stage, dann ABORTED auf der T-Stage gucken. TBDM-Sänger Brian Eschbach sah das offensichtlich ganz genauso: Er pickte sich kurzerhand einen Zuschauer mit einem ABORTED-T-Shirt heraus und forderte ihn auf, die Meute im Anschluss zum Gig der Belgier zu führen. Ist das cool oder cool?
Wobei vielleicht der eine oder andere ‚pretty in pink‘ gekleidete Fan bereits auf die fränkischen Frohnaturen J.B.O. wartete, die im Anschluss auf der Hauptbühne aufspielen sollten. Wir nahmen das von den „Verteidigern des Blödsinns“ skandierte „Geh mer halt zu Slayer“ wörtlich, kamen mit dieser Aufforderung aus naheliegenden Gründen aber auch nicht weit.
Egal, dann eben BLIND CHANNEL: Die finnischen Vertreter für den Eurovision Song Contest 2021 eiferten während ihres 45-minütigen Gigs wahlweise ELECTRIC CALLBOY, den BACKSTREET BOYS oder BRITNEY SPEARS nach. Allerdings hatten sie sich auch perfekt auf die Gepflogenheiten in Deutschland vorbereitet. „Singt mit, das ist eure Nationalhymne“, riefen sie da in die Meute und stimmten den Trinkklassiker „Sieben Tage lang“ an. Das stammte in dieser Version zwar von der holländischen Band BOTS, aber egal: Deventer oder Dinkelsbühl, Hauptsache Italien!
Um 17:40 Uhr gingen die sonnenbebrillten Blicke zur Main Stage. Zuletzt standen JINJER 2022 auf der T-Stage, heißt Dunkelheit, die Bühne lediglich in Schwarzlicht getaucht, Fronterin Tatiana Shmailyuk mit auffallend leuchtendem Neon-Make Up und -Klamotten. Ihre Auftritte leben immer von der Performance, der einnehmenden und schieren Stimmgewalt, aber können Sie auch tagsüber auf der großen Bühne funktionieren? Schweißgetränkt und noch immer schwer atmend konnten selbst die Grabenschlampen bestätigen: Yes, they did! Anders, aber überzeugend.
Während man nun also versuchte der nächste Hendl-Stufe mit geeignetem Nachcremen von Sonnenschutzmitteln entgegen zu wirken und man sich in der Menge nach Überlebensstrategien umschaute, fand man doch einige skurrile Sonnen-Vermeidungs-Methoden. Während vereinzelt weiterhin J.B.O.-reife Neon-pinke Borats und Luftschlangen als Körperschmuck dienten, sah man vielerorts Piratenhüte, die obligatorischen Dino-Anzüge (aka tragbaren Dino-Saunen), langärmlige UV-Oberteile und keine zwei Meter daneben den Bruder von Jon Snow in langem Ledermantel nebst Öko-Fellkragen, der wohl hoffte, dass der lang ersehnte Winter endlich kommt. Weiße Wanderer waren dann zwar weit und breit keine zu sehen, aber nachdem dann ein Paar mit einem seltsam glotzenden Plüsch-Baby im Arm den versehentlich gestreuten Blickkontakt erwiderte, schaute man lieber nochmal in den fast geleerten DARK TRANQUILLITY-Becher, ob da vielleicht mehr als nur Bier drin war.
Apropos mehr als Bier: Die Festival’sche Geruchsvielfalt war dieses Jahr um einen neuerdings wirklich sehr dominanten und durchaus legalen Geruch erweitert. Verbrannte Haare. Ja, wir haben alle Anderes im Sinn, aber wenn man sich spontan in einen Berserker verwandeln wollte (vielleicht für FEUERSCHWANZ, den Tag darauf), konnte man sich in der Händlermeile für die nächste Schlacht neu einkleiden und beim Walhalla Tattoo, bzw. Nordic Tattoo Studio ein BDSM-Bärchen oder wahlweise auch ein Vegvísir auf den Allerwertesten ballern oder aber – daher dann der im ersten Moment leicht Panik einflößende Geruch – ein Trinkhorn mit dem Namen seiner Angebeteten beschriften lassen. Fehlt eigentlich nur noch das Bizeps-betonte Muskeltraining und/oder die Opferung eines erlegten Tiers, was uns zu einem ausgestopften und auf Instagram bekannten Dachs nebst Besitzer bringt, der das Stage Diven an diesem Tag perfektioniert hat.
Zurück zum Sonnen-Thema: Knapp eine Stunde später rannte man kurzzeitig schon wieder im Schatten der T-Stage herum und wunderte sich noch darüber, dass die US-Deathcoreler BORN OF OSIRIS bei Tageslicht, so ganz ohne Epilepsie-triggerndes Strobo-Gewitter, auch ganz anders rüberkommen und das Ganze auch irgendwie ganz schön wild anmutet, wenn man gerade beim Vorbeilaufen an der Wera Tool Stage noch GUILT TRIPs Cover von „Davidian“ mitgesummt hat. Den donnerstäglichen Sonnenuntergang gönnte man sich dann zu BEHEMOTHs unchristlicher und gut gelaunter Messe, nebst fulminanter Feuershow, welche mitreißende Atmosphäre eigentlich nur durch den steten Wechsel von Nergals Kopfbedeckung und Seifenblasen im Publikum getoppt wurde. Dann wurde es temperaturtechnisch endlich angenehmer.
Temperatur hin oder her: MADBALL-Sänger Freddy Cricien hopste wie ein raketengetriebener Flummi über die Bühne. Oder aber wie ein Madball – womit auch endlich geklärt wäre, wofür der Bandname wirklich steht. Ansonsten hatte der langmattige Frontmann so seine eigenen Methoden, um das Publikum dazu zu animieren, es ihm gleichzutun: „Und ihr da hinten trinkt Champagner, oder was“, neckte er die hinteren Reihen, die nicht ganz so aktiv mitmachten. „Hier in der ersten Reihe trinkt man Bier!“ Immerhin konnte er einigen Crowdsurfern etwas abgewinnen, die nach dem Ende des Songs noch in der Luft schwebten: „Diving in the sky even when there’s no fucking music, that’s the spirit!“
Weiter ging’s auf der Main Stage, wo die ARCHITECTS für ihren Headliner-Gig ganze Arbeit geleistet hatten. Jedenfalls schienen die Jungs für die Bühnenaufbauten nicht bloß Bob den Baumeister engagiert zu haben. Womit wir wie auf’s Stichwort bei einem anderen Thema wären: Die Gargoyles an den Bühnenseiten waren zurück! Und nicht nur abends mit der mystischen Beleuchtung sahen sie doch wohl absolut fantastisch aus, oder?
Wir flanierten weiter über den heiligen Festivalgrund von Sinbronn, nahmen die okkultistische Weltreise von ROTTING CHRIST mit, ließen uns vom gefühligen Post Black Metal von HERETOIR mitreißen und landeten schließlich vor der Main Stage und DARK TRANQUILLITY. Wie denn, wo denn, was denn? Hatten die nicht schon am Dienstag den Campsite Circus gerockt? Freunde, wenn wir schon bei solcherlei Aufzählungen angekommen sind, müssten wir ja auch die Autogrammstunde noch mit aufzählen. Und doppelt hält sowieso besser.
„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“, hieß es einst in Goethes Faust. Aber auch auf dem SUMMER BREEZE Open Air konnte solcherlei Entscheidungsqual zuschlagen: Also ging es erst zu den dänischen Melodic-Metalcore-Durchstarter
Heiß, heißer, IGNEA! Während episch-sphärische Klänge ertönten, wehte gen Mittag eine ukrainische Flagge in den ersten Rauch-Schwaden der Wera Tool Rebel Stage. Zu dem bereits wartenden Publikum gesellte sich ziemlich schnell eingeheizte Laufkundschaft, die zuvor von DUST BOLT kräftig bedient wurde und dementsprechend lädiert Platz im Schatten suchte. Bereits nach wenigen Minuten wurde klar, dass IGNEA weitaus mehr als Standard-Melodic Metal zu bieten hatten: Symphonische Elemente, gepaart mit schweren Gitarrenriffs, fernöstlichen Instrumenten und Klängen und der atemberaubend starken Stimme von Helle Bohdanova, welche mühelos zwischen melodischen Gesangseinlagen und kraftvollen Growls wechselte. Während die Umgebungstemperatur stetig anstieg, verabschiedete sich mittendrin – neben dem Deo vom Nachbar – der bandeigene Laptop, was kurzerhand und erstaunlich professionell mit „Es ist wirklich heiß – und IGNEA bedeutet übersetzt ja ‚feurig‘, also ist es auf der Bühne natürlich NOCH heißer!“ und einer kleinen Solo-Einlage vom Schlagzeug überbrückt wurde. Hingucker waren während des halbstündigen Sets neben der kleinen Stimmgewalt definitiv auch die fancy Sonnenbrillen und zusätzlich zu den handelsüblichen Klampfen die Nutzung der bunten Keytar, deren musikalischer Einsatz mindestens genauso zuträglich war, wie die Tatsache, dass sich während des Sets keine Haare darin verfangen haben. Für’s erste Mal ein rundum gelungener Auftritt, der Lust auf mehr macht. „We waited quite a while to come here!“ Es hat sich so sehr gelohnt!
In der hitzigen Mittagssonne hieß es heute an der Campsite Circus Stage aufs neue: „Namaste“ und lockerer Sonnengruß gen Osten. Während andere Festivals mit Mottos wie „Erst Laufen dann Saufen“ an die sportliche Ertüchtigung erinnern, begannen die SUMMER BREEZE- Festivalbesucher/innen ihren Donnerstag eher tiefenentspannt. Trotz an sich unsportlicher Temperaturen hatte sich eine amtliche Menge Yoga-Fans vor der Bühne versammelt. Schnell die rosafarbene Matte ausgerollt und dann konnte es auch schon losgehen. Das Thema „Awareness“ ist für SUMMER BREEZE eine stetige Herzensangelegenheit und so startete die erste Übungseinheit mit weit in die Luft gestreckten Armen während „Respect“ von PANTERA ins Infield schallte. Es wurde sich in der Sonne lässig von „Katze in Kuh“ bis zum „herabschauenden Hund“ gebogen. Der ein oder andere nutzte die Atempause für den Hopfengenuss. Schluck aus der Dose statt Tiefenatmung in die Brust. Prioritäten sind eben auch beim Yoga sehr wichtig. Nach 60 min war das Sportprogramm geschafft und alle bestens vorgedehnt und auch mental frisch für den nächsten Moshpit.
Wer zu dieser Uhrzeit in sengender Hitze und bei knallender Sonne seinen Platz vor der Mainstage einnahm, war nicht zufällig hier. Vor imposantem Bandschriftzug auf der Videoleinwand bewegten sich Gitarrist, Bassistin und Drummer zum Intro schon fast ein wenig schüchtern an ihre jeweiligen Arbeitsplätze bevor dann auch die Sängerin Cecilia Boström nach vorn an die Bühnenkante preschte und die Show mit „Be A Baboon“ begann. Es dürfte gar keine so einfache Aufgabe für die Fotograf:innen-Schar im Graben gewesen sein die Lady im Bild einzufangen, denn mit ihrer rastlosen Art hat ihr Schrittzähler nach der Show das Tagessoll bestimmt locker erfüllt. Wie kann man bitte mit solch hohen Absätzen über die Bühne preschen, auf Boxen springen und in den Graben kraxeln? Andere hätten nach zwei Sekunden gebrochene Knöchel… Und der Einsatz der hart arbeitenden Band wurde weidlich belohnt, mit jedem Song wuchs die Masse vor der Main Stage an und es gab mehr Interaktion. Später im Set wurde noch kurz „Run To The Hills“ angestimmt und begeistert vom Publikum geschmettert, bevor Frau Boström sich für die Zielgerade der letzten beiden Songs extra nochmal kurz hinter dem Backdrop umzog und im hautengen Kleid und mit ellbogenlangen, roten Handschuhen für „Playing With Fire“ und dem Überhit „Radio Rebelde“ zurückzukehren. Was ein Energiebündel ist denn die Frau bitte? Völlig überzeugendes erstes – und hoffentlich nicht letztes – Gastspiel der Schweden!
Ein pumpendes Gitarrenriff war der Vorbote des Sets von MOON SHOT auf der Wera Tool Rebel Stage. Fronter Ville erschien zum treibenden Rhythmus der Alternative-Rock-Supergroup in schwarzer, langer Kutte, die Kapuze zog er sich tief ins Gesicht. Die Band aus Helsinki kündigte bereits zu Beginn ihrer Show an, dass sie hier sind um das Publikum für einige Momente mit in eine andere Sphären zu entführen und alle Sorgen sollten kurz beiseite geschoben werden. Die charismatische Ausstrahlung und der satte Rocksound fanden direkte Zustimmung in der Menge. Die Hooklines der Band brachten selbst den Hitze-müdesten vor der Bühne zum Mitgrölen und Mitklatschen. Ob nun „The Power“ oder „Second Chance“, von Song zu Song holten MOON SHOT die Festivalbesucher mehr und mehr ab. Easy und locker an einem sonnigen Festivalnachmittag und mit ehrlicher Rock-Kante: Das Rezept der Band war absolut kein Schuss in den Ofen und es sollte einen nicht wundern, wenn die Finnen heute ihre Fanbase deutlich vergrößert haben.
Wer ohne Plan und vielleicht sogar eher zufällig gegen 16 Uhr vor die Main Stage stiefelte, dürfte recht schnell geahnt haben, was als nächstes auf dem Programm stand. Das Bandtypische Magenta-Pink kündete die fränkischen Spaßkanonen u.a. über ein riesiges Backdrop, pink bezogene Gitarren- und Bassboxen und zum einleitenden „Im Verkehr“ direkt einen pinken Papierfontänen-Regen. Die überaus zahlreich und feierwütig vor der Bühne erschienenen Leute fraßen den Frontern Vito und Hannes vom Start weg aus der Hand und laut mehreren Zeugenaussagen waren die Fangesänge (nicht die Band!) zu „Heut ist ein guter Tag zum Sterben“ sogar vor der T-Stage noch klar und deutlich zu hören! Neu war – zumindest mir – die schicke Gitarre von Vito, deren Korpus aus dem Bandlogo bestand. Zwischen den gefeierten Hits „Alles nur geklaut“ und „Könige“ bezog Hannes dann auch noch deutlich Stellung: „Nazis braucht echt kein Mensch!“. Beim abschließenden „Ein Fest“ (nach „Go West“ von den Pet Shop Boys) entfaltete sich ein aufblasbarer Bandschriftzug zu imposanter Größe, so dass der Schlagzeuger wohl nicht mehr allzu viel vom Publikum gesehen haben dürfte. Klassischer, fränkischer Start-Ziel-Sieg nennt man das dann wohl!
Von finnischer Zurückhaltung keine Spur: BLIND CHANNEL zerlegten die T-Stage nach allen Regeln der Kunst. Jedenfalls hatte die sechsköpfige Band mit ihrem „Violent Pop“ das richtige Rezept, um sowohl auf der Bühne ordentlich Alarm zu machen als auch das Publikum ins Tanzen und Eskalieren zu bringen: mit viel Synthiegezirpe, modernen Nu-Metal-Gitarren, harten Raps und immer wieder poppigen Refrains. Da passte es gut, dass die ganz in Schwarz und Rot eingekleideten Jungs nicht nur „Everybody“ von den BACKSTREET BOYS coverten, sondern gleich deren synchrone Posen adaptierten. Aber auch mit eigenen Songs vom Schlage „XOXO“, „Wolves Of California“ und „Balboa“ brachten die ESC-Teilnehmer von 2021 die Menge in Wallung – nicht zuletzt mit eingebauten Singalongs. Zum Abschluss ertönte der BRITNEY-SPEARS-Klassiker „One More Time“ (in der Version von TENACIOUS D.) aus der Konserve, und genau das sollte sich doch auf einer der kommenden Ausgaben des SUMMER BREEZE einrichten lassen: Spielt noch einmal, Wiederkommen erwünscht!
Dass bei MADBALL kein Schnickschnack wie beispielsweise ein langatmiges Intro zu erwarten war, war keine Überraschung. Die New Yorker Hardcore-Institution legte nach der kurzen Begrüßung „SUMMER BREEZE!“ einen dynamischen Start mit „HeavenHell“ hin. Fronter Freddy Cricien stand von diesem Moment an keinen Augenblick des Auftritts mehr still. Er fegte routiniert von links nach rechts und erweiterte seinen Radius schnell auf die Boxen vor der T-Stage, den Graben und im Verlauf des Sets auch das Infield. Dabei verzichtete er auf ein Funkmikro, zog das Kabel hinter sich her bis in die Menge und ließ sich von der Bühnencrew wie mit der Angel wieder einholen. Auch vor der Bühne sorgten MADBALL für reichlich Bewegung. Die Aufforderung „can we get that shit moving“ hätte es daher gar nicht gebraucht. Wenn es auf dem SUMMER BREEZE eine Band gab, bei der Karate in the Pit ausnahmsweise angebracht war, dann sicherlich MADBALL. Wie immer zeigten sich die Besucher:innen aber rücksichtsvoll und achteten auf Spaß für alle. Mit den hinteren Reihen war Freddy Cricien jedoch noch nicht ganz zufrieden. Diese forderte er wiederholt zum Mitmachen auf und provozierte dabei auch bewusst. Ob sie hinten denn Sekt trinken würden, fragte er und ergänzte, dass vorne Bier getrunken würde. Zudem forderte er „more bodies“, um auch den Grabenschlampen die Teilhabe zu ermöglichen. Das Publikum kam dem nach, und vor allem Stücke wie „Set It Off“ und „Across Your Face“ machten ordentlich Spaß.
Die T-Stage war in blaues Licht gehüllt, als das geheimnisvoll-atmosphärische Intro von ROTTING CHRIST erklang. Nach dem Opener begrüßten die griechischen Black-Metal-Veteranen ihr Publikum auf Deutsch mit „Guten Abend SUMMER BREEZE!“. Dieses hatte sich zahlreich versammelt und die Band schon bei ihrem Auftritt jubelnd empfangen. Mit „Fire, God And Fear“ folgte bald das erste Highlight des Sets. „P’unchaw kachun- Tuta kachun“ prügelte schnell und hart weiter. Die beiden Tracks stammten wie viele weitere auf der Liste von den Alben „The Heretics“ und „Κατά τον δαίμονα εαυτού“, die an diesem Abend überdurchschnittlich stark vertreten waren. Vom aktuellen, erst im Mai 2024 veröffentlichten „Pro Xristou“ spielten ROTTING CHRIST dagegen nur „Like Father, Like Son“, was auffiel. Für sehr viel Atmosphäre und einen ritualistischen Touch sorgte die Band mit einigen eingesprengten Rezitationen, gerne mit Hall auf dem Mikro. Einen ähnlichen Effekt hatten die mehrstimmigen Chants, wie beispielsweise in „Apage Satana“. Wie bestellt lief just während dieses Songs ein Besucher im Jesus-Kostüm über den Platz. Er hatte sich die richtige Band ausgesucht. Die Pflichtsongs „Non Serviam“, „Grandis Spiritus Diavolos“ und die Rarität „Societas Satanas“ bildeten weitere Höhepunkte des Sets. Abseits der Songauswahl bewiesen ROTTING CHRIST besonders durch ihre Bühnenperformance ihre Stärken. Ob Synchron-Headbangen oder punktgenau abgelieferte Soli – die Gitarren- und Bassfraktion überzeugte. Fronter Sakis Tolis führte derweil als Zeremonienmeister durch die Show, die mit „The Raven“ stimmungsvoll zu Ende ging.
Nachdem DARK TRANQUILLITY bereits am Dienstag ein Surprise-Set gespielt hatten, war es am Donnerstag Zeit für einen weiteren besonderen Auftritt. Das offiziell angekündigte Set der Band fand über Mitternacht statt und fiel damit zur Hälfte auf den Release-Tag des aktuellen Albums „Endtime Signals“. Die erste Hälfte widmeten DARK TRANQUILLITY den Klassikern und spielten Songs von Alben aus den Jahren 1999 („Projector“) bis 2016 („Atoma“). Mit einem oder maximal zwei Stücken pro Album lieferten sie einen guten Querschnitt aus der für sie prägenden Bandgeschichte. Die Highlights unter den Highlights waren dabei „Terminus (Where Death Is Most Alive)“, „ThereIn“ und „Atoma“. „Terminus“ widmete Fronter Mikael der Bandheimat Göteborg, die der Song behandelt. Wie immer war er durchgehend in Bewegung, nutzte die gesamte Bühnenbreite aus und animierte so auch die Fans vor den großen Leinwänden. Eine Besucherin fand für ihn den passenden Begriff „Flummi“. Auffällig war die immer wieder als Overlay auf den Screens erscheinende Sanduhr, die bereits einen Countdown andeutete. Nach einer Weile kündigten DARK TRANQUILLITY schließlich an, dass es zum Release nach Mitternacht erstmals ein Set zum neuen Album geben würde. Als es soweit war, verdunkelte sich die Bühne und erstrahlte im Anschluss im Artwork zu „Endtime Signals“. Von diesem folgten sechs weitere Stücke. „Shivers And Voids“, „Our Disconnect“ und „Neuronal Fire“ gab es sogar zum ersten Mal live zu hören. Mikael Stanne war sichtlich ergriffen von den Reaktionen des Publikums und konnte gar nicht mehr aufhören, diesem seine Liebe zu beteuern. Zum Abschluss forderte die Menge aber keinen neuen Song, sondern „Misery’s Crown“. Erfahren und routiniert wie sie sind, hatten DARK TRANQUILLITY das natürlich bereits eingeplant.
Die Berliner Band war schon fünf lange Jahre nicht mehr bei uns auf dem SUMMER BREEZE zu Gast, wenn man aber die Anwesenden vor der T-Stage als Indikator hernimmt, sind sie wohl in bester Erinnerung geblieben. Mit dem leicht Trip-Hop-artigen „Preboreal“ starteten THE OCEAN ruhig, fast verhalten in ihr Set. Zu Anfang dominierte auch ruhig eingesetztes rötlich-orangenes Licht bis dann nach drei Vierteln des Tracks plötzlich wuchtig und kraftvoll ein Break reinkrachte, das Licht auf weiß switchte und die Band mit Vollgas in den Brachialgang schaltete. Schon der Aufbau war enorm spartanisch, keine Boxen neben dem Drumriser, keine Aufsteller, kein Backdrop, keine Projektionen (mit denen die Band ja früher gearbeitet hat) und schon gar keine Pyros. Denn wo andere Bands massig KrachBumm brauchen um Zäsuren zu setzen und Wucht zu erzeugen, agieren THE OCEAN mit kontrastreichen Parts und perfekt getakteten Lichtarrangements. Sänger Loic Rossetti ist aber auch ein Ausnahmefronter; und zwar sowohl wegen seiner stimmlichen Qualitäten (perfekter Klargesang und furchteinflößendem Brachialgesang) als auch mit seiner Agilität und Präsenz. Auf der Bühne wiegte er sich oft Trance-meets-Yoga-artig zu den Klängen seiner Bandkollegen und sehr oft suchte er auch den direkten Kontakt zum Publikum, sprang in den Graben und auf die Absperrung. Und nochmal zurück zum Gesang, an dem beteiligte sich auch Band-Mastermind Robin Staps und unterstützte bei den melodischen Passagen mit perfekten zweiten Stimmen und übernahm auch immer wieder gegrowlte Brachialpassagen. Der Schluss von „Pleistocene“ gipfelte dann in einem regelrechten Strobo-Blastbeat-Massaker. Mit dem überragenden „Jurrasic I Cretaceous“ beendete die Band einen grandiosen Auftritt.